Campino debattiert mit Thomas Strobl
Wenn es am 26. und 27. Juni beim Dokumentarfilm-Branchentreff Dokville in Stuttgart um das Thema „Rechtsruck“ geht, ist auch Die-Toten- Hosen-Frontmann Campino dabei.

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. . . mit Toten Hosen-Star Campino.
Von Nikolai B. Forstbauer
Stuttgart - Längst ist das Haus des Dokumentarfilms – Europäisches Medienforum Stuttgart mit seinem jährlichen Branchentreff Dokville fest in Kalendern nationaler und internationaler Filmschaffender verankert. Dieses Jahr dürfte auch das Interesse in Stuttgart selbst groß sein. „Rechtsruck Deutschland – Dokumentarische Positionen“ lautet am 26. und 27. Juni das Schwerpunktthema, für Prominenz wie für Brisanz bei den Veranstaltungen im Hospitalhof Stuttgart (Büchsenstrasse 33) ist gesorgt. Impulsvorträge halten etwa der Publizist Michel Friedman, der stellvertretende Ministerpräsident von Baden-Württemberg Thomas Strobl, der Grünen-Politiker Cem Özdemir, der thüringische Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer, der ehemalige Verfassungsrichter und Ministerpräsident des Saarlandes Peter Müller sowie – um Auftakt am 26. Juni um 10 Uhr – SWR-Intendant Kai Gniffke.
„Punk trifft Politik“
Ein besonderer Gast krönt den Dokville-Reigen: Die Toten Hosen-Frontmann Campino kommt am Freitag, 27. Juni, zum „Punk trifft Politik“-Gespräch mit Baden-Württembergs Innenminister und stellvertretendem Ministerpräsidenten Thomas Strobl (CDU) und bleibt im Anschluss zu einer Debatte über Martin Groß’ Film „Jamel – Lauter Widerstand“ über die Macher eines Festivals, mit dem sich Bewohnerinnen und Bewohner gegen die Vereinnahmung des Dorfes Jamel in Mecklenburg-Vorpommern durch Neonazis wehren.
Die Toten Hosen zeigen Flagge
Schon 1993 hatten sich Die Toten Hosen – 2015 von der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf mit der Josef-Neuberger-Medaille für ihren Einsatz gegen Ausgrenzung und Rassismus geehrt – mit dem Song „Willkommen in Deutschland“ gegen Rechtsradikalismus positioniert, und im Oktober 2015 sprach Campino von der „Dringlichkeit, dass man gegen Rechtsextremismus Flagge zeigen muss“. Mehr noch: „Man muss knallhart dagegenhalten“, war und ist Campino überzeugt. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl formulierte bereits 2020: „Unser Leben in Freiheit ist zunehmenden Belastungen und Gefahren ausgesetzt. Größte Bedrohung ist der Rechtsextremismus.“ Um 10 Uhr eröffnet Strobl am 27. Juni den zweiten Dokville-Tag mit seinen Positionsbestimmungen.
Auch Cem Özdemir, Landwirtschaftsminister im Kabinett von SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz, engagiert sich seit Jahrzehnten gegen Rechts. Am Donnerstag, 26. Juni, wird der Spitzenkandidat der Grünen bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg am 8. März 2026, um 10.15 Uhr im Hospitalhof den ersten Vortragsimpuls setzen – und im Anschluss unter anderem mit dem Investigativjournalisten David Gebhard und „Spiegel“-Politikredakteurin Ann-Katrin Müller über die weiten Verflechtungen des Rechtsextremismus und die Folgen eines möglichen Rechtsrucks debattieren. Nicht weniger spannend: Der Auftritt von Publizist Michel Friedmann: Von 11.45 Uhr dreht sich am 26. Juni die Dokville-Debatte um Friedmanns neues Buch „Alarmiert, nicht resigniert!“.
Was macht autoritäre Herrschaft attraktiv?
„Wie können sich der aufgeklärte, dem demokratischen Diskurs verpflichtete Journalismus und die Dokumentarfilmbranche unter den aktuellen Bedingungen positionieren, um den zivilgesellschaftlichen Dialog zu fördern?“ Das ist für Dokville-Organisator Eric Fiedler, Geschäftsführer und Programmleiter des Hauses des Dokumentarfilms, eine zentrale Frage. Auch, um dies zu klären: „Was macht für viele Menschen die Rückkehr zu autoritären und antidemokratischen Herrschaftsformen so attraktiv?“ Vielleicht auch eine Unkenntnis, die von staatlichen Stellen wissentlich wie unwissentlich befördert wird? Dieser Frage gehen die beiden Filme „Die Möllner Briefe“ (von Martina Priessner) über zurückgehaltene Briefe der Anteilnahme der Möllner Bevölkerung nach dem mörderischen Brandanschlag vom 23. November 1992 sowie Marcin Wierzchowskis „Das deutsche Volk“ über die Ermordung von neun jungen Menschen aus rassistischen Motiven am 19. Februar 2020 in Hanau nach. Am 27. Juni um 15.30 Uhr sind beide Filme Thema einer Debatte, die Adrienne Braun, Autorin unserer Zeitung, moderiert. Ein hartes Dokville-Finale. Und wer die tiefen Wunden verstehen will, kann „Die Möllner Briefe“ zuvor im Kino sehen – an diesem Mittwoch, 25. Juni, um 18 Uhr im Delphi Arthaus Kino (Tübinger Straße 6).