Anno 117: Pax Romana im Test

Das alte Anno-Gefühl in neuem Römer-Setting

Erstmals wagt sich die beliebte Aufbaustrategiereihe Anno ins alte Rom. Ob die bewährte Formel auch in der Spätantike funktioniert?

Im neuen Anno-Teil kommt echtes Römer-Feeling auf.

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Im neuen Anno-Teil kommt echtes Römer-Feeling auf.

Von Sascha Maier

Mit „Anno 117: Pax Romana“ ist der neueste Teil der beliebten Strategiespielreihe aus der deutschen Spieleschmiede Ubisoft Blue Byte erschienen und entführt digitale Städtebauer erstmals ins alte Rom. Damit begibt sich die Serie zwar in eine neue Epoche. An der bewährten Spielformel, die 1998 mit „Anno 1602“ eingeführt wurde und aus dem cleveren Platzieren von Gebäuden für effektive Lieferketten besteht, haben die Entwickler aber wenig geändert – wenn auch einige Neuerungen dafür sorgen, dass sich „Anno 117: Pax Romana“ auch abseits des Settings selbst für Serienveteranen nicht wie ein reiner Neuaufguss anfühlt.

Die Grafik: eine Augenweide

Was beim Starten eines neuen Spiels sofort ins Auge fällt: „Anno 117: Pax Romana“ sieht richtig gut aus, zumindest auf der Playstation 5, auf der wir reingespielt haben. Bereits unsere Startinsel strotzt nur so vor Details: Im umliegenden Gewässer entdecken wir Delfine und Wale, lauschige Lichtungen sind von Waldtieren belebt und sobald die ersten Häuschen errichtet sind, wuselt es auch schon auf den Straßen. Und spätestens wenn wir damit beginnen, Aquädukte zu platzieren, wirken unsere Städtchen auch wie echte Römersiedlungen. Optisch ist die Spätantike wahnsinnig gut eingefangen und auch nachdem die Städte wuchsen, lief das Spiel in der Testversion auf der Konsole flüssig.

Die Kampagne: eine Enttäuschung

Der Kampagne gelang es jedoch nicht ganz so gut, das Gefühl der Epoche so richtig einzufangen. Überhaupt ist der Begriff „Kampagne“ etwas irreführend – genauer genommen handelt es sich hierbei um ein Tutorial, das vor allem Anfänger in die komplexen Mechaniken des Aufbauspiels einführt. Wahlweise als männlicher oder weiblicher Prätor erleben wir hier eine Geschichte, die zwar mit vielversprechenden Senatsintrigen startet, aber gemessen an den vielen gelungenen Büchern, Filmen und anderen Videospielen, die sich mit der Blütezeit des römischen Kaiserreichs auseinandersetzten, ist sie weder besonders originell noch episch. Auch historisch nimmt man es hier an einigen Stellen nicht so genau, aber das war in anderen Anno-Teilen nicht anders.

Wir empfehlen übrigens, in der Kampagne die weibliche Figur, Marcia, zu wählen, die nicht nur mit der spannenderen Hintergrundgeschichte daherkommt, sondern auch deutlich tougher porträtiert wird als der zumindest in der sonst ordentlichen deutschen Vertonung etwas döspaddelig wirkende Marcus. Nach Abschluss der an Umfang überschaubaren Kampagne können wir übrigens im freien Modus weiterspielen, der auch ohne das Kampagnen-Vorgeplänkel das eigentliche Highlight von „Anno 117“ darstellt.

Das Endlosspiel: extrem vielversprechend

Wer sofort das Endlosspiel zum Spielstart auswählt, bekommt einige sinnvolle Optionen an die Hand, die Partie auf eigene Vorlieben zuzuschneiden. So kann man hier direkt zwischen den beiden Startprovinzen – dem Mittelmeergebiet Latium oder dem keltisch angehauchten, verregneten Albion, aber dazu später mehr – wählen, und Schwierigkeit, Rivalen und andere Details nach eigenem Geschmack einstellen. Mit nachgelieferten DLCs, also Bezahlinhalten, sollen weitere Gebiete wie Ägypten dazukommen und die Motivation für das Spiel nachhaltig gewährleisten. Zumindest beim unmittelbaren Vorgänger „Anno 1800“ sorgten unzählige Erweiterungen dafür, dass aus dem Aufbaustrategiespiel ein wahres Komplexitätsmonster wurde, dem Fans noch viele Jahre nach Release die Treue hielten.

