Der Fingersatz kommt per Video

Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land organisiert mit dem Kollegium verschiedene Formen medialen Ersatzunterrichts

Kniffliger Fingersatz als Videosequenz oder das neue Musikstück als Audioeinspieler flattert dieser Tage ins E-Mail-Postfach der Eltern: In Zeiten von Corona heißt es für die Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land, die Möglichkeiten der Neuen Medien zu nutzen. Nach ersten Erfahrungen funktioniert solch ein Ersatzangebot erstaunlich gut. Manche Schüler motiviert der Umgang mit den verschiedenen Medienformen sogar zusätzlich.

Alexander Konrad und seine Frau Julia Chekulaeva bei den Vorbereitungen für den Dreh. Gemeinsam nehmen sie immer wieder Videos auf, mit denen sie ein alternatives Angebot für den Unterricht auf Distanz machen können. Foto: privat

Alexander Konrad und seine Frau Julia Chekulaeva bei den Vorbereitungen für den Dreh. Gemeinsam nehmen sie immer wieder Videos auf, mit denen sie ein alternatives Angebot für den Unterricht auf Distanz machen können. Foto: privat

Von Christine Schick

MURRHARDT. Als sich am Dienstag, 17. März, auch die Türen der Musikschule Schwäbischer Wald/Limpurger Land mit dem Hauptsitz in Murrhardt geschlossen haben, musste das rund 40-köpfige Dozententeam um Judith-Maria Matti erst mal ziemlich wirbeln. Zum einen waren am Montag zuvor ja nicht wie in regulären Schulen alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Musikschule vor Ort, zum anderen hieß es, Angebote für einen künftigen Unterricht sehr individuell zu organisieren.

„Wir können Lernmaterial nicht einfach als Klassenpaket schnüren und verschicken, weil wir Einzel- und Kleingruppenunterricht machen“, erläutert die Leiterin der Musikschule. Als Allererstes ging es darum, die Eltern der Schüler zu kontaktieren, Handy- und E-Mail-Daten zu erfragen, auch um datenschutzrechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Bei Schülern unter 16 Jahren läuft der Austausch über das Smartphone beziehungsweise Kontakte der Eltern – es sei denn, es gibt eine ausdrückliche Erlaubnis, auch das Gerät des Schülers miteinzubeziehen.

Dann waren die Dozenten gefordert, sich verschiedene Modelle für mögliche Ersatzangebote einfallen zu lassen – in Abstimmung mit den Eltern und was für deren Situation möglich und praktikabel ist. Auch so manche Mama und so mancher Papa sind vor dem Hintergrund des völlig auf den Kopf gestellten Alltags im Stress. Das, was dem Unterricht vor Corona wohl am nächsten kommt, ist eine Videokonferenz per Skype oder Zoom mit abwechselndem Spiel von Schüler und Dozent sowie der Möglichkeit, Fragen zu stellen.

Judith-Maria Matti, die zurzeit 17 Klavierschüler unterrichtet, hat vor allem mit Audioaufnahmen gute Erfahrungen gemacht. „Ich spiele das Stück dann vor und spreche den Schüler auch direkt an, versuche, dem Unterricht so nahe wie möglich zu kommen“, erzählt sie. Mal wird auch nur das Spiel der linken und dann der rechten Hand aufgenommen, gilt es, an einer bestimmten Stelle noch genauer einzuführen. Ein Vorteil, den Judith-Maria Matti ausgemacht hat: Ihre Schüler müssen jetzt noch stärker auf die Noten achten – weil sie beim Hören das Stück auf dem Papier mitverfolgen.

