Aufruf an alle, Friedensstifter zu sein

Bei der Gedenkfeier zum Volkstrauertag, die wegen Corona komplett im Freien stattfindet, erinnert Bürgermeister Armin Mößner an alle Opfer von Krieg, Gewalt und Terror sowie erstmals auch der Pandemie.

Mit Kränzen und einer Rede des Bürgermeisters Armin Mößner (links) wird der Kriegsopfer gedacht. Foto: E. Klaper

Mit Kränzen und einer Rede des Bürgermeisters Armin Mößner (links) wird der Kriegsopfer gedacht. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Die kritische Situation in der Coronapandemie zwingt dazu, dass traditionelle Veranstaltungen in anderer Form als bisher üblich ablaufen. So auch die Gedenkfeier zum Volkstrauertag: Die Teilnehmer finden sich im Freien am Julius-Söhnle-Pavillon ein und gehen danach zu den Gedenkstätten am Feuersee. Zum Glück bleibt das Wetter trocken bei relativ milden Temperaturen. Im Zentrum des Gedenkens steht die Erinnerung an den grausamen und verlustreichen Angriffs- und Vernichtungskrieg während des Zweiten Weltkriegs in Südost- und Osteuropa vor 80 Jahren, verdeutlicht Bürgermeister Armin Mößner in seiner Rede. Im April 1941 besetzte die deutsche Wehrmacht Jugoslawien und Griechenland, im Juni folgte der Überfall auf die Sowjetunion. Brutale Besatzungsregimes begingen dort eine Vielzahl von Verbrechen. Der nationalsozialistische Rassenwahn führte zum Holocaust, sprich Völkermord, an der jüdischen Bevölkerung Europas und zur Ermordung der Sinti und Roma. „Die Auswirkungen dieses Krieges waren verheerend: Vertreibungen und das grausame Vorgehen der Besatzer gegen Kämpfende und die Zivilbevölkerung hinterlassen bei den Menschen und im kollektiven Gedächtnis der Völker bis heute Narben.“

Deshalb „schulden wir den leidenden Menschen unsere ehrende Erinnerung, ihre Erlebnisse sind uns Mahnung“, betont Mößner. Wo es gelingt, gemeinsam mit den Nachfahren der Opfer zu erinnern, werde der Horizont der Versöhnung sichtbar. „Wir bitten um Vergebung, ohne zu vergessen, und rufen dazu auf, uns einander liebend zuzuwenden. Wir Deutsche blicken heute mit Schrecken und Scham in einen tiefen Abgrund unserer eigenen Geschichte, auf den unter der Regie der NS-Diktatur entfesselten Zweiten Weltkrieg und den Zivilisationsbruch Holocaust.“

Einsatz dafür, dass Krieg und Diktatur sich nicht wiederholen

Am Volkstrauertag gedenke man auch der zivilen Opfer von Krieg und Gewalt, verbunden mit dem Aufruf zur Versöhnung, Verständigung und Frieden zwischen den Völkern. Zwar könne man das Geschehene nicht rückgängig machen, doch gelte es, sich dafür einzusetzen, dass sich Krieg und Diktatur nicht wiederholen können. Deshalb „müssen wir uns mit aller Kraft im Inneren für Demokratie und Toleranz und im Äußeren für Verständigung und Versöhnung engagieren. Unsere internationale Zusammenarbeit mit den Ländern, die die deutsche Aggression erlitten haben, muss elementarer Bestandteil unserer Außenpolitik sein.“ Denn Krieg, Gewalt und Terror gehören leider bis heute für viele Menschen in der Welt zum Alltag.

„Seien wir alle Friedensstifter“: im privaten und familiären Umfeld, in und auf der Straße, in der Wohnungseigentümergemeinschaft, im Betrieb, in der Schule, im Verein, am Stammtisch, im Gemeinderat, in der höheren Politik. Der Rathauschef ruft alle dazu auf, sich selbst für den Frieden einzusetzen und die Mitmenschen dazu zu animieren. Denn: „Es ist gut, gegen den Krieg zu sein. Es ist aber noch besser, etwas für den Frieden zu tun.“ Er dankt allen haupt- und ehrenamtlich Engagierten, die sich in vielfältiger Weise und in einer Vielzahl verschiedener Institutionen und Organisationen für den Frieden einsetzen.

Vor allem der Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge hält das Gedenken wach: Er hatte nach dem Ersten Weltkrieg den Volkstrauertag als nationalen Gedenktag für die Kriegsopfer ins Leben gerufen und unterhält Soldatenfriedhöfe als Mahnmale für die Zukunft. Er ermöglicht auch heute noch jährlich in den Kriegen Gefallenen, die auf den Feldern entdeckt werden, eine würdige Beisetzung unter Anwesenheit der Angehörigen, zudem leistet er vielfältige Nachwuchs- und Jugendarbeit im Austausch zwischen den Völkern. „Um den deutschen und europäischen Frieden zu sichern, stellen wir Deutsche uns auch unserer Verantwortung, aktiv einzutreten für die Achtung vor dem Leben, für freiheitliche Demokratie sowie für die Erhaltung von Sicherheit und Frieden.“

Städtepartnerschaft als Akt der Versöhnung geschlossen

So durch Entwicklungsarbeit, Nothilfe bei Naturkatastrophen sowie Einsätze von Polizeibeamten und die Soldaten der Bundeswehr in Regionen, in denen Frieden und Freiheit erst noch durchgesetzt werden müssen. „Auch wir in Murrhardt haben die Versöhnung mit ehemaligen Kriegsgegnern aktiv betrieben und mit Städtepartnerschaften zu Château-Gontier in Frankreich, Frome in Großbritannien und Rabka-Zdrój in Polen Freundschaften zwischen den Menschen ermöglicht.“ Die Partnerschaften und der Geist Europas seien in allen vier Städten lebendig und bürgerschaftlich getragen, unterstreicht Mößner.

Mit einer Schweigeminute gedenken die Teilnehmer heuer erstmals der Opfer der Coronapandemie. Sie „ist der schwerste Einschnitt in unserem öffentlichen und privaten Leben seit dem Zweiten Weltkrieg. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen und Hinterbliebenen. In Deutschland sind bereits rund 100000 Todesfälle zu beklagen, in Baden-Württemberg rund 11200, im Rems-Murr-Kreis fast 400 Todesfälle und in Murrhardt 20 Todesfälle.“ Mit diesen erschreckenden Zahlen verdeutlicht Mößner, wie lebensbedrohlich dieses Virus ist.

Er bedauert, dass es heuer keinen Beitrag des Literaturkreises am Heinrich-von-Zügel-Gymnasium gibt, da dessen Arbeit wegen Corona stark beeinträchtigt war. Die Gedenkfeier umrahmt das Blechbläserquintett der Musikschule Schwäbischer Wald/ Limpurger Land, geleitet von Georg Werner Hermann. Anschließend legen Mitglieder der freiwilligen Feuerwehr und der Reservistenkameradschaft Murrhardt sowie eine Mitarbeiterin der Stadtverwaltung Kränze und Buketts an den Gedenkstätten nieder, musikalisch umrahmt durch eine Bläsergruppe des Musikvereins Stadtkapelle, die der Vorsitzende des Bereichs Musik Stefan Eitel leitet. Bei Gedenkfeiern in Fornsbach, Kirchenkirnberg und Vorderwestermurr legen Stadträte an den Ehrenmalen für die Gefallenen der Weltkriege Kränze nieder.

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Erstellt:
16. November 2021, 06:00 Uhr

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