Häusliche Gewalt
Besserer Schutz durch elektronische Fußfesseln?
Noch dieses Jahr will die Bundesregierung eine elektronische Fußfessel nach spanischem Modell einführen, um Frauen besser vor Gewalt zu schützen. Wie sinnvoll ist das?

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Die elektronische Fußfessel soll Opfer besser vor Gewalttaten schützen.
Von Sandra Belschner
In Bayern schlug ein Mann den Kopf einer Frau gegen die Bettkante, dann würgte er sie, bis sie tot war. In Baden-Württemberg soll ein Mann seine Partnerin erstochen und die Leiche in seinem Wohnhaus in eine Wand eingemauert haben. In Sachsen wurde ein Vater verurteilt, nachdem er die Mutter der gemeinsamen Kinder ermordet hatte. Die Aufzählung könnte noch lange weitergehen. Würde man sie für die Jahre 2023 und 2024 vollständig führen, stünde jeweils eine dreistellige Zahl an Opfern am Ende.
Insgesamt 180 715 Frauen wurden laut Bundeskriminalamt (BKA) 2023 hierzulande Opfer von Partnerschaftsgewalt. Für 247 Frauen endete diese Gewalt tödlich – in vielen Fällen wurde zuvor ein Kontaktverbot gegen die Täter verhängt. Die Tat passierte trotzdem. Dagegen wollen Union und SPD stärker vorgehen. Geplant ist ein Ansatz, den es bislang nur in einzelnen Bundesländern gibt: elektronische Fußfesseln für Täter. Man will sich dabei an Spanien orientieren, wo die Fußfessel schon lange im Gewaltschutz eingesetzt wird. Das Vorhaben steht auch im Koalitionsvertrag.
Entscheidend: der Abstand
Familiengerichte sollen künftig anordnen können, dass verurteilte Täter ein solches Überwachungsgerät tragen müssen. Im spanischen Modell werden keine festen Verbotszonen überwacht. Stattdessen geht es darum, den Abstand zwischen Täter und Opfer im Blick zu behalten. Verringert sich dieser, absichtlich oder unabsichtlich, löst das einen Alarm aus – sowohl bei der Polizei als auch beim potenziellen Opfer, das freiwillig einen GPS-Tracker tragen kann. Weder Opfer noch Gefährder werden ständig überwacht, das Instrument schlägt erst aus, wenn sich die beiden in einer entsprechenden Distanz zueinander aufhalten.
In Spanien ist die elektronische Aufenthaltsüberwachung seit 15 Jahren Teil des Gewaltschutzes. Insgesamt wurden so 13 000 Risikofälle überwacht. In keinem dieser Fälle ist es nach Angaben des spanischen Innenministeriums dazu gekommen, dass das Opfer getötet wurde.
Hilfe für Betroffene von häuslicher Gewalt
Das spricht für sich, findet Catharina Vogt. Sie ist promovierte Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Kriminologie und Interdisziplinäre Kriminalprävention an der Deutschen Hochschule der Polizei und leitet das EU-Projekt IMPROVE. Das Ziel: dafür zu sorgen, dass Betroffene von häuslicher Gewalt leichter Hilfe finden.
„Es gibt Täter, die sich nicht davon einschüchtern lassen, dass die Polizei eingegriffen hat, dass es Kontaktverbote für sie gibt. Sie suchen immer wieder die Nähe zu den Opfern und gehen oft sehr gewaltvoll dabei vor“, sagt Vogt, die sich im Rahmen eines weiteren Projekts mit Tötungsdelikten in Partnerschaften beschäftigt hat. Allein 2023 wurden laut dem Weißen Ring 6483 Verstöße gegen gerichtliche Kontaktverbote registriert.
Verschiedene Regeln
Bisher gib es in Deutschland keine einheitliche Regelung zur Nutzung der elektronischen Fußfessel bei häuslicher Gewalt. Sechs Bundesländer haben allerdings dazu Gesetze oder Pilotprojekte. Baden-Württemberg gehört nicht dazu. Der Verordnung einer Fußfessel muss in der Regel ein Kontaktverbot vorausgehen.
„Es gibt in Deutschland einen großen Flickenteppich, wenn man sich anschaut, wie häusliche Gewalt bearbeitet wird“, sagt Vogt. Zum einen sei das ein grundsätzliches Problem der fehlenden Gleichbehandlung. Der Wohnort dürfe nicht darüber entscheiden, wie viel und welcher Schutz Gewaltbetroffenen zukommt, sagt Vogt. Zum anderen sei es möglich, dass Täter Umzüge nutzen, um unter dem Radar zu bleiben.
Nur drei Monate?
Eine flächendeckende Einführung sei deswegen ein Schritt in die richtige Richtung, findet Vogt. Doch an manchen Stellen müsse nachgebessert werden. Eine Tragedauer der Fußfessel von drei Monaten, wie sie zur Zeit der Ampelregierung noch diskutiert worden war, sei definitiv zu kurz. Mindestens eineinhalb Jahre fordert die Psychologin.
Zudem berge die Fußfessel ein Stigmatisierungspotenzial, das das Problem verschärfen kann. Gefährder könnten sich gedemütigt fühlen und mit Wut reagieren. Deswegen dürfe das Instrument nur als zusätzliche Maßnahme eingesetzt werden. Mindestens genauso wichtig sei eine intensive Täterarbeit. Also beispielsweise Hilfsangebote, damit es gar nicht erst zu den Taten kommt.