Gutes Wohnen und Arbeiten
Beste Innenarchitektur Deutschlands gekürt – Stuttgarter Studios erfolgreich
25 beste Projekte vom Mini-Apartment bis zum Coworking-Space wurden von einer renommierten Jury ausgewählt. Welche Stuttgarter Innenarchitekten darunter sind, verraten wir hier.

© Magdalena Gruber
Erst Schwimmbad, jetzt Arbeitsraum für alle. Projekte auch von Stuttgarter Innenarchitektinnen finden sich im Bildband „Umbauwende“.
Von Tomo Pavlovic
Kirchen, die keiner mehr besucht, Schwimmbäder, die nicht mehr benützt werden oder deren Betrieb Städte nicht mehr finanzieren können, in die Jahre gekommene Wohnhäuser, die nicht nur energetisch aufgefrischt werden müssten. Man kann dies alles natürlich abreißen und etwas anderes bauen.
Ist die Substanz aber noch gut genug, lohnt aber das Sanieren, Weiterbauen, Umwidmen schon allein deshalb, weil wertvolle Graue Energie gerettet und weniger CO2 freigesetzt wird. Auch gestalterisch kann ein Umbau reizvoll sein. Das zeigen die 25 Projekte von Wohnhäusern bis zu Bürobauten, die eine Jury für den Bund deutscher Innenarchitektinnen und Innenarchitekten (bdia) ausgewählt hat.
Stuttgarter Büros sind unter den Preisträgern
Das Buch zur Auszeichnung trägt den Titel „Umbauwende“ – und genau darum geht es vor allem: um die Gestaltung des Vorhandenen. „Das zunehmende Bewusstsein, dass die Baubranche ein zentraler Bestandteil zur Erreichung der Klimaziele ist, steckt in dem Begriff“, schreibt Carsten Wiewiorra, Innenarchitekt und Präsident des bdia im Vorwort des Buches, das auch mit interessanten Aufsätzen zur Bauwende aufwartet.
Ansprechend gestaltet müssen die Projekte selbstredend sein, so werden sie so lange wie möglich genutzt, geschätzt. Ein langes Weiterleben ist etwa der umgewidmeten ehemaligen Kirche in Berlin (Innenarchitektin Britta Weisser) vorauszusagen, das Gotteshaus ist nun ein Coworking-Space.
Arbeiten im ehemaligen Schwimmbad
Deutlich verlängern dürfte sich die Lebenszeit eines 14-stöckigen Hochhauses in Aachen. Das von Innenarchitektin Johanna Rybak von Urselmann Interior aus Düsseldorf umgestaltete Gebäude, bei dem viel wiederverwendetes und weiterverwendbares Material zum Einsatz kam, bietet neben möblierten Wohnungen flexible Büros, im ehemaligen Schwimmbad befindet sich nun ein Gemeinschaftsraum samt Küche für alle, dass hier einmal geschwommen wurde, daran erinnern noch die alte Poolleiter und die neuen wellenförmigen Akustikelemente an der Decke.
Auch, dass zum Wohnglück nicht immer eine Villa nötig ist, zeigen die Arbeiten. Elisabeth Müller aus Berlin hat eben dort eine 33 Quadratmeter großes Wohnung in einem 70er Jahre Haus umgebaut, die Auftraggeberin hatte sich bewusst für weniger Wohnraum entschieden und zog aus einer 87 Quadratmeterwohnung in das Einzimmerapartment. Passgenaue Einbaumöbel, die den Raum trennen, eine kompakte Küche haben dennoch Platz gefunden – und ein Foto von Willy Brandt an der Wand macht sich oberhalb eines Sideboards sehr gut.
Büro in Stuttgart, Restaurant in Sindelfingen
Geglückte Umbauarbeiten sind in der Region Stuttgart zu begutachten. Etwa das von Natalie Ziesemer und Annika Buttning neu gestaltete Restaurant Wolfgangs in Sindelfingen, das mit hellen Grüntönen und mit floraler Wandgestaltung und feinen Holzeinbauten überzeugt.
Innenarchitekt Ingo Haerlin von Design in Architektur hat in Schriesheim bei Heidelberg eine ehemalige Kerzenfabrik saniert und in ein glamouröses Restaurant namens Raro verwandelt. Der hohe offene Raum hat noch eine weite Ebene auf einer Galerie erhalten; Holzboden, Vorhänge, Hell-dunkel-Kontraste lassen das Gasthaus bei aller Größe fast schon behaglich wirken.
Wer Bücher mindestens so gern liest wie Speisekarten, wird in Waldshut-Tiengen im Süden des Landes glücklich, wenngleich erst einmal der Blick länger auf den Details des umgestalteten ehemaligen Kornhauses aus dem Jahr 1862 verweilt. In starken Farben und multifunktionalen Möbeln ist die Stadtbibliothek von Innenarchitekt Martin Klein-Wiele vom Büro UKW Innenarchitekten (Krefeld) in einen Ort zum Lesen und Spielen verwandelt worden.
Räume von Stuttgarter Innenarchitektinnen
Stuttgarter Gestaltungsbüros sind unter den Preisträgern ebenso vertreten. Innenarchitektin Anja Pangerl vom Stuttgarter Büro Blocher Partners hat einen hell glänzenden Showroom für Fahrräder in München gestaltet. Die würden sich auch gut im Büro von Vector Informatik in Stuttgart mit seinen monochrom gestalteten Industriearbeitsplätzen machen, die Innenarchitektin Isabell Ehring entworfen hat.
Architekt Frank Dittel von Dittel Architekten und Innenarchitektin Charlotte Greifenstein wiederum haben eine ehemalige Brauerei in ein kulturelles Zentrum umgebaut, die alten Mauern freigelegt und mit zeitgemäßen Einbauten kombiniert. Eine Reise in die Burgenstadt Schlitz in Hessen lohnt schon für die Besichtigung dieses eindrucksvollen Umnutzungsprojekts.
Bilder von den Umbauten aus Stuttgart – und anderswo – finden sich in der Bildergalerie.
Info
Buchbdia Handbuch Innenarchitektur UmBauwende. Herausgegeben vom Bund deutscher Innenarchitektinnen und Innenarchitekten (bdia)/Carsten Wiewiorra. Callwey-Verlag, 208 Seiten, 39,95 Euro

