„Ausgaben steigen, Einnahmen sinken“
Der Murrhardter Gemeinderat stimmt dem ambitionierten Investitionsprogramm zum Haushalt 2022 mit einem Auszahlungsvolumen von 17 Millionen Euro zu. Der Schuldenstand kann wohl dennoch verringert werden, weil Rücklagen zur Finanzierung genutzt werden.

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Unzumutbar seien die Zustände für die Mitarbeiter, so der Bürgermeister. Das Rathaus muss daher dringend saniert werden. Foto: J. Fiedler
Von Elisabeth Klaper
Murrhardt. Im kommenden Jahr sind in der Walterichstadt eine Fülle großer und kleiner Projekte zu stemmen. Das Team der Stadtkämmerei unter der Regie von Matthias Glassl hat ein ambitioniertes Investitionsprogramm als Grundlage für den Haushalt 2022 ausgearbeitet. Das Gesamt-Auszahlungsvolumen ist mit 17 Millionen Euro deutlich höher als die 11,2 Millionen für 2021, dieser Summe stehen Einzahlungen von rund 9,2 Millionen Euro gegenüber.
2021 sei man trotz Corona „mit einem blauen Auge davongekommen“, doch für 2022 sehe es leider anders aus, erklärte Glassl, der das Investitionsprogramm in der jüngsten Gemeinderatssitzung vorstellte. „Die Ausgaben steigen, die Einnahmen sinken“, brachte es der Stadtkämmerer auf den Punkt. „Nur dank der guten Liquidität kann die Stadt das Investitionsprogramm schultern.“ Wenn alles so bleibt wie geplant, könne der Schuldenstand trotzdem verringert werden, aber „das Sparschwein muss geschlachtet werden“. So dienen die Rücklagen aus den guten Jahren vor der Pandemie und Haushaltsreste von nicht umgesetzten oder verschobenen Maßnahmen, zusammen 7,2 Millionen Euro, zur Finanzierung des Investitionsprogramms.
Bürgermeister Armin Mößner gab einen Überblick über ausgewählte Projekte als Finanzierungsschwerpunkte des Investitionsprogramms im Haushaltsjahr 2022. Noch im Oktober soll der Breitbandausbau starten mit einer Rate von 3,5 Millionen Euro. Für den Neubau der Turnhalle bei der Walterichschule ist eine Rate von 2 Millionen Euro eingeplant. Über den Winter erfolgen die Ausschreibungen.
Viel Geld wird für die Schulen in die Hand genommen. So wird die Finanzierung der Sanierung des Heinrich-von-Zügel-Gymnasiums mit 900000 Euro abgeschlossen. Zur Umsetzung des Digitalpakts werden 520000 Euro investiert, für die Sanierung des Flachdachs der Hörschbachschule 310000 Euro sowie für die Sanierung von Klassenzimmern an der Walterichschule 180000 Euro. Der Pausenhof der Grundschule Fornsbach ist wellig und marode und benötigt einen neuen Belag, auch soll er umgestaltet werden für 70000 Euro. Die Kindergärten bekommen ein Verwaltungsprogramm für 17000 Euro, um die Kindergartenbedarfsplanung digital zu erledigen.
Auch im Rathaus gibt’s einiges zu tun: Für die Digitalisierung der Verwaltung und die Einführung des Ratsinformationssystems sind 50000 Euro eingestellt. Das Bürgerbüro soll moderner und kundenfreundlicher gestaltet werden für 30000 Euro. Und zum Start der Rathaussanierung ist eine erste Teilrate von 300000 Euro für den Fensteraustausch vorgesehen. „Das Rathaus ist 1959 letztmals saniert worden, die Fenster sind nicht mehr dicht und für die Mitarbeiter nicht mehr zumutbar: Im Winter zieht es wie Hechtsuppe, im Sommer wird es schon vormittags zu heiß“, berichtete der Bürgermeister.
Um das Stadtarchiv zu entlasten, das aus allen Nähten platzt, soll das leer stehende Klärwärterwohnhaus auf dem Kläranlagengelände für 50000 Euro umgebaut werden. Dort könne man eine größere Menge von Archivgut unterbringen, darunter auch alte Akten, die bisher auf dem Dachboden des Rathauses lagern, zudem soll eine neue Sanitäranlage installiert sowie eventuell ein Arbeitsraum eingerichtet werden. Die freiwillige Feuerwehr erhält ein neues Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug für 350000 Euro, zudem eine Netzersatzanlage für 83000 Euro, damit sie auch bei einem Stromausfall einsatzfähig ist.
Für die Neugestaltung der Karlstraße sind 500000 Euro eingestellt, dazu ist ein Informationsabend für die Anwohner geplant. Der vom Land geforderte barrierefreie Umbau ausgewählter Bushaltestellen, je eine pro Stadtbezirk und Teilort sowie einige in der Kernstadt, mit Gesamtkosten von 645000 Euro, wird nach Bewilligung der Förderung nach dem Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz umgesetzt. „Die Kostenschätzungen liegen vor, die Haltestellen müssen komplett umgebaut werden, denn sie benötigen einen anderen Radius, auch sind die Randsteine zu erhöhen“, erläuterte Mößner.
