Freizeit im Südwesten
Bitter für Wanderer – Albverein muss Hütten verkaufen
Schmerzliche Premiere für einen Traditionsverein: Wegen sinkender Mitgliederzahlen und hoher Kosten sollen Gebäude veräußert werden – für Ausflügler ist das ein großer Verlust.

© Imago/Horst Rudel
Das Wanderheim auf der Burg Teck ist ein sehr beliebtes Ausflugsziel und erst kürzlich saniert worden. Es dürfte kaum auf der Streichliste stehen.
Von Thomas Faltin
Was gibt es Schöneres, als nach einer schweißtreibenden Wanderung auf ein Apfelschorle beim Schwäbischen Albverein einzukehren. Fast immer liegen die Heime an herrlichen Orten, etwa auf dem Gipfel des Sternbergs oder im Tal der Großen Lauter in der Burgruine Derneck. Und wer will, kann dort sogar übernachten und am Morgen etwa vom Roßbergturm den Sonnenaufgang bestaunen, bei klarer Sicht sogar mit Alpenblick.
Doch diese wunderbaren Orte sind in Gefahr. In der letzten Ausgabe der Mitgliederzeitschrift konnte man eine kleine Notiz lesen, dass gerade alle 21 Wanderheime zwischen Stromberg und Oberschwaben nach einem standardisierten Verfahren bewertet worden sind mit dem Ziel, „das eine oder andere abzugeben“. Geprüft wurden etwa die Lage und Erreichbarkeit, der energetische Zustand, die Übernachtungszahlen oder auch die ideelle Bedeutung für den Verein.
Hohe Unterhaltungskosten sind das Hauptproblem
Albvereins-Präsident Hans-Ulrich Rauchfuß bestätigt auf Anfrage, dass man zum ersten Mal in der 137 Jahre langen Geschichte des Vereins Heime verkaufen müsse. Das sei auch für ihn bedrückend. Wie viele und welche es sein werden, kann er noch nicht verraten. Man habe jetzt eine Liste und gehe nun in Regionalkonferenzen mit den Mitgliedern. Rauchfuß weiß schon jetzt: „Es wird nicht einfach werden, die Menschen zu überzeugen.“ Alle hängen an den Hütten.
Der Hauptgrund sind die galoppierenden Unterhaltungskosten. Alles sei sehr teuer geworden, es gebe immer neue Auflagen. Allein eine neue Trinkwasserleitung für die Burg Teck vor einiger Zeit habe etwa mit 650 000 Euro zu Buche geschlagen, so Rauchfuß.
Viele Häuser seien auch schon hundert Jahre alt und in die Jahre gekommen. Früher murrte niemand, wenn man mit 20 anderen Wanderern in Matratzenlagern schlief, heute werden Zweibettzimmer mit Dusche erwartet (und etwa auf der Burg Teck auch geliefert). Aber für viele Heime sei die Sanierung finanziell nicht zu stemmen, so der Präsident, trotz der Zuschüsse von bis zu 50 Prozent aus Toto-Lotto-Mitteln.
Dahinter steht eine andere gravierende Entwicklung, der Rückgang der Mitgliederzahlen von 110 000 in den 1990er-Jahren auf heute rund 83 000. Es kommen nicht nur weniger Beiträge herein, vor allem sind immer weniger Menschen bereit, ehrenamtlich die Hütten zu bewirtschaften. Manche Heime sind zwar an Gastronomen verpachtet, wie die Burg Teck, das Roßberghaus oder das Nägelehaus bei Albstadt, aber viele werden weiter von Betreuungsvereinen betrieben. Auch in den Ortsgruppen ist die Personalnot groß – viele sind überaltert, oft will sich niemand mehr in den Vorstand wählen lassen. Hans-Ulrich Rauchfuß: „Kein einziges unserer Heime ist für den Verein profitabel.“
Ein Haus steht trotz der noch geltenden Schweigepflicht bereits zum Verkauf: das Wanderheim Rauer Stein bei Irndorf oberhalb des Donautals. Der Pächter war vor zwei Jahren über Nacht verschwunden und ist bis heute untergetaucht. Er habe 30 000 Euro Schulden hinterlassen, sagt Hans-Ulrich Rauchfuß. Die Gemeinde war sehr interessiert, die Hütte über einen Förderverein weiterzubetreiben, aber das hat sich zerschlagen. „Wenn sich ein Käufer findet, würden wir das Heim veräußern“, so Rauchfuß.
