Die Existenz privater Museen ist bedroht

Zum Internationalen Museumstag rückt Christian Schweizer die kritische Situation des Carl-Schweizer-Museums in den Fokus. Zudem gefährde die Zwangsschließung infolge der Coronapandemie auch die touristische Infrastruktur.

Museumsleiter Christian Schweizer (links) und sein Vater Rolf Schweizer machen auf die kritische Lage privater Museen aufmerksam. Foto: E. Klaper

Museumsleiter Christian Schweizer (links) und sein Vater Rolf Schweizer machen auf die kritische Lage privater Museen aufmerksam. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. „Museen inspirieren die Zukunft“ lautet das Motto des Internationalen Museumstags 2021 am morgigen Sonntag. Doch wegen der Coronapandemie, den dadurch bedingten Kontaktbeschränkungen und langen Zwangsschließungen steht die Zukunft, ja sogar die Existenz vor allem von kleinen Privatmuseen auf dem Spiel. Dies verdeutlicht Christian Schweizer, der in der vierten Generation das private Carl-Schweizer-Museum leitet, das die Familie Schweizer 1931 gründete. „Das Schicksal der Privatmuseen scheint in den Stuttgarter Ministerien kaum jemand zu interessieren“, sagt er. So sei es unmöglich, Coronasoforthilfen zu beantragen, da „in der Landesverwaltung keine passende Lösung dafür existiert“. Denn: „Die formulierten Kriterien greifen nicht und entsprechen nicht den Realitäten der privaten Museen“, ist Schweizer frustriert. Ein Privatmuseum sei keine „Firma“, beschäftige keinen Steuerberater und berechne für sich selbst keine Miete, und Kulturgüter könne man nicht jährlich steuerlich abschreiben. Die von Land und Bund aufgelegten Förderprogramme deckten oft nur 25 Prozent einer Investition wie in EDV oder Brandschutz.

Zwar erhalte das Carl-SchweizerMuseum Fördermittel für Investitionen, so aus den regionalen EU-Förderprogrammen wie Leader, jedoch keine Landesbeihilfen. Hinzu kommen vertragliche Regelzuschüsse von der Stadt Murrhardt und kleinere Zuschüsse vom Rems-Murr-Kreis zur Unterstützung der Museumsarbeit, projektbezogen und für die Erhaltung heimatgeschichtlicher Exponate. Aber die laufenden Kosten für Energie, Reinigung, Besucherbetreuung, Werbung und anderes müsse man durch Einnahmen finanzieren, sprich Eintritts- und Führungsgelder bei möglichst hoher Besucherfrequenz.

„Wer soll noch vor Ort das Unesco-Welterbe vermitteln?“

Kleine Privatmuseen sind meist nicht als gemeinnützige Institutionen anerkannt und können keine Spendenbescheinigungen ausstellen. So falle das familiär und saisonal betriebene Carl-Schweizer-Museum völlig aus der derzeitigen Förderfähigkeit. Zudem sind kulturgeschichtliche und naturwissenschaftliche Exponate für den Staat geschützt: „Die privaten Eigentümer können und dürfen manche Sammlungsgüter nicht auf dem freien Markt verkaufen.“ Somit sei der Wert besonderer, seltener Stücke für die Existenzsicherung eines Privatmuseums verloren. Andererseits erfordere der Erhalt der Exponate und Gebäude hohe Investitionen: Kleine Privatmuseen müssten „durch Selbstausbeutung der Eigentümerfamilien“ überleben.

Die entgangenen Eintritts- und Führungsgelder könne man nicht durch andere Dienstleistungen kompensieren, da wegen der Coronakrise auch die Aufträge für die Präparationswerkstatt stark sanken, stellt Schweizer klar. Während der Zeit der Zwangsschließung erfolgten diverse Arbeiten an den Magazinbeständen und auch an der Ausstellung, die schon lange angedacht waren. Doch größere Arbeiten, die wiederum mit Ausgaben verbunden sind, habe man auf 2022 oder später verschoben.

Ob der schwierigen Situation malt der Museumsleiter ein düsteres Zukunftsbild: Sollten die kleinen Privatmuseen, und das sind viele entlang des Limes, infolge der Coronakrise schließen müssen, „wer soll dann noch vor Ort das Unesco-Welterbe vermitteln oder mit betreuen?“ Diesen Verlust könnte auch die Deutsche Limeskommission nicht auffangen. Überdies drohe die touristische Infrastruktur in der Region zusammenzubrechen. Dazu gehören örtliche Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe, Wander- und Schullandheime, Bus- und Taxiunternehmen, Naturpark- und Limesgästeführer, Anbieter von Planwagenfahrten und andere.

