WLB Esslingen
Der Vorhangzieher trotzt der Theatermacht
Der Schauspieler Martin Theuer feiert in Rainer Lewandowskis Monolog „Heute weder Hamlet“ an der Esslinger Landesbühne Komödienkunst.

© Tobias Metz
Martin Theuer im Solo „Heute weder Hamlet“.
Von Elisabeth Maier
Träume vom Leben als gefeierter Schauspieler auf den gefragtesten Bühnen zerplatzen in Rainer Lewandowskis „Heute weder Hamlet“. Das fliegende Gebiss eines Intendanten macht alles zunichte. Hinter den Kulissen plaudert sich der Schauspieler Ingo Sassmann in sein Scheitern hinein. Martin Theuer zelebriert den Monolog über Macht und Menschen am Theater von Rainer Lewandowski an der Esslinger Landesbühne als ein Fest der Komödie.
Weil sich der Hauptdarsteller das Bein gebrochen hat, fällt die Vorstellung aus – weder „Hamlet“ noch sonst ein Drama sind geplant. Doch dann kommt der Vorhangzieher auf die Bühne. Und auch in seiner Geschichte geht es um die nackte Existenz. Marcus Grube, Intendant der Esslinger Landesbühne, hat den Text auf der großen Bühne des Schauspielhauses eingerichtet. 1985 schrieb Rainer Lewandowski, langjähriger Intendant am ETA Hoffmann Theater Bamberg, das Solo über den Vorhangzieher. Die bissige Ironie sitzt. In diesem Aushilfsjob muss sich der Künstler einrichten. Im Rückblick auf ein Theaterleben an kleinen Bühnen in der sogenannten Provinz spiegelt der Theatermann die Überheblichkeit eines Kultursystems, in dem künstlerische Qualitäten nicht mehr im Vordergrund stehen. Gerade die Landesbühnen mit ihrem aufwendigen Gastspielbetrieb werden oft belächelt.
Mit diesem Klischee spielt Marcus Grubes szenische Einrichtung. Da beweist der Intendant erfrischende Selbstironie. In Zeiten, da die Ensembles zunehmend die Machtstrukturen am Theater hinterfragen, ist das Stück aus den 1980er-Jahren hoch aktuell.
Schon von Beginn an wundert sich das Publikum. Eine Mitarbeiterin des Theaters verkündet, dass die heutige Premiere ausfällt und die Karten erstattet werden. In den Zuschauerreihen regen sich Zweifel. Sollen wir gehen oder nicht? Die Frage ist schnell geklärt, das Theater hat schon begonnen. Dann betritt Martin Theuer die Bühne. Charakterrollen wie diese sind die Stärke des Schauspielers. Doch gerade darin spürt er die dunklen Seiten auf. Ein Potenzial, das in diesem Solo zu kurz kommt. Großartig schöpft Theuer aus dem Fundus der Komödienkunst. Wenn er den roten Vorhang zuzieht, ist er der Chef. An dieses bisschen Macht klammert sich die Figur verbissen.
Schattenseiten einer Theaterbiografie
Zwischen abgewetzten Requisiten und antiquarischem Mobiliar kehrt seine vielschichtige Bühnenfigur Ingo Sassmann nach und nach die Schattenseiten dieser Biografie nach außen. Wenn er von Vorsprechen berichtet, verkrampfen seine Gesichtszüge. „Aha, Sie waren in Bruchsal?“ Weil die Theaterszene das Potenzial der Bühnen jenseits der Zentren damals wie heute nicht erkannt hat, hat der Künstler mit dieser Karriere keine Chance mehr. Blitzschnell wechselt Theuer die Rollen, wechselt vom Star-Regisseur zum gescheiterten Mimen. Allerdings dringt Lewandowskis Monolog nur bedingt zu den Tiefenschichten dieser Theaterkarriere vor. Den Mangel überbrückt Theuer, indem er sich auf die Kritik an den Machtstrukturen am Theater konzentriert. Überzeugend führt Theuer die Arroganz jener Intendantengeneration vor, die an den Theatern jahrzehntelang die Macht hatte. Daran hat sich bis heute an den meisten Theaterhäusern nichts geändert.
Theuers Solo lebt von der Lust des Schauspielers, sich und die eigene Landesbühne auf die Schippe zu nehmen. Dass Rainer Lewandowskis Monolog stellenweise in die Klamotte abdriftet, kann aber auch er nicht ganz abfedern. „Heute weder Hamlet“ – noch irgend eine andere Inszenierung – dreht sich wie in Shakespeares Tragödie um die Frage: Sein oder Nichtsein? Die stellt sich auch der Vorhangzieher, der einst Schauspieler war.
Termine: 3.7., 19:30 Uhr, 20.7., 18 Uhr.