Kostenprobleme gibt es ebenso bei den 28 Aussichtstürmen des Schwäbischen Albvereins, jede Sanierung belaufe sich auf mehr als 100 000 Euro, sagt der Präsident. Künftig werde man einen Turm deshalb nur noch sanieren, wenn sich die Region beteilige, also etwa die Kommunen oder Sponsoren wie Banken oder Stiftungen. „Ansonsten muss der Turm dauerhaft geschlossen werden“, kündigt Rauchfuß an. Im Moment seien die meisten Türme aber in einem guten Zustand.
Auch den anderen großen Wandervereinen, wie den Sektionen des Deutschen Alpenvereins oder dem Schwarzwaldverein, sind diese Probleme nicht fremd. Die Naturfreunde, die in Baden-Württemberg 120 Hütten betreiben und rund 20 000 Mitglieder haben, stünden ebenfalls vor der Herausforderung, dass Ortsgruppen ihre Häuser nicht mehr halten können und Alternativen gesucht würden, sagt Gabi Rolland, die für die SPD im Landtag sitzt, die Ortsgruppe der Naturfreunde in Freiburg leitet und vor einem halben Jahr im Bundesvorstand die Aufgabe übernommen hat, das Häuserwerk des Vereins in die Zukunft zu führen.
Tatsächlich haben die Naturfreunde schon Heime veräußert, erst letztes Jahr das Naturfreundehaus Holderbronn bei Forbach im Schwarzwald. Man habe aber einen Eigentümer gefunden, so Rolland, der das Haus im Sinne der Naturfreunde weiterführe. Zudem konnte das Geld für die Sanierung des Hauses auf dem Feldberg genutzt werden.
Nachfrage nach günstigen Unterkünften ist vorhanden
Grundsätzlich drückt die Naturfreunde das gleiche Problem wie den Albverein: die hohen Kosten. Bei „ihrem“ Heim der Naturfreunde Freiburg habe allein der Brandschutz 300 000 Euro gekostet, so Gabi Rolland: „Das ist schwer zu stemmen, trotz Förderung.“
Dabei müssten die Heime unbedingt erhalten werden, weil die Nachfrage nach günstigen Unterkünften nach wie vor bestehe, gerade von Schulen oder Familien. Aber es brauche mehr Förderung – so müsste man etwa die Aufwandspauschalen für ehrenamtliche Tätigkeiten erhöhen. Dann fänden sich, glaubt Gabi Rolland, vielleicht noch eher Leute, die am Wochenende in den Naturfreundehäusern süßen Sprudel und Saitenwürstle verkaufen.
Der Albverein in Zahlen
MitgliederDerzeit gibt es im Gebiet des Albvereins, das ungefähr dem ehemaligen Württemberg entspricht, noch rund 450 Ortsgruppen. Immer mehr fusionieren aber oder lösen sich auf. Die Zahl der Mitglieder ist in den letzten 30 Jahren um ein Viertel gefallen. Der Mitgliedsbeitrag für eine Familie beträgt jährlich 52 Euro, für eine Einzelperson 38 Euro. Inklusive ist etwa eine kostenlose Übernachtung in einem Wanderheim.
WanderwegeDer Verein betreibt und betreut 21 Hütten, 28 Türme und 19.000 Kilometer an Wanderwegen. Es fehlt allerdings mittlerweile auch an Wegewarten. Durch das Aufkommen von Premiumwegen übernehmen manchmal Kommunen oder Tourismusverbände die Pflege. fal