Kinderreichtum
Das Ziel: 14 Kinder und mehr
Elon Musk will möglichst viele Kinder in die Welt setzen. Er ist der wohl bekannteste Anhänger des Pronatalismus, kommentiert Rainer Pörtner.

© Jim Watson
Elon Musk mit seinem Sohn X Æ A-XII zu Besuch bei Donald Trump (re.) im Weißen Haus
Von Rainer Pörtner
Was sind die größten Probleme der Menschheit? Den Allermeisten würden nach dieser Frage vermutlich Stichworte wie Klimawandel, Umweltzerstörung, Krieg, Überbevölkerung oder Hunger in den Sinn kommen. Der amerikanische Tech-Unternehmer Elon Musk beantwortet die Frage ganz anders. Für ihn ist das größte Problem, dass nicht genug Kinder geboren werden.
„Ein Bevölkerungszusammenbruch aufgrund niedriger Geburtenraten stellt ein viel größeres Risiko für die Zivilisation dar als die globale Erwärmung“, sagt Musk. Denn er hätte eine Überalterung der Menschheit und wirtschaftliche Stagnation zur Folge. Um gegenzusteuern leistet Musk selbst einen bemerkenswerten Beitrag: Er soll bereits jetzt mindestens vierzehn Kinder haben.
Der reichste Mann der Welt ist die prominenteste Figur einer neuen pronatalistischen Bewegung. Pronatalismus bedeutet zunächst nur, dass man aktiv für Kinderreichtum eintritt. Rund um den Globus sind allerdings aktuell eine Vielzahl von Kräften am Werk, Pronatalismus politisch und ideologisch aufzuladen. Viele Geburten zu haben ist für sie kein Traum kinderliebender Eltern, sondern eine der Gesellschaft oder sogar dem Staat geschuldete Pflicht.
Sehr unterschiedliche Geburtenraten
Wie hoch die Geburtenrate einer Gesellschaft ist, hängt von vielen Faktoren ab. Sehr wichtig sind das Wohlstandsniveau und die Qualität der Gesundheitsversorgung. Wer Kinder braucht, um im Alter abgesichert zu sein, und Angst haben muss, dass viele Neugeborene nicht lange überleben, der wird eine große Familie wollen. Wenn in einer Gesellschaft Frauen finanziell weniger abhängig von Männern sind, bringen sie tendenziell weniger Kinder zur Welt. Auch der Zugang zu Verhütungsmitteln und die Möglichkeit zur Abtreibung spielen eine Rolle.
Es ist deshalb wenig verwunderlich, dass sich die Geburtenraten weltweit sehr unterschiedlich entwickeln. Wohlhabende Industriegesellschaften wie die USA, Japan oder Deutschland erleben einen starken Geburtenrückgang. Noch wächst die Weltbevölkerung, weil die Geburtenraten in Schwellen- und Entwicklungsländern dagegen teilweise noch extrem hoch sind. „In den kommenden Jahrzehnten werden mehr als drei Viertel aller Geburten weltweit in den ärmsten Ländern stattfinden“, heißt es beispielsweise im Wissenschaftsmagazin „The Lancet“. Diese demografische Umwälzung werde „die Weltwirtschaft und das internationale Machtgleichgewicht völlig verändern und eine Neuordnung der Gesellschaften erfordern“.
Ungarns Premier Orban will keine „gemischtrassige Gesellschaft“
Pronatalistische Antworten auf das Phänomen der Kinderlosigkeit und Überalterung gibt es viele, harmlose wie gefährliche. In den letzten US-Wahlkampf zogen beide Präsidentschaftskandidaten, Kamala Harris wie Donald Trump, mit der Ankündigung von finanziellen Prämien für Neugeborene. Ministerpräsident Viktor Orban ruft seine Landsleute ausdrücklich zur Fortpflanzung auf, damit Ungarn keine „gemischtrassige“ Gesellschaft werde. Die russische Duma beschloss ein Gesetz, dass die „Werbung“ für Kinderlosigkeit unter Strafe stellt.
Ein besonders scharfer Pronatalismus ist häufig in Verbindung mit rechtsextremistischem oder streng-religiösem Gedankengut zu finden, wenn es darum geht, „unser Volk“ vor Untergang oder Überfremdung zu schützen. Im Geleit sind hier fast immer eine aggressive Ablehnung von Abtreibung, von Feminismus und LGBTQ-Bewegungen.
Unangenehmes Eliten-Bewusstsein
Eine besondere Spielart des Pronatalismus zeigt sich im Silicon Valley. Viele Spitzenleute der Tech-Szene sind fasziniert von dem Thema. Der Chef von Open AI, Sam Altman, gehört ebenso dazu wie Skype-Gründer Jaan Tallinn oder Marc Andreessen, einer der erfolgreichsten Risikokapitalinvestoren. Wie Elon Musk stecken viele von ihnen Geld in Start-Ups, die zum sogenannten Fruchtbarkeitssektor zählen.
Bei einigen Tech-Milliardären verbindet sich der Wunsch nach mehr Kindern mit dem Traum vom „besseren“ Baby: mit neuen Technologien sollen die neuen Kinder optimiert werden. Dazu dienen genetische Tests, künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft und der Einsatz Künstlicher Intelligenz bei der Embryonenauswahl.
Die vorgebliche Sorge um das Überleben der Menschheit geht hier eine unangenehme Verbindung mit elitärem Bewusstsein ein. Männer wie Musk sehen sich als Mustermenschen einer schutzbedürftigen Zivilisation, als wertvollste Exemplare der Gattung Mensch, deren Gene möglichst zahlreich gestreut werden sollten. Da ist es nur folgerichtig, dass Musk sein Sperma laut „New York Times“ schon jetzt für eine potenzielle Marskolonie zur Verfügung gestellt hat.