Rechtsruck

Die CDU tut sich schwer mit der AfD

Thüringens frühere Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht könnte viel berichten über den Umgang mit der AfD. Doch bei ihrem Besuch in Ostfildern fand das Thema kein Interesse.

Von 2009 bis 2014 amtierte Christine Lieberknecht als Ministerpräsidentin von Thüringen.

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Von 2009 bis 2014 amtierte Christine Lieberknecht als Ministerpräsidentin von Thüringen.

Von Reiner Ruf

Christine Lieberknecht hat das schon einmal mitgemacht. Die ersten 30 Jahre ihres Lebens verbrachte die frühere Ministerpräsidentin von Thüringen in der DDR. Dort habe sie „erlebt, wenn Menschen ihrer Regierung immer weniger vertrauen“. Die inzwischen 67-Jährige steht am Dienstagabend in der Verkaufshalle eines Autohauses in Ostfildern (Kreis Esslingen), wohin sie die örtliche CDU zusammen mit dem Evangelischen Arbeitskreis der Partei und der CDU-Arbeitnehmerschaft eingeladen hat. Deren Kreisvorsitzender Manfred Benedikter hat der Veranstaltung den Titel „Neuer Antrieb im Politikwechsel“ gegeben. Erfolge erkennt Lieberknecht, die von 2009 bis 2014 als Ministerpräsidentin in Erfurt amtierte, bei der Eindämmung der illegalen Migration.

Unter den Bürgergeldempfängern erkennt sie zu viele Arbeitsverweigerer

Wenn dies so ist wie die CDU-Politikerin sagt, hat das bisher allerdings nicht dazu geführt, die AfD einzuhegen. Stattdessen überziehen sich Konservative und Progressive mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Die Progressiven sagen, die Union führe mit einer Rhetorik der Anbiederung der AfD Wähler zu, die Konservativen schlagen zurück mit der Hypothese, eine überzogene Empörung links der Mitte spiele der AfD in die Hände. Die Debatte um die verschwiemelte „Stadtbild“-Äußerung von Kanzler Friedrich Merz ist ein Beispiel. Lieberknecht indes sagt, ein Teil der Empörten und Enttäuschten, die in steigender Zahl einer Partei nachlaufen, lasse sich für die Demokratie zurückgewinnen. Wobei noch hinzuzufügen wäre, dass die AfD unter anderem in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft ist.

Diese Arbeitshypothese hat Freunde weit über die Union hinaus. Allerdings erklärt sie nicht, weshalb eine Welle von Griesgram, Unzufriedenheit, Rassismus und autoritären Gelüsten durch ganz Europa rauscht – und auch andere Weltgegenden erfasst. Wird überall schlecht regiert? Gleichwohl trifft Lieberknecht einen Punkt, wenn sie ihren Zuhörern in Ostfildern zuruft: „Wir müssen uns zur AfD abgrenzen, aber das reicht nicht: Wir müssen handeln.“ Damit ist sie beim Thema Bürokratieabbau, dem sie nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Demokratie Relevanz zuweist: „Wenn die Regierung den Menschen misstraut, dann misstrauen die Menschen auch der Regierung.“

Sie nimmt damit die Kritik von Gastwirten, Selbstständigen, Unternehmern auf. Laut einer Studie des Münchner Wirtschaftsinstituts Ifo verliert Deutschland eine Wirtschaftsleistung von 146 Milliarden Euro. Eine Ausnahme allerdings macht Lieberknecht bei ihrem Plädoyer für mehr Vertrauen in die Menschen: Unter den Bürgergeldempfängern erkennt sie zu viele Arbeitsverweigerer. Das erfordert mehr Kontrolle oder wie Lieberknecht sagt: „mehr Anreize, eine Arbeit aufzunehmen“.

Kein Diskussionsbedarf

Bei der Bundestagswahl hatte die AfD in Ostfildern gut 15 Prozent erreicht. In der jüngsten Umfrage von Infratest dimap zur politischen Stimmung in Baden-Württemberg liegt sie landesweit bei 21 Prozent und damit auf Platz zwei hinter der CDU. Diskussionsbedarf gab es nach dem Vortrag von Lieberknecht allerdings nicht. Erst im zweiten Anlauf meldete sich eine Stimme aus einem exportorientierten Unternehmen, in dem offenkundig der Erfolg der Rechtsextremen als geschäftsschädigend wahrgenommen wird.

Größeres Interesse fand ein Impulsvortrag des Start-up-Gründers Carsten Klein aus Burgdorf bei Hannover. Er kritisierte das bräsige staatliche Förderinstrumentarium und die fehlende Bereitschaft von Investoren, Risiken einzugehen. Solche praktischen Fragen fanden mehr Interesse. Anders als in der Parteiführung scheint im CDU-Umfeld – jedenfalls galt das für diesen Abend – das AfD-Problem als nicht so gravierend wahrgenommen zu werden.

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Erstellt:
22. Oktober 2025, 14:12 Uhr

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