Rapper vor Gericht

"Diddy" nur teilweise schuldig: Was bedeutet das für MeToo?

Der aufsehenerregende Prozess gegen Sean «Diddy» Combs endet in einem scheinbar milden Urteil. Der Ex-Superstar zeigt sich erleichtert - und die MeToo-Bewegung entsetzt.

Die Gerichtszeichnung stellt Sean "Diddy" Combs am 1.7. mit seinem Verteidigungsteam dar, wie er zusieht, wie die Geschworenen den Gerichtssaal verlassen.

© Elizabeth Williams/AP/dpa

Die Gerichtszeichnung stellt Sean "Diddy" Combs am 1.7. mit seinem Verteidigungsteam dar, wie er zusieht, wie die Geschworenen den Gerichtssaal verlassen.

Von Von Christina Horsten und Benno Schwinghammer, dpa

New York - Während Sean Combs nach dem Urteil betend auf die Knie ging und sich bei den Geschworenen bedankte, tobten Unterstützerinnen der MeToo-Bewegung vor Wut. "Diese Entscheidung macht mich sauer", schrieb die Schauspielerin Rosie O’Donnell bei Instagram.

In nur zwei von fünf Anklagepunkten sprachen die Geschworenen den früheren Rap-Superstar vor Gericht in New York schuldig - und das waren die schwächsten Anschuldigungen in Zusammenhang mit Prostitution. Die Vorwürfe der Verschwörung zur organisierten Kriminalität und des Menschenhandels wies die Jury zurück. 

Wohl bestes Resultat für Combs - abgesehen von Voll-Freispruch

Damit droht dem 55-Jährigen, der im Laufe seiner Karriere unter anderem die Pseudonyme "Puff Daddy", "P. Diddy" und "Diddy" genutzt hatte, nun keine lebenslange Freiheitsstrafe mehr, sondern maximal 20 Jahre. In Haft bleibt Combs nach einer Entscheidung des Gerichts bis zur Strafmaßverkündung, die möglicherweise im Oktober stattfinden könnte, trotzdem. 

Beobachter werteten das Urteil als wohl bestes Resultat für Combs - abgesehen von einem vollständigen Freispruch. Der Rapper, seine Anwälte und seine Familie zeigten sich dementsprechend erleichtert. Der Anwalt der Hauptbelastungszeugin Cassie Ventura würdigte seine Mandantin. Ventura habe "während des gesamten Prozesses beispielhaften Mut bewiesen" und den Weg für zahlreiche Vorwürfe gegen Combs und sein Fehlverhalten geebnet, sagte Doug Wigdor. 

Wird Frauen geglaubt - oder nicht?

"Ich glaube dir, Cassie", schrieb die Sängerin Kesha, die ebenfalls schon einen Rechtsstreit wegen Sexualstraftaten gegen ihren früheren Produzenten hinter sich hat, beim Online-Portal X. "Ich liebe dich. Deine Stärke ist ein Leuchtfeuer für jeden Überlebenden."

Dass die Juroren Ventura und einer weiteren Ex-Freundin von Combs, die vor Gericht ebenfalls von jahrelangen sexuellen Misshandlungen und Gewalt berichtet hatte, aber offensichtlich nicht geglaubt hätten, mache sie sauer, schrieb Schauspielerin O'Donnell. "Ich schätze, eine Jury will einfach nie glauben, dass eine Frau wegen Macht und Zwang bleibt, wow, sie denken, dass eine Frau weswegen bleibt? Geld? Ruhm?". 

MeToo-Bewegung im Gegenwind?

Das Verfahren weckte Erinnerungen an ähnliche Prozesse wegen Sexualstraftaten gegen Ex-Superstars in den vergangenen Jahren - unter anderem gegen den Musiker R. Kelly, den Comedian Bill Cosby oder den Produzenten Harvey Weinstein. 

Die Vorwürfe gegen Weinstein hatten vor rund acht Jahren die weltweite MeToo-Bewegung angestoßen - am Urteil gegen Combs, der dreimal verheiratet war und sieben Kinder hat, zeigt sich nun aber nach Ansicht vieler Beobachter das Ausmaß des Gegenwinds. 

Die Bewegung habe vielen Opfern von sexuellem Missbrauch die Tür geöffnet, gerichtlich gegen die Täter vorzugehen - auch Cassie Ventura, schrieb das Online-Magazin "Vox". Einige zumindest vorübergehende gerichtliche Erfolge habe es gegeben - beispielsweise im Fall Weinstein oder R. Kelly. 

Energie der MeToo-Bewegung verpufft?

Inzwischen sei die kulturelle Energie der Bewegung aber weitgehend verpufft, den Opfern werde wieder weniger geglaubt und anstelle dessen eine Mitschuld gegeben. Ventura hätte Combs ja jederzeit verlassen können, argumentierte die Verteidigung - mit Erfolg. Dabei hatte Ventura mehrfach betont, dass sie Angst vor Combs und seiner Gewalt gehabt habe. Aber vielleicht verhob sich die Staatsanwaltschaft auch, indem sie gleich den Mafia-Anklagepunkt der Verschwörung zur organisierten Kriminalität auffuhr?

"Wir wissen immer noch nicht, wie wir die Gesetze nutzen können, um die Probleme zu lösen, die in unseren intimsten Beziehungen explodieren", kommentierte das Online-Magazin "Slate". Und das Magazin "The Atlantic" prophezeite "verstörende Auswirkungen" des Urteils. 

Gibt es vielleicht sogar ein Combs-Comeback?

Combs, gegen den es auch noch zahlreiche Zivilklagen gibt, habe anscheinend "neun Leben", schrieb die "New York Times" - und hält sogar ein Comeback des Rappers für möglich. Der 1969 im New Yorker Stadtteil Harlem geborene Combs gehörte mit Hits wie "I'll Be Missing You" und "Bad Boy For Life" in den vergangenen Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Rappern der Welt und war auch mit eigenen Musik- und Modelabels erfolgreich. 

Ein Comeback galt eigentlich spätestens seit seiner Verhaftung als völlig ausgeschlossen. Neben Combs' Familie hatte von seinen einst vielen prominenten Freunden nur der umstrittene Rapper Kanye West im Gerichtssaal seine Unterstützung für Combs gezeigt - aber das könne sich auch wieder ändern, mutmaßte die "New York Times". "Es könnte sein, dass diese Anschuldigungen und dieser Prozess eines Tages nur ein Fleck auf seinem Lebenslauf sind."

Die Gerichtszeichnung zeigt die Reaktion des US-Rappers Sean "Diddy" Combs am 2.7., nachdem er vor dem Bundesgericht in Manhattan wegen Prostitutionsdelikten verurteilt, aber von den Vorwürfen des Sexhandels und der Erpressung freigesprochen wurde.

© Elizabeth Williams/AP/dpa

Die Gerichtszeichnung zeigt die Reaktion des US-Rappers Sean "Diddy" Combs am 2.7., nachdem er vor dem Bundesgericht in Manhattan wegen Prostitutionsdelikten verurteilt, aber von den Vorwürfen des Sexhandels und der Erpressung freigesprochen wurde.

Im Verfahren gegen den Rapper Sean Combs ist eine Entscheidung gefallen. (Archivbild)

© Elizabeth Williams/AP/dpa

Im Verfahren gegen den Rapper Sean Combs ist eine Entscheidung gefallen. (Archivbild)

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Erstellt:
3. Juli 2025, 04:38 Uhr

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