FDP

Der emotionale Abschied des Christian Lindner

Christian Lindner tritt als FDP-Chef nach mehr als elf Jahren ab – mit gefühlvollen Worten und fehlender Selbstkritik. Es übernimmt Christian Dürr.

Christian Lindner hört als FDP-Chef auf.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Christian Lindner hört als FDP-Chef auf.

Von Tobias Peter

Christian Lindner ist einer, der als Redner mit Worten Kunststücke aufführen kann wie ein Jongleur mit Bällen. Doch der 46-Jährige ist bekannt dafür, in der Öffentlichkeit sich selbst als Mensch mit einer Art Teflon-Schicht zu umgeben. Bei seinem Abschied vom Vorsitz der FDP wird er aber emotional. Lindner dankte seiner Familie, Freunden und seiner Ehefrau für deren „Nachsicht mit mir“. Auch wenn er zu Hause gewesen sei, dann sei er gedanklich doch oft bei der FDP gewesen, sagt der Mann, der die Partei mehr als elf Jahre geführt hat. An seine Frau gerichtet, die an diesem Tag mit dem gemeinsamen Kind zu Hause sei, sagt er: „Du musstest das Leben eines Politikers mitführen, obwohl du mich geheiratet hast und nicht die FDP.“ Das bedeute ihm alles.

Für die FDP ist das eine Zäsur

Lindner tritt beim Parteitag in Berlin als Vorsitzender ab. Es ist für die Partei eine Zäsur. Er ist eine der prägenden Figuren in der Geschichte der FDP wie sonst nur Hans-Dietrich Genscher und Guido Westerwelle. 2013 war die FDP nach vermurksten Regierungsjahren in einer schwarz-gelben Koalition unter Angela Merkel aus dem Bundestag gewählt worden. Lindner brachte sie im Alleingang zurück. Jetzt ist die Partei nach der Zeit der Ampelregierung mit Lindner als Finanzminister erneut aus dem Parlament ausgeschieden. Und sie kämpft erneut um ihr Überleben. Unter schwierigen Bedingungen.

So ungewöhnlich viel persönliche Emotion in Lindners Rede zu finden ist, so gewöhnlich wenig enthält sie an Selbstkritik. Als FDP-Chef und Finanzminister in der Ampel ist Lindner eine der prägenden Figuren der vergangenen Regierungsjahre. Damit steht er automatisch auch für das Scheitern der Regierung. Fehler sieht er aber vor allem bei anderen – aktuell bei der Union und deren Kanzler Friedrich Merz.

Es sei gut für Deutschland, dass es durch die Bundestagswahl eine Richtungsentscheidung gegeben habe, sagte Lindner. „Paradoxerweise hat die Regierung Merz aber eine andere Richtung eingeschlagen, als die Wählerinnen und Wähler vorgegeben hatten“, kritisiert er. Die Menschen im Land hätten weniger Staat und mehr Freiheit gewählt. „Geliefert wird jetzt: mehr Staat und mehr Schulden.“ Es ist eine Kritik, die es auch innerhalb der CDU gibt. Fakt ist aber auch: Merz muss in der schwarz-roten Koalition das tun, was Lindner in der Ampel zuletzt nicht gelungen ist: Kompromisse schließen.

Erkennbar ist hier aber auch, welche Strategie Lindner für die FDP sieht. Sie soll kritisieren, wo Merz sich von wirtschaftsliberalen Ideen entfernt hat: etwa bei der Reform der Schuldenbremse, mit der nun Bundeswehr und Infrastruktur über Kredite gefördert werden sollen. Generationengerechtigkeit, so Lindner, sehe anders aus.

Dürr ist ein Kompromisskandidat

Der frühere Fraktionschef Christian Dürr, der Lindner an der Parteispitze nachfolgt, schlägt in dieselbe Kerbe: „Die 180-Grad-Wende der Union – sie ist auch aus Demokratiegesichtspunkten ein Fehler. Man kann nicht das Gegenteil tun, was man im Wahlkampf plakatiert hat.“ Dürr wird nach einer kämpferischen Rede mit 82 Prozent zum neuen Vorsitzenden gewählt.

Vor Dürr liegen gewaltige Aufgaben. Dürr ist ein Kompromisskandidat zwischen dem rechten und dem linken Parteiflügel. Den 48-Jährigen mögen viele in der Partei. Es wissen aber auch alle: Christian Lindner war, wegen seiner rhetorischen Fähigkeiten, eine Art politischer Superstar. Christian Dürr ist das nicht. Spätestens die Landtagswahlen im Jahr 2026 in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt werden zur harten Probe dafür, wie es mit der FDP weitergeht.

Dass es dabei vielleicht doch etwas mehr zu tun gibt, als inhaltlich Kurs zu halten, wie Lindner empfiehlt, lässt ein Redebeitrag von Konstantin Kuhle erkennen. Er war in der Ampelzeit einer, der in der Fraktion immer wieder für Kompromisse mit den Regierungspartnern gekämpft hat. Die FDP habe – wie zuvor schon bei Schwarz-Gelb – ein Problem mit dem Regieren gehabt, sagt er. Das müsse die Partei jetzt aufarbeiten.

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Erstellt:
16. Mai 2025, 17:54 Uhr
Aktualisiert:
16. Mai 2025, 20:15 Uhr

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