Boris Palmer bei Markus Lanz

„Kann nicht sein“ – Palmer rüffelt OB-Kollegin beim Thema Ausländerkriminalität

Im ZDF-Talk sieht der Tübinger OB Boris Palmer die Ausländerkriminalität als drängendes Problem – und widerspricht bei diesem Thema seiner Amtskollegin Jutta Steinruck aus Ludwigshafen.

Tübingens Oberbürgermeister war am Mittwoch in der ZDF-Talkshow Markus Lanz zu Gast.

© ZDF/Markus Hertrich

Tübingens Oberbürgermeister war am Mittwoch in der ZDF-Talkshow Markus Lanz zu Gast.

Von Christoph Link

Als einer der wenigen Politiker hatte Boris Palmer – damals noch bei den Grünen – 2015 der Bundeskanzlerin Angela Merkel widersprochen, die die massenhaften Grenzübertritte mit dem berühmten Satz „Wir schaffen das“ kommentiert hatte.

Nein, wir schaffen es nicht, ließ Palmer sieben Wochen später verkünden, es gehe nicht an, jeden Tag zehntausend Menschen ins Land zu lassen. dieses Tempo überfordere alle und auch heute hält er es noch für richtig, damals den Kontrollverlust des Staates – der sein Staatsvolk nicht definiert und seine Grenzen nicht kontrolliert – als Fehler zu beschreiben.

Das war die kleine Vorgeschichte und Begründung für Moderator Markus Lanz, den heute parteilosen Bürgermeister der Stadt Tübingen nochmals ins Studio einzuladen mit drei anderen Kommunalpolitikern, um ihn in seiner ZDF-Talkshow nach seiner Bilanz zu 2015 zu fragen. Zudem ging es um den Bürokratie-Wahnsinn, mit dem die Kommunen in Deutschland zu kämpfen haben.

Boris Palmer: „Da zieht die AfD ihren Honig raus“

Die Bilanz sei „kritisch“, meinte Palmer. Von den vor zehn Jahren Gekommenen seien die meisten immer noch in geförderten Wohnungen, 1500 habe Tübingen vergeben, weil sie nicht arbeiteten oder zu geringe Einkünfte hätten. Schwerwiegender aber seien das Kriminalitätsproblem und das Absinken des Bildungsniveaus.

Er müsse da zwei Wahrheiten ansprechen, meinte Palmer und wiederholte in Grundzügen, was er auch schon vor kurzem in der öffentlichen Debatte mit dem AfD-Politiker Markus Frohnmaier gesagt hatte: Deutschland sei sicherer geworden, es gebe ein Viertel weniger Tötungsdelikte als im Jahr 2000.

Es gebe aber auch die unbequeme Wahrheit, dass laut polizeilicher Kriminalitätsstatistik die Kriminalität bei Irakern, Afghanen und Syrern zehnmal höher sei als ihrem Bevölkerungsanteil statistisch angemessen sei. Es sei moralisch völlig inakzeptabel, hier Schutz zu suchen und dann kriminell zu werden. „Da zieht die AfD ihren Honig draus.“

Das sagt Boris Palmer zum Thema Bürgergeld

Allgemein zur Sozialpolitik meinte Moderator Lanz, dass es Bürgergeldempfänger gebe, die arbeiten könnten und es nicht tun, während „ihr Nachbar morgens zur Arbeit“ fährt. Palmer darauf: „Das regt die Leute auf – und das sind keine Nazis oder Rassisten.“ Von ihm aus müsse es gestattet sein, dass ein Flüchtling hier „vom ersten Tag an“ arbeite. Aber Deutschland sei bei der Vermittlung von geflüchteten Ukrainern auf den Arbeitsmarkt im europäischen Vergleich am schlechtesten.

Auch zum Bürgergeld hatte der Bürgermeister – der 27 Jahre bei den Grünen war – seine dezidierte Meinung. Die Reform sei ein schwerer politischer Fehler gewesen, binnen 14 Monaten seien die Leistungen zweimal erhöht worden um insgesamt ein Viertel – wer bekomme denn so eine Steigerung?

Tatsache sei aber auch, dass es jetzt Nullrunden gibt und er habe die Vermutung, dass es für eine Reform des Bürgergeldes – wie sie jetzt heftig in der Koalition diskutiert wird – fast schon zu spät sei, denn auf dem Arbeitsmarkt habe sich der Wind gedreht, Jobs brächen weg und man müsse die Wirtschaft erstmal wieder flott kriegen.

