Austausch ermöglichen, Hilfestellung geben
Monika Amann und Angelika Burr führen den Gesprächskreis für Angehörige von Menschen mit Demenz in Murrhardt fort. Die Unterstützung Betroffener und ihrer Familien ist ihnen wichtig. Zwar ändert sich das Leben grundlegend, trotzdem können kleine Anpassungen wirkmächtig sein.

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Angelika Burr und Monika Amann (von links) freuen sich auf ihre Gäste. Der Start in den Räumen der Evangelisch-methodistischen Friedenskirche in Murrhardt ist kommenden Montag. Foto: Stefan Bossow
Von Christine Schick
Murrhardt. Wenn Angehörige damit konfrontiert sind, dass ein Familienmitglied von Demenz betroffen ist, ist das keine einfache Situation. Zwar ist das Thema ein Stück weit gesellschaftlich stärker ins Bewusstsein gerückt, trotzdem ist man von einem sehr offenen Umgang noch entfernt und das Gespräch über die jeweilige Situation fällt nicht wenigen schwer. Woran liegt das eigentlich? „Viele Menschen sind mittlerweile schon ein Stück weit aufgeklärt“, sagt Monika Amann, die lange Zeit als Demenzfachberaterin im Rems-Murr-Kreis tätig war. Aber für Angehörige bedeute dies auch, dass sie ihr Leben – teils stark – verändern müssen, um das Familienmitglied mit Demenz entsprechend gut begleiten zu können. „Man kann nicht mehr alles so machen wie zuvor beziehungsweise man muss es anders machen.“
Auf diesem Weg möchten Monika Amann und Angelika Burr, die viele Jahre in einem Murrhardter Seniorenheim tätig war und als Selbstständige noch Einzelbetreuung leistet, Familienmitglieder ein Stück weit unterstützen. Die beiden führen künftig den Gesprächskreis für Angehörige von Menschen mit Demenz in Murrhardt fort. Zum einen geht es um den Austausch untereinander, der entlastend sein kann. „Jeder kann vorbeikommen und wir werden auch über ganz normale Dinge reden. Letztlich entscheidet jeder, wie viel er preisgibt“, sagt Angelika Burr. Zum anderen ist da das Anliegen, die Menschen mit der Situation nicht alleinzulassen.
Alltagshürden abbauen: Blumenmuster aussortieren, ein Glas sichtbar machen
Wissen rund um die Demenz kann nämlich ganz konkret helfen, und es gibt eine Menge praktischer Tipps. „Das sind teils Kleinigkeiten, die aber eine große Wirkung haben“, sagt Monika Amann. Von zentraler Bedeutung ist, sich klarzumachen, dass sich bei Menschen mit Demenz die Sinneseindrücke stark verändern können. Monika Amann gibt ein Beispiel: Ein Kaffeegeschirr mit Blüten- und Pflanzenmotiven irritiert einen Menschen mit Demenz möglicherweise drastisch. Bei einer Wahrnehmung, die unter Umständen stärker dreidimensional ausfällt, fragt ein Betroffener dann vielleicht: „Warum liegt mein Essen denn im Gras?“ Umgekehrt können Gegenstände wie ein Glas Wasser, gefüllt mit farblosem Sprudel, völlig verschwinden und ein Schuss Orangensaft kann die Lage wieder positiv wenden.
Vielleicht scheint das gewohnte gemeinsame Ausgehen erst einmal eine große Hürde, aber mit ein paar veränderten Strategien ist ein Restaurant- oder Cafébesuch eben doch möglich, erläutert Monika Amann. „Es kann helfen, mir ein ruhigeres Lokal zu suchen oder zu einer Tageszeit hinzugehen, zu der es noch nicht so voll ist.“ Manchmal ist es ratsam, den Betroffenen mit dem Rücken zu den anderen Tischen zu platzieren. So lässt sich einer Überforderung durch sehr viele Sinneseindrücke vorbeugen, je nach Geschichte des Einzelnen auch eine schwierige Situation für die Angehörigen. Auch hier wieder ein Beispiel: Ein Mensch mit Demenz, der als Angehöriger der älteren Generation noch Hunger- und Kriegszeiten erlebt hat, besteht möglicherweise darauf, dass alle ihre Teller leer essen; und eine Unterscheidung von Familie und anderen Gästen ist vielleicht zu schwierig. Auch ein kürzeres Treffen, sprich die Verabredung, sich früher zurückzuziehen, kann hilfreich sein. „Diese Anregungen können wir im Gesprächskreis weitergeben“, sagt Monika Amann, die um die oft nicht einfachen Alltagssituationen weiß, weil sich die Menschen mit Demenz teils ja auch nicht mehr äußern können, je nachdem, wie weit die Veränderungsprozesse im Gehirn fortgeschritten sind. „Eine gute Beobachtung ist da das A und O.“
Manchmal sind es auch kleine Gesten oder Tricks, die den Alltag erleichtern: Jemandem, der vergisst, zu trinken, ließe sich einfach mal das eigene Glas zu einem gemeinsamen Prost hinhalten oder man könnte ihn bitten, auszutrinken, weil das Geschirr in die Spülmaschine soll.
