Das Schlimmste verhindern

Die erste Reise von Friedrich Merz zu US-Präsident Donald Trump ist heikel – und entscheidend.

Von Tobias Peter

Berlin -

Friedrich Merz ist nicht zu beneiden. Der Kanzler macht seinen Antrittsbesuch bei US-Präsident Donald Trump. Selbstverständlich wird Merz Trump am Donnerstag nicht an den Kopf werfen, dass die Welt ohne dessen Präsidentschaft vielleicht eine bessere wäre. Stattdessen wird er alles versuchen müssen, damit der US-Präsident ihn mag. Ein wenig Schmeichelei darf sein – und kann funktionieren, wie beim Besuch des britischen Premierministers Keir Starmer in Washington im Februar sichtbar wurde. Starmer setzte auf eine betont freundliche Körpersprache, strategisches Lob und Komplimente – und eine Einladung von König Charles persönlich zu Trumps zweitem Staatsbesuch. Sympathie zählt viel bei Trump – auch wenn diese Strategie nicht in deutscher Selbstaufgabe münden darf.

Doch davon, ob die Chemie zwischen US-Präsident und Kanzler stimmt, hängt für Deutschland und Europa viel ab. Für Merz geht es in den Sekunden und Minuten, in denen Trump darüber entscheidet, ob er ihn mag, womöglich um den Erfolg seiner Kanzlerschaft. Das klingt absurd. Es stimmt aber. Deutschland und Europa sind auf den militärischen Schutz der USA angewiesen. Das gilt noch für einige Zeit – auch, wenn es jetzt gelingen sollte, alle Hebel in Richtung mehr sicherheitspolitische Eigenverantwortung umzulegen. Wer ansonsten nackt und frierend im eisigen Wind stehen müsste, wird auch im Haus eines Rabauken Zuflucht suchen. Es ist nicht Merz‘ Fehler, dass die Situation ist, wie sie ist. Angela Merkel hatte es als Kanzlerin versäumt, nach dem ersten Wahlsieg Trumps umzusteuern und ausreichend in die Bundeswehr zu investieren.

Kanzler Merz hat vor kurzem gesagt, dass der russische Angriffskrieg in der Ukraine noch lange dauern könne. Ohne Unterstützung der Vereinigten Staaten für Kiew wird es für Europa umso teurer und gefährlicher. Gibt es doch eine Art von eingefrorenem Krieg oder Friedensschluss mit Russland, wird die Ukraine Sicherheitsgarantien brauchen. Belastbar werden sie vor allem dann sein, wenn die USA mitmachen. Ist die Ukraine nicht sicher, ist es Europa am Ende auch nicht.

In der Außenpolitik braucht Merz also sowohl strategische Weitsicht als auch Glück. Dasselbe gilt für ökonomische Fragen. Trump kann die Weltwirtschaft mit Zöllen in den Abgrund reißen. Das würde Deutschland sehr hart treffen. Gelingt der Aufschwung nicht, kann dies die populistischen Ränder weiter stärken. Globalisierung bedeutet: Die Frage, ob Trump sich halbwegs vernünftig und berechenbar verhält, hat auch Einfluss auf den Ausgang der Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg im kommenden Jahr. Wenn er – für die USA selbst und für den Rest der Welt – die falschen wirtschaftspolitischen Entscheidungen trifft, kann Trump die deutsche Demokratie destabilisieren. Erheblich.

Das Gute ist: Merz könnte mit deutlich schlechteren Karten nach Washington reisen. Deutschland hat mit den Änderungen an der Schuldenbremse den Grundstein dafür gelegt, die Militärausgaben hochzuschrauben. Dass Deutschland endlich mehr Verantwortung übernimmt, war mit Recht immer eine Forderung der USA.

Merz hat seit Jahrzehnten eine enge Bindung zu Amerika – doch er weiß, dass es die Vereinigten Staaten, die er einmal geliebt hat, nicht mehr gibt. Er wird sich von Trump nicht alles gefallen lassen. Aber er wird versuchen, geduldig zuzuhören – auch wenn es schwerfällt. Sein Ziel wird sein, dass der gefürchtete Rabauke wohlwollend mit ihm und uns umgeht. Jetzt ist die Stunde der Realpolitik. Der Kanzler muss das Schlimmste verhindern, damit Deutschland danach vielleicht das Beste hoffen kann.

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Erstellt:
3. Juni 2025, 22:04 Uhr
Aktualisiert:
4. Juni 2025, 21:56 Uhr

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