Die Angebote variieren je nach Alter. Auch für die Kleinsten in der musikalischen Früherziehung haben Dozenten Videos mit Geschichten oder Bildern erstellt, die Eltern ihren Kindern dann vorspielen können. „Da ist die Situation sehr flexibel, die Familie kann das nutzen, wenn die Kinder Lust drauf haben“, sagt die Musikschulleiterin. Festgestellt hat sie: „Man kommuniziert häufiger.“ Dass ihr Dozententeam beim Austüfteln der Ersatzangebote und Umstellen auf den Fernkontakt mit den Schülern so mitzieht, freut sie außerordentlich. Bei zwei älteren Kolleginnen sei der Umgang mit dem Smartphone als Alleskönner erst mal nicht so gewohnt gewesen, doch auch sie hätten sich gut eingefuchst. „Die Situation mit der Coronakrise ist schlimm, aber wir haben im 21. Jahrhundert zumindest die Möglichkeit, dass wir auf die Neuen Medien zurückgreifen können“, sagt Julia Chekulaeva, Klavierlehrerin an der Musikschule. Sie und ihr Mann Alexander Konrad drehen nun Videotutorials, die sie ihren Schülern übers Netz zuschicken. Eine Reihe der Jugendlichen schicken genauso Aufnahmen von sich an die Dozenten. „Ich habe zu 99 Prozent Einzelunterricht“, sagt die Pianistin. Bei den Videos filmt sie ihre Hände, zudem sind die Noten des Stücks zu sehen. Alexander Konrad hat zudem gute Erfahrungen mit dem Unterricht über Skype gemacht.

Es wird so gefilmt, dass Noten und Hände zu sehen sind

Auch wenn nicht jede Familie umfassende Medienerfahrung mitbringt, so hat doch jeder ein Smartphone, über das einiges ausgetauscht werden kann. „Wir sind positiv überrascht, auch über das tolle Feedback. Manche Schüler sind sehr aktiv, sogar mehr als sonst“, erzählt Julia Chekulaeva. „Sie drehen eigene Videos und ich glaube, für die Jugendlichen ist das spannend.“ Manche Eltern unterstützen und filmen ihre Kinder beim Vorspiel, wenn genug Zeit ist – neben Hausaufgaben und Homeoffice.

Ein weiterer Vorteil eines Audio- oder Videotutorials: Es kann immer wieder abgespielt werden – dann, wenn der Schüler Zeit und Ruhe hat. Julia Chekulaeva gibt zu, dass es anfangs natürlich viel Mehrarbeit war, auf diese Alternativangebote umzustellen, sich in die Technik und ihre Möglichkeiten einzuarbeiten. Doch nach den rund zwei Wochen läuft der Umgang mit den Medien und der Einsatz dieser alternativen Angebote aus ihrer Sicht nun bereits in gewohnten Bahnen. Julia Chekulaeva hofft, dass die eine oder andere nun gemachte Erfahrung auch in Zukunft bereichern kann – wie flexibel abrufbare Lernsequenzen für die Schüler.

Zu seinem Engagement bekommt das Team der Musikschule positive Rückmeldungen. Das Ersatzangebot – wenn auch Orchester und Eltern-Kind-Gruppen, die aber eine kostenlose Ergänzung darstellen, ausfallen müssen – wird sehr gewürdigt. Innerhalb der Musikschule, die als gemeinnütziger Verein organisiert ist, wird trotzdem überlegt, ob und in welchem Umfang es möglich ist, Beiträge zu erlassen – also zu welchem Anteil. Dazu ist Judith-Maria Matti auch mit Bürgermeister Armin Mößner im Gespräch. Bedenken muss die Schule die Finanzierung ihres überwiegend fest angestellten Dozententeams, gleichzeitig will sie natürlich Familien und Eltern unterstützen, die durch die Coronakrise möglicherweise finanziell unter Druck geraten. „Als vereinsgeführte Musikschule konnten wir in den vergangenen Jahren keine großen Rücklagen bilden“, gibt die Leiterin zu bedenken.

Eine weitere Überlegung ist, wenn sich die Situation wieder normalisiert, Nachholtermine – beispielsweise in späteren Schulferien – anzubieten. Mithilfe des alternativen Unterrichtsangebots dranzubleiben, ist für Judith-Maria Matti sowieso keine Frage: „Es ist wichtig, dass die Schüler weiter aktiv sind, ihr Niveau halten oder Fortschritte machen können und vor allem auch motiviert bleiben.“ Das bringt sie zu einem weiteren Aspekt, der ihr und ihrem Team wichtig ist. „Die Musik und das Musizieren helfen gerade in Krisenzeiten, da sie einen individuellen Rückzugsort eröffnen. Jeder, der jetzt zu Hause auf seinem Instrument spielt oder singt, hat die Möglichkeit, zu entspannen und glückliche Momente zu erleben.“

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Erstellt:
1. April 2020, 06:00 Uhr

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