Es geht darum, dass die Betroffenen möglichst lang zu Hause bleiben können
Wichtig ist den beiden, dass es bei den Treffen aber nicht um eine Vortragssituation geht, sondern um besagten Austausch. Als Monika Amann, die in Murrhardt lebt, mitbekam, dass Ingrid Krauß-Mauser aus persönlichen Gründen die Begleitung des Gesprächskreises beenden würde, war ihre erste Reaktion: „Das ist ja elend schade.“ Dann hat sie überlegt, selbst wieder ehrenamtlich aktiv zu werden, und hat Angelika Burr angesprochen, die sich solch ein Engagement ebenso gut vorstellen konnte. Die beiden möchten durch die Fortführung des Angebots ihren Teil dazu beitragen, zu helfen. Im Kern geht es darum, dass Betroffene so lange wie möglich zu Hause und im Kreis der Familie bleiben können. Die Situation für Menschen mit Demenz sowie deren Angehörige war während der Coronapandemie äußerst schwer und auch die Folgen sind noch deutlich spürbar, so Monika Amann. Die Zeit von Einschränkungen bis hin zur Abschottung, von Angst und Umgang mit einem nicht immer gut erklärbaren Alltag beispielsweise wegen des Maskentragens scheint zwar erst einmal vorbei, aber Monika Amann sagt auch: „Viele der mühsam aufgebauten fachlichen oder ehrenamtlichen Angebote sind eingestellt oder ganz gestorben.“ Diese Arbeit sei wertvoll und nicht zu unterschätzen, weil die Gesellschaft institutionell auch an Grenzen stoße.
Gesprächskreis Der Gesprächskreis für Angehörige von Menschen mit Demenz trifft sich am Montag, 27. Februar, 19 bis 21 Uhr im Jugendraum der Evangelisch-methodistischen Friedenskirche, Friedenstraße 7, in Murrhardt. Anmelden können sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei Monika Amann, Telefon 07192/9389821, oder bei Angelika Burr, Telefon 07192/ 900548. Der Gesprächskreis (kostenlos) findet immer am vierten Montag im Monat im Jugendraum der Friedenskirche statt. Dies haben Gemeinde und Jugendliche ermöglicht, was die beiden Begleiterinnen sehr freut und hervorheben. Der Raum hat den Vorteil, dass er auch von außen barrierefrei zugänglich ist. Alles, was an den Abenden besprochen wird, ist nur für den Kreis bestimmt.
Ansprechpartnerin Wer Fragen in Bezug auf das Leben mit Demenz oder bei einer spezifischen Problematik hat, kann sich an Monika Amann wenden (siehe Telefonnummer links). Die ehemalige Demenzfachberaterin ist ehrenamtlich auch noch im Vorstand der Alzheimer-Gesellschaft Baden-Württemberg engagiert.
Zahlen In Deutschland leben derzeit rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz, die meisten von ihnen sind von Alzheimer betroffen. 2021 sind ungefähr 440000 Menschen neu erkrankt. Die Zahl nimmt kontinuierlich zu. Nach Schätzungen geht man davon aus, dass es bis zum Jahr 2050 zwischen 2,4 und 2,8 Millionen Menschen mit Demenz (über 65 Jahre) sind. Derzeit sind es ungefähr 100000 Demenzerkrankte unter 65 Jahre, auch ihre Zahl nimmt stetig zu: „Für diese Menschen fehlen passende Konzepte und Versorgungsangebote“, so Amann.