Das Patrizier- und Kaufmannsviertel erkundet

Die Kunstfahrt der Volkshochschule Murrhardt führt nach Ravensburg, wo die Gruppe das mittelalterliche Humpis-Quartier und das zugehörige Museum erlebt.

Die Altstadt von Ravensburg hat eine spannende Geschichte. Foto: privat

Die Altstadt von Ravensburg hat eine spannende Geschichte. Foto: privat

MURRHARDT (pm). „Geschichte – Gegenwart – Zukunft“: Die Kunstfahrt der Volkshochschule Murrhardt fand dieses Mal unter besonderen, außergewöhnlichen Vorzeichen statt. Mut, gemeinsame Rücksichtnahme, aber auch viel organisatorischer Vorlauf waren notwendig, um für die Reisegruppe – Kultur- und Geschichtsbegeisterte von Backnang bis Gaildorf – diese Tagesausfahrt auf die Beine zu stellen, heißt es im Bericht der Veranstalter. Vor dem Start wurden die Teilnehmer in die geltenden Hygienemaßnahmen im Bus und für den Verlauf des Tages von der Firma Böltz, dem Reiseleiter Christian Schweizer und der VHS-Reisebegleiterin Michaela Rannaud eingewiesen. Bei anfänglich leichtem Regenwetter ging es dann in Richtung Oberschwaben. Schnell führte der Weg durchs Kochertal, über die Alb, jenseits der Donau in die schöne Landschaft Oberschwabens und das Wetter wurde immer besser, sogar die mächtige Silhouette der fernen Alpen zeichnete sich durch die Wolken ab.

Schon im Bus erläuterte Christian Schweizer die genealogischen Zusammenhänge zum ältesten europäischen Adelshaus, den Welfen, deren süddeutscher Stammbaum seine Wurzeln in und um Ravensburg und Weingarten hat. Die ersten Schritte in der alten und nie zerstörten Reichsstadt Ravensburg führten vom Frauentor auf den Marienplatz. Der Reiseleiter erläuterte auf dem Weg zum Museumsquartier schon einige historische Gebäude und Stadtstrukturen wie die Handwerker- und Kaufmannsviertel oder die religiösen Strukturen des jüdischen Viertels mit einer mittelalterlichen Synagoge, die Kirchen, die zum Teil bikonfessionell geteilt waren, oder die klösterlichen Niederlassungen in der Stadt.

Im Wechsel mit einer weiterführenden Stadtbesichtigung erkundete dann jeweils die Hälfte der Gruppe das Museum Humpis-Quartier. Dazu erhielten die Museumsgäste ein elektronisches Führungssystem, vergleichbar einem Mobiltelefon, das sehr leicht handhabbar und damit auch hygienisch einwandfrei war, da es auf Kopfhörer oder Ähnliches verzichtete. Das Humpis-Quartier ist ein spätmittelalterliches Wohnquartier in der Oberstadt von Ravensburg, dem alten Patrizier- und Kaufmannsviertel der Reichsstadt. Die Handelsbeziehungen der großen Ravensburger Handelsgesellschaft reichten von Dänemark bis nach Spanien. Hauptsächlich wurden Tuche und Gewürze gehandelt und so wurde, lange vor den Fuggern in Augsburg, ein europaweites Handelsnetzwerk aufgebaut. In einem der Häuser wurde der bekannte Verlag der Ravensburger Spiele – heute Exportartikel der lebensfrohen Stadt – gegründet.

Das in Baden-Württemberg einmalige Museumsquartier mit seinen diversen Ausstellungen zur Stadtgeschichte besteht seit 2009. Bei der Stadtführung wurde auch die evangelische Stadtkirche, ehemalige Karmeliter-Klosterkirche, besichtigt, die durch ihre atemberaubende Höhe, die bestechende Schlichtheit der Gotik und die besonders prächtigen Farbglasfenster von Hans Gottfried von Stockhausen noch lange in Erinnerung bleibt.

Die Mittagspause wurde im Rössle in Weingarten – bei typischen Spezialitäten wie Kässpätzle – verbracht. Im Anschluss unternahm die Gruppe einen kurzen Abstecher zur Basilika und der ehemaligen Benediktiner-Reichsabtei, der Wiege der Welfen und damit des britischen Königshauses. Schließlich erwartete die Reisegruppe eine freundliche und kompetente Führung im ehemaligen Prämonstratenser-Reichsstift Bad Schussenried. Nein, die Barockengel im Bibliothekssaal haben niemanden erschlagen, auch die explosive Vielfalt der Figuren im Saal, an den Säulen und Deckenfreskos hat niemandem den Geist verwirrt, sondern die Vielfalt, Toleranz und Wertigkeit der abendländischen Kultur aufgezeigt, heißt es weiter im Bericht. Zudem demonstrierte sie die Leistungsfähigkeit und den Leistungswillen früherer Generationen, die noch viel mehr mit Pandemien, Krankheiten und Kriegen konfrontiert waren und trotzdem handwerkliche und geistige Höchstleistungen vollbrachten.

Nach einer kleinen Pause bei immer noch herrlichem Wetter begab sich die Gruppe noch in die nahe Wallfahrtskirche Steinhausen – der schönsten Dorfkirche der Welt, wie diese gerne genannt wird, umgeben von einem Paradiesgarten mit Tieren und Vögeln, den die Baumeister- und Künstlerfamilie Zimmermann aus Vorarlberg angelegt hat. Leider sprengte der Bau die Klosterkassen in Schussenried, doch wurde ein einmaliges Zeugnis des oberschwäbischen Barocks und Rokokos geschaffen.

Gerade beim Verlassen dieses letzten Besichtigungsziels begann es, leise zu tröpfeln und schließlich hinter Ulm zu schütten. Doch als die Gruppe voller reichhaltiger Eindrücke gesund und dankbar für diesen besonderen Tag in besonderen Zeiten über die Schanz ins Murrtal kam, begrüßte sie die späte Abendsonne wieder. Schließlich gab Reiseleiter Schweizer auch noch Hinweise auf die kommenden VHS-Veranstaltungen und Vorträge sowie auf das Reiseziel im November, das die Kunstfreunde nach Franken sowie nach Weißenburg in Bayern und Umgebung führen soll.

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Erstellt:
7. August 2020, 06:00 Uhr

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