© Magdalena Gruber
Umgebauter Pool – dient nun als Coworking-Space – POHA in Aachen –, gestaltet von Johanna Rybak.

© Martin Müller
Büro molecule Berlin – einst war es eine Kirche. Umgestaltung: Britta Weisser aus Berlin.

© Martin Müller
Die ehemalige Nutzung ist dem denkmalgeschützten Gebäude vom 1967, das der Architekt Werner Düttmann entworfen hatte, immer noch anzusehen.

© Kfir Harbi, achso! digital creative agency Berlin
Innenarchitektin Elisabeth Müller hat ein 33 Quadratmeter kleines Apartment in Berlin umgestaltet und . . .

© Kfir Harbi, achso! digital creative agency Berlin
. . . Einbauten zonieren die Einzimmerwohnung.

© Gordon Kölmel
Innenarchitektin Charlotte Greifenstein und Architekt Frank Dittel von Dittel Architekten aus Stuttgart haben eine ehemalige Brauerei in Schlitz in ein kulturelles Zentrum umgebaut.

© Marcus Wend
Neugestaltung des Restaurants Wolfgangs in Sindelfingen nahe Stuttgart von Natalie Ziesemer und Annika Butting.

© Lars Gruber
Ehemalige Fabrik wird Restaurant Raro in Schriesheim im Rhein-Neckar-Kreis nördlich von Heidelberg. Gestaltung von Design in Architektur, Ingo Haerlin.

© Jens Kirchner
Umgestaltete Bibliothek in Waldshut-Tiengen im Süden Baden-Württembergs, für die farbenfrohe Gestaltung verantwortlich zeichnet Innenarchitekt Martin Klein-Wiele von UKW Innenarchitekten aus Krefeld.

© Philip Kottlortz
Monochromer Reiz: Isabell Ehring, freie Innenarchitektin aus Stuttgart, entwickelte für Vector Informatik in Stuttgart ein neues Konzept für Arbeitsplätze.

© Joachim Grothus
Innenarchitektin Anja Pangerl von Blocher Partners aus Stuttgart stellt Räder aufs Podest in dem hell einladenden Showroom von Rose Bikes in München.

© Callwey Verlag
Alle hier gezeigten Bilder der Projekte sind auch in dem lesenswerten Buch „bdia Handbuch Innenarchitektur – UmBauwende“ (herausgegeben vom Bund deutscher Innenarchitektinnen und Innenarchitekten bdia/Carsten Wiewiorra. 208 Seiten. 39,95 Euro) zu sehen.