Grünen-Parteichefin
Brantner: „So verteuert Katherina Reiche die Energiewende“
Nächste Woche kommen die Grünen zum Parteitag zusammen – in schwieriger Lage. Ein Gespräch mit Parteichefin Franziska Brantner über Klimapolitik, das Verbrenner-Aus und Cem Özdemir.
© Lichtgut/Julian Rettig
„Die Klimakrise ist eine der relevantesten Krisen unserer Zeit“, sagt Grünen-Parteichefin Franziska Brantner.
Von Rebekka Wiese
Dieses Mal treffen sich die Grünen zu ihrem Bundesparteitag in Hannover. Es ist ihr erster seit der Bundestagswahl, bei der sie aus der Regierung geflogen sind. Und jetzt? Parteichefin Franziska Brantner erklärt, was die Grünen nun in der Klimapolitik anders machen wollen – und wie sie auf den Kurs von Cem Özdemir in Baden-Württemberg blickt.
Frau Brantner, auf Ihrem Parteitag soll die Klimapolitik im Mittelpunkt stehen. Ist das angesichts der Wirtschaftskrise das richtige Thema?
Die Klimakrise ist eine der relevantesten Krisen unserer Zeit und sie zieht sich durch alle anderen Bereiche, von Wirtschaft über Sicherheit bis hin zu Gerechtigkeitsfragen. Wir kämpfen weiter für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und arbeiten daran, dafür wieder klare Mehrheiten zu gewinnen.
Und wie soll das gehen?
Erstens muss Klimaschutz nicht nur bezahlbar sein, sondern im besten Fall Geld sparen. Zweitens wollen wir Klimaschutz mit Innovation verbinden. Grüne Technologien boomen gerade weltweit. Und drittens geht es bei Klimapolitik um unsere Sicherheit. Wir waren viel zu lange vom russischen Gas abhängig.
Bevor es günstiger wird, ist die Energiewende aber noch teuer. Streiten Sie das ab?
Die Energiewende kann – und muss – billiger werden. Die Erneuerbaren an sich sind unschlagbar günstig, aber der lange verschleppte Netzausbau kostet. Damit die Energiewende kosteneffizient, digital und unbürokratisch gelingt, wollen wir etwa beim Ausbau von Smart Meter schneller vorankommen, also intelligente Stromzähler. Leider will Katherina Reiche den Wettbewerb beim Smart Meter Einbau einschränken. So verteuert sie die Energiewende. Außerdem wollen wir, dass alle von den günstigen Erneuerbaren profitieren, etwa die Kommune, die mit den Windkrafteinnahmen ihr Schwimmbad finanziert.
Wären Sie eigentlich offen für ein späteres Verbrenner-Aus als 2035?
Die Industrie braucht klare Leitplanken und Ziele, um von den alten zu den neuen Technologien zu kommen. Entscheidend ist, dass der Übergang gelingt und damit die Investitionen unserer Unternehmen erfolgreich sind. Da versagt die Bundesregierung kläglich. Sie hat die Stromsteuersenkung für alle oder eine E-Auto-Förderung versprochen. Doch statt das einzulösen, torpediert die Bundesregierung mit ihrem Zickzack-Kurs jegliche Planungssicherheit.
Braucht es ein politisch gesetztes Enddatum für den Verbrenner?
Ich habe ja gesagt: Die Industrie braucht Ziele. Auch mit festen Jahreszahlen.
Cem Özdemir, Ihr Kandidat in Baden-Württemberg, hat sich anders positioniert. Hat er nur eine Chance, wenn er sich von seiner Partei abgrenzt?
Die Grünen sind eine Partei mit einem klaren Wertefundament, das Cem eindeutig teilt: ökologisch, gerecht, europäisch und im Zweifel immer für die Freiheit. Wir alle wissen, vor welchen Herausforderungen Baden-Württemberg steht. Der fossile Verbrenner gehört der Vergangenheit an. Es geht um viele gut bezahlte Jobs – die jetzt aber woanders entstehen, zum Beispiel in der Gesundheitswirtschaft oder im Green Tech. Cem spricht Klartext, das schätzen die Menschen. Und er hat die nötige Regierungserfahrung. Wir sehen am Bundeskanzler, was fehlt, wenn man sich ohne diese Erfahrung auf ein Regierungsamt bewirbt.
Özdemir spricht ja nicht nur anders, er hat andere Positionen als die Partei. Die Grünen-Landesverbände ticken sehr unterschiedlich. Wie schwer ist es, sie auf Linie zu halten?
Die Länder sind unterschiedlich, deshalb braucht es dort unterschiedliche Antworten – dafür gibt es auch gegenseitiges Verständnis.
Lassen Sie uns noch über Schwarz-Rot sprechen. Wie blicken Sie aktuell auf die Regierung?
Was gerade passiert, ist unverantwortlich– vor allem für junge Menschen. Jeder zweite Euro aus dem Sondervermögen geht nicht in Infrastruktur, sondern wird verplempert. Das ist unglaublich. Bei der Rente kommen jetzt milliardenschwere Belastungen – zum Teil gerechtfertigt, zum Teil nicht – aber die Entlastungen für die jungen Menschen sollen erst in Kommissionen erarbeitet werden. Bei der Wehrpflicht geht es nur über die Jungen, aber nie mit ihnen.
Wenn das stimmt, warum profitieren die Grünen nicht davon?
Bürger haben keine Lust auf Streit, sondern auf Lösungen. Die Ampel ist am Ende halt auch am Streit gescheitert. Wir haben in der Ampelzeit und durch die Kampagnen gegen die Grünen Kratzer abbekommen, das ist so. Das geht auch nicht von heute auf morgen weg. Wir arbeiten daran, unsere Partei zu erneuern. Und kämpfen gleichzeitig damit, dass wir als Partei von Algorithmen im Internet benachteiligt werden. Solche Verzerrungen schaden – übrigens nicht nur uns, sondern der Demokratie insgesamt.
Zur Person
PolitikwissenschaftlerinFranziska Brantner, Jahrgang 1979, ist Bundesvorsitzende der Grünen, sie führt die Partei seit vergangenem Herbst zusammen mit Felix Banaszak. Brantner stammt aus Lörrach und studierte Politikwissenschaften in Paris und New York, sie wurde an der Universität Mannheim promoviert.
PolitikerinVon 2009 bis 2013 saß sie für die Grünen im Europaparlament. Danach zog sie als Abgeordnete in den Bundestag ein, ihr Wahlkreis liegt in Heidelberg. Zur Zeit der Ampelregierung war sie außerdem Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