Sie alle „sind auf privat betriebene Sehenswürdigkeiten angewiesen“. Staatliche Unterstützung hätten die wenigsten beantragt oder erhalten. Das Problem werde sich bis weit ins Jahr 2023 ziehen, und ob jemals wieder Schulklassen und andere Gruppen Ausflüge unternehmen, sei derzeit nicht absehbar. Das bedeutet: Müssten private Museen schließen, hätte das massive Folgen für viele weitere Unternehmen und die Kommunen, wodurch viele Arbeitsplätze wegfielen, die dann nicht mehr regeneriert werden könnten.

Von der neuen Landesregierung erwartet Christian Schweizer neben finanziellen Förderprogrammen und Tourismuswerbekampagnen „eine klare Politik, zum Beispiel im Bildungsplan verpflichtend vorgeschriebene Besuche von Schulklassen in Museen, an Gedenkorten und Sehenswürdigkeiten. Die Allgemeinbildung, die kulturelle und naturorientierte Integration junger Menschen ist zu fördern, ebenso die gemeinschaftliche Auseinandersetzung mit Themen an außerschulischen Lernorten, dies gilt ebenso für die Erwachsenenbildung.“ Es sei ein Fortschritt, dass Denkmalschutz und Archäologie, Förderung der Traditionen und des heimatlichen Dialekts als Ziele in der Koalitionsvereinbarung stehen. Dies „ist aber nicht allein Aufgabe des Staates, auch das Engagement privater Kulturträger und -anbieter ist unersetzlich“. Deshalb fordert der Museumsleiter, dass baldmöglichst wieder Stadt- und Landschaftsführungen im Freien erlaubt werden. Verbunden mit einem guten Hygienekonzept könnten so die privaten Museen ihren Betrieb im Sommer wieder hochfahren.

Die Vorbereitungen für eine mögliche Öffnung laufen.

Die Streichung von Zuschüssen würde indes dem „über Jahrhunderte gewachsenen, privaten Kulturengagement den Todesstoß versetzen“. Die Familie Schweizer setze nun auf ihre treuen Besucher, die hoffentlich bald wieder Gäste sind. Denn wie Künstler „können wir ohne Publikum nicht leben. Es ist niemand damit geholfen, wenn Lebenswerke von Generationen verloren gehen!“

Darum bereitet sich das Carl-Schweizer-Museum nun auf eine mögliche Öffnung vor: Voraussetzung dafür ist, dass die 7-Tage-Inzidenz im Rems-Murr-Kreis unter 100 fällt. Dabei ist die Familie Schweizer in Bezug auf die Coronaverordnungen flexibel und bis zu einem möglichen Neustart komplett geimpft. „Ein abgestimmtes Hygienekonzept mit Maskenpflicht, Abstands- und Hygieneregeln besteht, die Zusammenarbeit mit der Stadt für Buchungen, Eintrittskarten oder spezielle Führungen ist vorbereitet. Es gibt zunehmend Testmöglichkeiten, für Murrhardt ist da einiges in Planung, um einen touristisch-kulturellen Neustart zu ermöglichen. Auch haben wir das Konzept für Veranstaltungen und Führungen überarbeitet, aber dies kann erst bei einer Inzidenz unter 50 wirtschaftlich wieder greifen.“

Indes sind die aktuellen Vorgaben für Museen laut Christian Schweizer im Carl-Schweizer-Museum nicht umsetzbar. Ein großes Problem sieht er in der Beschränkung der Besucherzahl: So darf sich nur eine Person pro 20 Quadratmeter Fläche im Gebäude aufhalten, auch könne die Familie die geforderten Tests nicht auf deren Richtigkeit überprüfen, zumal es an Wochenenden in Murrhardt keine Testmöglichkeiten gibt. Und für Einzelbesucher oder Familien wären 50 Euro Gebühr für eine (Gruppen-)Führung dann doch zu teuer. Fazit: „Die Vorgaben sind so definiert, dass ein Betrieb unseres Museums nur sehr eingeschränkt möglich ist.“

Zwar bleibe es an Pfingsten noch geschlossen, doch ist der Museumsleiter optimistisch, dass ab Anfang Juni eine Öffnung möglich ist, sofern bis dahin die 7-Tage-Inzidenz im Kreis stabil unter 100 liegt. „Wir haben vor, am 3. Juni mit einem Kultur- und Natursommertag zu starten, in Kooperation mit der Villa Franck und der örtlichen Gastronomie in der Innenstadt. Dazu werden wir unsere Öffnungszeiten erweitern, auch ist ein Auftritt der Stuttgarter Saloniker vorgesehen.“

Genauere Informationen zu den geplanten Öffnungszeiten, Veranstaltungen und Führungen erfolgen kurzfristig über die Murrhardter Zeitung, die Internetseite www.carl-schweizer-museum.de sowie die sozialen Medien.

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Erstellt:
15. Mai 2021, 06:00 Uhr

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