Das Multitalent
Football-Spieler Lasse Engel will mit Stuttgart Surge den Titel in der ELF gewinnen. Abseits des Spielfelds schlüpft er in ganz andere Rollen.

© imago/Florian Schust
Lasse
Von Dirk Preiß
Stuttgart - Über das Saisonziel von Stuttgart Surge in der European League of Football (ELF) muss man im Grunde nicht mehr informieren. Das Endspiel dieser Spielzeit steigt in der MHP-Arena in Cannstatt – keine Frage, dass alle dorthin wollen. Noch mehr gilt das aber natürlich für all jene Footballer im Kader, für die Stuttgart mehr bedeutet als der Standort ihres aktuellen Teams. Zum Beispiel: Lasse Engel.
„Ich bin in Stuttgart, nahe dem Olgaeck, aufgewachsen“, fängt er an zu erzählen – um ähnlich fortzufahren: „Ich habe mein erstes Footballspiel im Gazi-Stadion gesehen. Bei den Scorpions habe ich angefangen und lange in der Jugend gespielt.“ Das Championship Game in seiner Stadt? „Ist eine einzigartige Gelegenheit“, sagt Lasse Engel, „viele von uns saßen in diesem Stadion schon auf der Tribüne und haben den VfB angefeuert.“ Nun in jener Arena um den Titel spielen zu können, „wäre ein Traum“.
Man könnte meinen: Nur für diesen ist Lasse Engel zurückgekommen. Nach Stuttgart. Aber auch generell zum American Football. Denn nach seiner Zeit am US-College in San Diego hatte er das Thema eigentlich schon abgehakt gehabt. „Football ist zeitlich sehr intensiv, dazu physisch anspruchsvoll“, erklärt der heute 27-Jährige, der sich nach dem Studium auf andere Dinge konzentrieren wollte. Aber dann startete Stuttgart Surge nach einer deprimierenden ELF-Saison 2022 einen Neuanfang. Und Cody Pastorino rief bei Lasse Engel an.
Der Co-Trainer der Stuttgarter berichtete dem Defensivspieler vom Projekt in Stuttgart, von Spielen unterm Fernsehturm und dem Weg, den das Team gehen wollte. Raus aus der Depression, rauf an die Spitze der ELF. „Da“, sagt Lasse Engel, „hat es sofort wieder gekribbelt.“ Also streifte er sich wieder Schutzausrüstung, Helm und das Trikot mit der Nummer neun über. „Ich hatte ein Jahr geplant“, erinnert er sich – und muss grinsen, als er sagt: „Nun sind wir im dritten.“ Nach dem vergangenen Samstag kann man sagen: das sich richtig gut angelassen hat.
Zwar gehörte Lasse Engel nicht gleich zu Beginn der Saison zur ersten Defensivformation der Surge. Im Auswärtsspiel bei den Hamburg Sea Devils (53:14) aber bekam er seine Chance, „und er hat sie genutzt“. Sagt Jordan Neuman, der Stuttgarter Headcoach. Der dabei vor allem an zwei Szenen denkt.
Aus einer generell starken Defensive der Surge ragte Lasse Engel heraus – indem er zweimal einen gegnerischen Pass abfing und den Ball in die Endzone trug. So ein „Pick 6“ war zwar keine neue Erfahrung für den Cornerback, „aber zweimal in einem Spiel war mir das zuvor noch nie gelungen“. Entsprechend darf er darauf hoffen, auch am Sonntag (16.25 Uhr/Gazistadion) im Südduell der ELF zwischen Stuttgart Surge und den Munich Ravens wieder auf dem Feld zu stehen.
Das tat er, wie beschrieben, einst lang bei den Stuttgart Scorpions – in einer Zeit, in der er für sich das Ziel formulierte, es über den Football zu einem Stipendium in den USA zu schaffen. Das gelang auch über eine weitere Football-Möglichkeit. Da Lasse Engels Mutter aus Dänemark stammt, lief er früh auch für die dänische Nationalmannschaft auf. Als Teil eines skandinavischen All-Star-Teams trat er dann einst gegen eine US-amerikanische Auswahl an. „Wir haben ganz schön auf die Mütze bekommen“, erinnert er sich, „aber ich habe einen Touchdown gemacht.“ Der am Ende wohl auch half, sich den Traum vom Studium und Football in den USA zu erfüllen.
Mit den San Diego Aztecs, dem Football-Team der San Diego State University, gewann Lasse Engel, der auf der anspruchsvollen Cornerback-Position verteidigt – „da hast du fast immer den besten Athleten des Gegners als Kontrahent“ – 2019 den New Mexico Bowl. Im Gegensatz zu vielen seiner damaligen Teamkollegen jagte er aber nicht dem Traum nach, es in die große NFL zu schaffen. Mit einem Abschluss in Business Management und tollen Football-Erinnerungen verließ er irgendwann die Uni, berät heute vor allem Start-up-Unternehmen – und fand abseits dieser Leidenschaften einen weiteren Weg.
Während der Coronazeit entschied Lasse Engel: „Ich will noch einmal was Neues ausprobieren, eine andere Seite von mir selbst kennenlernen und mich auch kreativ ausleben.“ In Los Angeles absolvierte er eine Schauspielausbildung, wird seitdem für kleinere Filmrollen oder Werbe-Produktionen gebucht. Einen Traum hat er auch in diesem Segment: Einmal eine bedeutendere Rolle in einer großen US-Produktion spielen.
Im Hier und Jetzt zählt aber vor allem der Football. „Der steht an erster Stelle“, sagt Lasse Engel, „und während einer Saison kommt danach auch lange nichts anderes.“ Vor allem in einer Spielzeit, die für einen wie ihn besonderer kaum sein könnte.