Die Instandhaltung und Verbesserung des Abwasserbeseitigungssystems durch Kanalsanierung, Baumaßnahmen an Regenüberlaufbecken und Neubau der Phosphatfällung für die Kläranlage schlägt mit insgesamt rund 2 Millionen Euro zu Buche. Ziel der Finanzplanung ist es laut Matthias Glassl, den Kreditbedarf deutlich zu reduzieren. Dazu gelte es, Fördermöglichkeiten optimal auszuschöpfen und innovative steuerliche Gestaltungsoptionen zu nutzen sowie nicht unbedingt notwendige Maßnahmen zu priorisieren und falls erforderlich zu verschieben.
Die Fraktionssprecher waren sich einig: Trotz der hohen Kosten muss die Stadt 2022 und in den Folgejahren eine Vielzahl notwendiger Maßnahmen umsetzen. Am Waldsee gelte es, die bestehenden Einrichtungen wie Minigolfanlage oder Bähnle weiterzuentwickeln, attraktiver und moderner zu gestalten, erklärte der Rathauschef. Dazu sollen eine Besichtigung erfolgen, Ideen gesammelt und die Umsetzung mithilfe der Tourismusförderung finanziert werden. Zur Sanierung der Stadthalle benötige man zuerst eine Gesamtbestandsaufnahme für die Kostenkalkulation, betonte Mößner. Wichtig sei die Verlegung der Mensa, deren Plätze nicht mehr ausreichen, vom Foyer auf die Terrasse, die dazu mit Glasbauelementen eingehaust werden soll.
Rolf Kirschbaum brachte einen Antrag der CDU-FWV-Fraktion ein zum Thema Radwege, um die Mobilität per Fahrrad als Antwort auf aktuelle Herausforderungen wie den Klimawandel zu fördern. Er forderte Informationen zum vorhandenen Radwegekonzept Murrhardts und einen Bericht über die in den vergangenen Jahren dafür vorgenommenen Maßnahmen, die Überarbeitung und Aktualisierung des Radverkehrskonzepts in Abstimmung mit den Straßenbaulastträgern und unter Einbeziehung eines örtlichen Arbeitskreises.
Ziel ist es, Lücken im Radwegenetz im Stadtgebiet und zu den Stadtbezirken und Teilorten zu schließen und die Radinfrastruktur insgesamt zu verbessern. Darauf basierend soll in 2022 eine Prioritätenliste durch den Gemeinderat festgelegt werden, um konkrete Maßnahmen innerhalb der nächsten zehn Jahre umzusetzen. Zudem sollen unverzüglich ein Verkehrsplanungsbüro beauftragt und entsprechende Mittel im Haushalt 2022 veranschlagt werden. Dazu gelte es, den Generalverkehrsplan fortzuschreiben, was etwa 75000 Euro koste, das werde in die weitere Haushaltsplanung einfließen, so der Bürgermeister. Schließlich stimmte das Stadtparlament unisono dem Investitionsprogramm 2022 zu.
Steuerkraft Die Steuerkraftsumme der Stadt Murrhardt auf Basis der Steuereinnahmen in 2020 steigt um eine Million von 19,6 auf 20,7 Millionen Euro. Dies führt jedoch zu einer deutlichen Steigerung der Kreisumlage, die sich um 312000 Euro auf 6,4 Millionen Euro erhöht.
Einnahmen Die Einkommensteuer entwickle sich trotz Corona erfreulich, so kann die Stadt dank Mehreinnahmen von 300000 Euro mit einem Betrag von rund 7,1 Millionen Euro rechnen. Auch gibt es rund 189000 Euro Mehreinnahmen bei den Schlüsselzuweisungen, das Gesamtaufkommen beträgt 9,36 Millionen Euro. Leider rechne man bei der Gewerbesteuer nur mit 3,5 Millionen Euro, 450000 Euro weniger als 2021. Und wegen der guten Steuereinnahmen 2020 und der Erhöhung der Steuerkraftmesszahl wird der Sockelgarantiebetrag um 163000 Euro auf 495000 Euro sinken.
Ausgaben Zu den Ausgaben erläuterte der Stadtkämmerer, dass 2022 die Finanzausgleichsumlage wegen der gestiegenen Steuerkraftsumme steigt, das bedeutet, die Umlagelast erhöht sich um 196000 Euro auf rund 4,6 Millionen Euro. Die Personalkosten steigen gegenüber dem Vorjahr um rund 440000 Euro auf rund 10 Millionen Euro. Insgesamt erwarte man 2022 ein „deutlich negatives Ergebnis“ von minus 1,5 Millionen Euro. Dadurch kann im Ergebnishaushalt 2022 nur ein kleiner Zahlungsmittelüberschuss aus laufender Verwaltungstätigkeit, aber kein Beitrag zur Finanzierung des Investitionsprogramms geleistet und Netto-Investitionsrate erwirtschaftet werden.
Schulden Laut aktueller Kreditplanung kann auf die eingeplante Neuverschuldung in Höhe von 5,6 Millionen Euro verzichtet und der Schuldenstand weiter abgebaut werden von rund 5,5 auf 4,9 Millionen Euro, dadurch sinkt die Pro-Kopf-Verschuldung auf 348 Euro pro Einwohner, betonte der Stadtkämmerer.