Der Herr des Rasens

Gerhard Lung betreibt in Stuttgart das Institut für angewandte Rasenforschung und berät unter anderem Fußballvereine. Wie kriegt man seinen Rasen fit?

Das geschulte Auge sieht alles: Gerhard Lung untersucht seinen Rasen.

© Lichtgut/Julian Rettig

Das geschulte Auge sieht alles: Gerhard Lung untersucht seinen Rasen.

Von Maximilian Kroh

Stuttgart - Gerhard Lung muss das Stück Rasen, das er aus seinem Garten in Stuttgart-Sillenbuch geschnitten hat, nur eine Sekunde anschauen, um zu erkennen, was Sache ist: „Da, schauen Sie, der hat einen kleinen Pilz.“ Für den Laien sind es nur zwei kleine, schwarze Punkte auf einem Grashalm, aber als Gründer des Instituts für angewandte Rasenforschung blickt man eben mit anderen Augen aufs Grün.

Wenn es der Rasen eines Kunden wäre, etwa auf einem Golf- oder Sportplatz, dann würde Lung das befallene Blatt in seinem Labor in Tübingen unters Mikroskop legen. „Meistens sind dann direkt die Sporen zu sehen“, erklärt er. „Daran erkennt man die Krankheit in der Regel und kann reagieren.“ In diesem Fall kommt das Rasenstück aber einfach zurück in den Garten – sein Rasen könne das ab, versichert Lung. Solche Krankheiten zu erkennen, ist eine seiner Spezialitäten, erst so kam er überhaupt mit der Rasenforschung in Kontakt.

Damals forschte er an der Universität Hohenheim über Fadenwürmer, ein Kollege holte die Greenkeeper-Ausbildung an die Uni – und fragte Lung um Hilfe. „Rasenkrankheiten konnte in den 1990ern in Deutschland kaum einer diagnostizieren“, sagt er. Irgendwann bildete er selbst Greenkeeper aus, später machte er sich mit seiner Frau Christa und dem Institut selbstständig. Sie halten Vorträge, untersuchen Proben, geben Tipps zur richtigen Pflege.

„Das meiste habe ich mir selbst draufgeschafft, zum Beispiel in der Bodenbiologie“, erzählt er. Immer wieder flog er zu Tagungen in Nordamerika, wo sie mit der Rasenforschung schon deutlich weiter waren, nach und nach machte er sich einen Namen als Rasenspezialist in Europa. Bis ins Expertengremium für die Spielflächen der Fußball-WM 2006 brachte Lung seine Arbeit.

Aber es sind nicht nur Sportvereine oder Golfclubs, die auf die Hilfe der Lungs bauen, auch im Freundeskreis vertraut man ihnen. „Wir drängen uns da nicht auf, aber die wissen ja, was wir machen“, sagt Lung. Und in Zeiten der Klimakrise werden die Herausforderungen, die man mit dem heimischen Rasen hat, ja ohnehin immer größer. „Den typischen Landregen, den ich aus meiner Jugend kenne, gibt es schon lange nicht mehr“, sagt der 71-Jährige.

Mittlerweile ist Rasenpflege im Sommer vor allem ein Kampf gegen Hitze und Trockenheit. Um den Rasen fit für die heißen Tage zu bekommen, sieht der Experte mehrere Möglichkeiten: Es gibt zum Beispiel spezielles Saatgut mit trockentoleranten Gräsersorten – da könne es aber sein, dass bei Temperaturen unter zehn Grad mit kälteresistenten Sorten nachgesät werden muss, warnt Jung. „Es gibt außerdem die Möglichkeit, den Rasen zu erziehen, indem man im Frühjahr nicht so viel bewässert“, erklärt der Forscher. „So gewöhnt er sich ein bisschen an die Trockenphasen.“

Einen Fehler dürfe man auf keinen Fall machen: „Wer zu tief mäht, hat schon verloren“, sagt Jung. Eigentlich logisch: Wo der Rasen nur noch aus Stilen besteht, gibt es keine Blätter mehr, die Photosynthese betreiben können. „Da kränkeln viele Flächen lange rum, bis sie sich wieder berappeln“, ergänzt seine Ehefrau, Christa Lung. Es gelte deshalb der Grundsatz: Gemäht wird maximal ein Drittel der Blatthöhe. „Der Rasen hört im Sommer ohnehin irgendwann auf zu wachsen, weil er alle Ressourcen im Boden braucht, um am Leben zu bleiben“, erklärt Lung.

Trotzdem, in besonders heißen Jahren könne es auch sein, dass gar nichts hilft. Kein spezielles Saatgut, kein Herantasten, keine wasserspeichernden Granulate – „dann muss man einfach akzeptieren, dass der Rasen braun wird“, sagt Christa Lung. „Und hoffen, dass er sich im Herbst erholt.“ In diesem Jahr sehe es ganz danach aus, dass es schon aus Gründen der Wasserknappheit eng werden könnte – die Region Hannover etwa hat bereits beschlossen, dass zwischen Juni und September ab 27 Grad Außentemperatur nicht mehr bewässert werden darf.

Gerade deshalb ist Gerhard Lung verwundert darüber, dass die Stadt Stuttgart nicht wieder dazu zurückkehrt, mit Brauchwasser zu gießen. „Ich beschäftige mich damit seit 1998“, sagt er. Ab 2002 war er am Projekt eines Golfclubs im Taunus beteiligt, der seine Flächen mit Brauchwasser beregnet. „Wir hatten nie Probleme, seit 2023 ist es in Deutschland erlaubt, und eine Aufbereitungsanlage kriegt man ab 18 000 Euro.“

Die Stadt beruft sich auf „logistische, personelle und finanzielle Gründe“. Lung ist sich sicher, dass es den Aufwand wert wäre. „Ich stehe auch gerne beratend zur Verfügung“, sagt er und grinst. Zwar ist der 71-Jährige inzwischen Rentner, aber eindeutig im Unruhestand. „Was soll ich daheim die Möbel abnutzen? Solange ich fit bin, mache ich mit Freude weiter.“

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Erstellt:
29. Mai 2025, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
30. Mai 2025, 21:47 Uhr

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