Doch zurück zu unserer Startprovinz: Von unserem Kontor, einer Art Hafen, aus errichten Spielende ihr Inselreich, das beide Provinzen umfassen kann, zwischen denen sich nach Belieben hin- und herwechseln lässt. Zufallsbegegnungen, Piratennester und der römische Kaiser, der für den Spieler als Statthalter immer wieder Aufgaben bereithält, lockern den Spielfluss während der Stadtplanung angenehm auf und tragen zur Atmosphäre bei.

Das Gameplay: diagonale Straßen!

Was die Stadtplanung angeht, bringt ein vielleicht unscheinbar wirkender Kniff eine starke Neuerung ins Spiel, die sich von Anfang bis Schluss großartig anfühlt: diagonale Straßen. Die Möglichkeit, Gebäude und Wege nun nicht mehr nur in zwei, sondern in vier Ausrichtungen zu platzieren, lässt die Städte deutlich organischer wirken als noch in vorangegangenen Titeln. Und gerade im zerklüfteten Albion, wo häufig durch natürliche Barrieren Platzmangel herrscht, fühlen sich die neuen Platzierungsmöglichkeiten besonders befriedigend an, wenn man etwa zwischen zwei Felsformationen gerade noch eine Feuerwache reinquetschen kann.

Die Spielwelt: abwechslungsreich und durchdacht

Überhaupt unterscheiden sich beide Provinzen nicht nur optisch, sondern auch spielerisch voneinander. Die keltischen Inselbewohner haben etwa andere Bedürfnisse als die römischen und es obliegt dem Spieler, inwieweit er ihnen römische Lebensart näherbringen will, was wiederum Auswirkungen auf den Ruf beim Imperator hat. Dies führt auch zu unterschiedlichen Fortschrittspfaden, die Varianz bei neuen Durchgängen versprechen.

Die größte Neuerung: Krieg zu Lande

Die größte Neuerung von „Anno 117: Pax Romana“ ist aber wahrscheinlich die Kriegführung. In vorherigen Ablegern fast nur auf Seeschlachten beschränkt und sicher kein Fokus der Reihe, gehört das Ausheben von Legionen jetzt zum kompletten Spielerlebnis dazu, auch wenn sich Konflikte stets diplomatisch lösen lassen. Krieg im neuen Anno ist vor allem teuer, eine Armee, die aus mehr als ein paar dutzend Soldaten besteht, können sich nur florierende Wirtschaftsmächte leisten. Die Echtzeit-Scharmützel verlangen taktisches Geschick – riesige Schlachten mit Heeren in historisch korrekter Größenordnung sollten aber nicht erwartet werden.

Fazit: Aufbaustrategie vom Feinsten

Insgesamt hinterlässt „Anno 117: Pax Romana“ einen starken Eindruck, auch 2025 scheint das alte Anno-Gefühl keine Epochengrenzen zu kennen, um zu motivieren. Schade ist die etwas verschenkte Kampagne, denn in dieser aufregenden Zeit der europäischen Geschichte hätte es durchaus spannendere Stories zu erzählen gegeben. Und ein Fragezeichen schwebt noch über der Langzeitmotivation und dem Endgame – was stark davon abhängen dürfte, wie gut sich die geplanten Erweiterungen ins Grundspiel integrieren.

„Anno 117: Pax Romana“ erscheint am 13. November auf Playstation 5, XBox und PC und kostet 59,99 in der Standard Edition und 89,99 Euro in der Gold Edition.

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Erstellt:
12. November 2025, 13:44 Uhr

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