Boris Palmer widerspricht OB-Kollegin

Die anderen Studiogäste brachten etwas optimistischere Aspekte als Palmer: So berichtete die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck, dass ihre Stadt einen Migrationsanteil von 56 Prozent habe, in den letzten zehn Jahren habe die 180.000-Einwohnerstadt 8000 Ausländer hinzugewonnen – das sei „schwierig zu verkraften“.

Die Flüchtlingswelle von 2015 habe man mit dem hohen Einsatz von Mitarbeitern und Ehrenamtlichen „geschafft“. Negativ an der Bilanz sei, dass politische Gruppierungen mit dem Migrationsthema Neid erzeugt hätten und zur Spaltung der Gesellschaft und zum sozialen Unfrieden beigetragen hätten.

Neu sei aber auch das Phänomen von Zuzügen aus dem EU-Binnenmarkt von Menschen, die gar nicht die Pflicht zu Deutschkursen hätten. Die finanzklamme Stadt Ludwigshafen versuche mit freiwilligen Integrations- und Sprachangeboten – zum Teil mit Spenden von Unternehmen – da auszuhelfen. „An manchen Schulen gibt es kein deutsches Kind mehr. Wo sollen die ausländischen Kinder denn Deutsch lernen? Früher taten sie dies beim Spielen auf der Gasse.“

In Ludwigshafen ist auch die Gräfenau-Schule, die bundesweit Schlagzeilen machte, weil dort Dutzende von Erstklässlern sitzen geblieben sind. Vor der Sendung habe sie ihre Mitarbeiter befragt und sie könne sagen, dass es bei den Ausländern in Ludwigshafen keine erhöhte Kriminalität gebe, bemerkte Steinruck, worauf Boris Palmer ihr ins Wort fiel: „Das kann gar nicht sein“, dass Ludwigshafen da eine Ausnahme von der Polizeilichen Kriminalstatistik bilde. „Du redest für Tübingen, ich rede für Ludwigshafen“, stellte Steinruck daraufhin klar.

Altenburgs Bürgermeister sieht „Ausbluten der Region“

In ländlichen und von Abwanderung und Strukturschwäche geplagten Regionen stellt sich der Migrationsdruck ganz anders dar als in Metropolen mit Wohnungsknappheit: „Es gab bei uns 2015 eine große Begeisterung, den Menschen zu helfen“, berichtete die Landrätin von Northeim in Niedersachsen, Astrid Klinkert-Kittel. Von Überforderung könne man nicht sprechen, es sei gelungen, die Flüchtlinge auf 15 bis 16 Wohneinheiten zu verteilen und man habe so eine „Ballung“ vermieden.

Aber heute nehme der Kreis eigene Mittel in die Hand, um Integrationsleistungen anzubieten für Flüchtlinge, vielfach müssten erstmal Alphabetisierungskurse angeboten werden. „Wir haben die Flüchtlingswelle von 2015/2016 gar nicht richtig bemerkt“, gestand der Bürgermeister der thüringischen Stadt Altenburg, die in den letzten drei Jahrzehnten die Hälfte ihrer Einwohner verloren hat und nur noch 31.000 zählt. „Unsere Jugend geht studieren und hat keinen Grund wiederzukommen, es ist ein Ausbluten der Region.“

Ein neues Baugebiet für eine Industrieansiedlung – 50 Millionen Euro muss Neumann dafür auftreiben – soll Jobs bringen. Sichtbar sind jetzt die ukrainischen Flüchtlinge auch in Altenburg: „Von den 3200, die wir haben, sind nach drei Jahren nur 182 erwerbstätig. Das versteht keiner“, meinte Neumann.

Vom großzügigen Satz von Angela Merkel damals im Jahr 2015 wollte sich der Thüringer Neumann aber nicht distanzieren. Das Grundgesetz hätte doch damals beide Möglichkeiten zugelassen – die Grenzen zu schließen, oder die Menschen aufzunehmen. Die hätten sonst in Österreich oder Ungarn bleiben müssen – und diese kleine Staaten überfordert. „Es hat doch gezeigt, dass Europa funktioniert, wenn ein großes Land wie Deutschland einspringt und hilft.“

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Erstellt:
11. September 2025, 06:42 Uhr
Aktualisiert:
11. September 2025, 09:45 Uhr

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