Leben mit Extremwetter

Australiens Antwort auf den Klimawandel

Extremhitze und Regenfluten: Der Kontinent steht an vorderster Front der Krise. Seine Antworten könnten auch für Europa wegweisend sein.

Hitzewelle in Sydney: Australien wird immer öfter von Extremwetter heimgesucht.

© imago//Nikki Short

Hitzewelle in Sydney: Australien wird immer öfter von Extremwetter heimgesucht.

Von Barbara Barkhausen

Die europäische Umweltagentur zeichnet ein düsteres Bild: Europas Natur leidet zunehmend unter Übernutzung, Artensterben und den Folgen des Klimawandels – mit gravierenden Risiken für Wohlstand, Sicherheit und Lebensqualität. Während Europa noch nach Lösungen ringt, zeigt ein Blick ans andere Ende der Welt, wie Anpassung funktionieren kann. Australien, an vorderster Front der Klimakrise, reagiert mit einer Reihe praktischer Maßnahmen, die auch für Europa wegweisend sein könnten.

Grüne Städte

Der Stadtklimaforscher Sebastian Pfautsch hat mit seinem Projekt Simpact ein intelligentes Bewässerungssystem entwickelt, das über Sensoren und Künstliche Intelligenz (KI) die optimale Versorgung von Parks und Bäumen steuert. „Wir setzen Pflanzen als grüne Klimaanlagen ein“, sagt der Deutsche. Sie wirken auf zwei Ebenen: Zum einen spenden sie Schatten und senken damit die gefühlte Temperatur für Mensch und Tier. Zum anderen kühlen sie durch Transpiration aktiv die Umgebungsluft. Wenn Wasser aus den Blättern verdunstet, entsteht Verdunstungskälte. Bei Simpact messen Sensoren Bodenfeuchtigkeit, Lufttemperatur und Niederschläge, erklärt Pfautsch. Ergänzt durch Wettervorhersagen berechne die KI, welche Baumarten an welchen Stellen wie viel Wasser benötigen. So erhielten Platanen mehr Wasser als trockenresistente Eukalypten und die kühlende Wirkung der Vegetation werde punktgenau maximiert.

Neue Technologien im Einsatz

Der Effekt geht weit über den Park hinaus: Die bis zu fünf Grad kühlere Luft wird durch den Wind in angrenzende Stadtviertel getragen und verbessert dort das Mikroklima. Anwohner können per App sogar sehen, wo sich im Park gerade die kühlsten Stellen befinden – ein Service, der an heißen Sommertagen zum Rettungsanker werden kann. Dass Pflanzen als Klimaanlage wirken, ist nicht neu. Neu ist jedoch, dass Pfautsch die Kühlung systematisch und mit Hilfe von KI verstärkt – und das bei einem bis zu 70 Prozent verringerten Wasserverbrauch. Auch städtische Infrastruktur kann Linderung für Hitzewellen bringen: Straßenbeläge halten länger, wenn Bäume sie beschatten. Kommunen in New South Wales haben Programme gestartet, mit denen Bürger Schattenbäume nominieren können. Initiativen wie der „Sydney Green Grid“ schaffen ein Netz grüner Flächen, das Städte belastbarer gegenüber Hitze und Starkregen macht.

Feuerresistente Gärten

Australien wird künftig intensivere Wald- und Buschbrände erleiden. Pflanzen können helfen: Gregory Moore, Baumforscher an der University of Melbourne, betont: „Es mag kontraintuitiv erscheinen, Bäume nahe am Haus zu pflanzen. Doch manche Arten helfen tatsächlich, die Ausbreitung von Feuer zu bremsen.“ Geeignet sind etwa Ahorn, Magnolien und australische Arten wie der Kurrajong. Sie haben weniger entflammbare Blätter und bleiben im Sommer grün. Dadurch bilden sie einen natürlichen Schutzschirm gegen Funkenflug. Moore rät, Gärten gezielt „feuersicher“ zu gestalten – als Teil eines umfassenden Klimaanpassungsplans.

Innovation in der Landwirtschaft

Rund 18 Prozent der australischen Treibhausgasemissionen stammen aus dem Agrarsektor, ein Großteil ist Methan aus Rinder- und Schafhaltung. Gleichzeitig ist der Kontinent anfällig für Dürren und Fluten, die die Versorgungssicherheit bedrohen. Gerade in diesem Bereich zeigen australische Farmer bemerkenswerte Innovationskraft. So hat die Reis-Industrie eine Methode etabliert, die die Felder später flutet. Das spart mehr als die Hälfte des Wassers und reduziert Emissionen um über 50 Prozent ohne Ertragsverlust. Australische Baumwollfarmer gelten als Weltspitze in Sachen Wassereffizienz: Sie benötigen nur ein Drittel des globalen Durchschnitts.

Kreative Lösungen

Eine andere Innovation kommt aus dem Meer: Vor Australiens Küsten wächst die Rotalge Asparagopsis. Wird sie dem Futter von Kühen beigemischt, sinken deren Methanemissionen laut Studien um bis zu 90 Prozent. Laut Adam Main vom Unternehmen CH4 Global, das das Algenfutter kommerzialisiert hat, reichten 50 Gramm pro Tag und Kuh. Damit ließe sich ein Beitrag zum Ziel der Nullemissionen bis 2050 leisten. Auch in der Kombination von Landwirtschaft und erneuerbarer Energie zeigt Australien Kreativität. Auf manchen Farmen sind Solarpaneele nicht nur auf Dächern installiert, sondern direkt über Weideflächen. Sie erzeugen Strom, spenden Tieren Schatten und verbessern die Grasqualität.

Grünflächen-Netze, Baumpflanzung, Management des Mikroklimas

Herausforderung Europa und Australien unterscheiden sich bei Klima und Vegetation, doch die Herausforderungen ähneln sich. Athen, Madrid oder Rom stehen in heißen Sommern regelmäßig unter extremem Druck: Asphaltflächen heizen sich stark auf, Parks sind oft unzureichend beschattet oder bewässert und Hitzeinseln verschärfen gesundheitliche Risiken. Konzepte wie das Bewässerungssystem „Simpact“ oder der „Sydney Green Grid“ zeigen, wie man Grünflächen, intelligente Baumpflanzung und Mikroklimamanagement einsetzt, um urbane Hitze zu mildern. Feuerresistente Bepflanzung und zusammenhängende Grünflächen könnten Städten helfen, die Auswirkungen von Dürren und Bränden zu verringern.

Austausch Andererseits kann sich Australien Europa beim Thema globaler Klimaschutz zum Vorbild nehmen. Das Land baut Kohle ab und exportiert sie. Bis 2050 hat man sich ein Netto-Null-Emissionsziel gesetzt.

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Erstellt:
7. Oktober 2025, 15:40 Uhr

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