IG-Metall-Chefin bei Caren Miosga

„Die Leute nicht als faul beschimpfen!“

Die Gewerkschafterin Christiane Benner punktet im ARD-Talk gegen CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Es geht um die Arbeitsmoral im Lande.

IG-Metall-Chefin Christiane Benner bei Caren Miosga

© IMAGO/HMB-Media

IG-Metall-Chefin Christiane Benner bei Caren Miosga

Von Christoph Link

Auf der Klaviatur der Medien spielt CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann ziemlich gut. Wie er sich bei Caren Miosga am Sonntagabend in der ARD emotional als Fußballfan outete und den verpatzten Aufstieg vom FC Paderborn bedauerte, wie er seine Enttäuschung über die Nichtberufung zum Arbeitsminister schilderte – „Das hat mich einen Moment getroffen, das war mein Lebenstraum“ – das klang schon recht authentisch.

Auch das Eingeständnis über die mangelnde Repräsentanz von Frauen in der Union, der Regierung und im Koalitionsausschuss – in dem sitzt Saskia Esken als einzige Frau – war immerhin wacker: „Da müssen wir besser werden.“ Und im übrigen brauche man demnächst eine Bundespräsidentin.

„Müssen wir mehr arbeiten?“

Doch bei der Leitfrage der Sendung – „Müssen wir für unseren Wohlstand mehr arbeiten?“ – geriet Linnemann heftig in die Defensive. Grundlage für die Debatte waren Äußerungen von Kanzler Friedrich Merz (CDU), die Deutschen müssten „mehr und effizienter arbeiten“ sowie dessen Aburteilung einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich sowie dem angeblichen Fokus der Bevölkerung auf die Work-Life-Balance.

Auch die Analyse des Ökonomen Moritz Schularick passte in das Bild der Union: Danach wiesen die Polen beispielsweise 30 Prozent mehr Arbeitsstunden pro Woche als die Deutschen auf – würde man die Arbeitsstunden bei uns um diesen Satz anheben, hätte man eine Steigerung der volkswirtschaftlichen Leistung und der Steuereinnahmen um 30 Prozent. „Es wird so getan, als ob das Geld von oben regnet.

Eine Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich – wie es einige Gewerkschaften fordern – funktioniert nicht“, meinte Linnemann. Eingeblendet wurden dann Videos von drei erwerbstätigen Frauen, die aus verschiedenen Gründen schon am Limit arbeiten. Eine davon – eine Krankenpflegerin- sagte, sie schiebe jetzt schon 49 Überstunden und so eine „Sprechweise“ wie die von Merz löse eine „große Wut“ in ihr aus, denn sie könne gar nicht mehr arbeiten.

Schimpfen erhöht den Frust

Der einzige Konsens in der Runde – dass zu viele Mütter wegen mangelnder Kita-Plätze nicht arbeiten können und somit die Teilzeitbeschäftigung von Frauen bei 50 Prozent liegt – ist dann durch einen Frontalangriff der IG-Metall-Vorsitzenden Christiane Benner auf Linnemann und die Union überschattet worden: In Deutschland gebe es derzeit eine Milliarde Überstunden und die Hälfte davon sei unbezahlt, da sei es ein Hohn, den Leuten mangelnde Leistungsbereitschaft zu unterstellen, so Benner. „Es geht nicht an, die Leute als faul zu beschimpfen. Wenn ich Menschen beschimpfe und beleidige, erhöhe ich nur den Frust.“ Gebe man den Menschen hingegen Respekt, erhöhe das auch die Zuversicht.

Derzeit fordere zudem keine einzige Gewerkschaft die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Es sei aber so, dass zum Beispiel Handwerksbetriebe bei vollem Lohn die Vier-Tage-Woche anböten, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Und weil Aufträge in der Industrie weggebrochen seien, habe ein Konzern wie ZF Friedrichshafen jetzt die 31,5-Stunden-Woche eingeführt, obwohl die Belegschaft gerne länger arbeiten würde.

Benner erhielt für ihre Bemerkungen Beifall der Studiogäste, und sie merkte an, dass viele jungen Leute gar nicht auf ihre Work-Life-Balance achteten, denen sei die Sinnhaftigkeit ihrer Arbeit wichtiger, beispielsweise ob sie nun dem Klimaschutz diene oder nicht. Im übrigen sollte die Politik einmal ihr Augenmerk auf die drei Millionen Menschen unter 35 Jahren lenken, die ohne jegliche Berufsausbildung ins Erwerbsleben gingen. Und wenn die neue Bundesregierung rasch die Körperschaftssteuer für die Unternehmen senke, dann möge sie bitte auch „Signale“ an die breite Bevölkerung senden für eine zügige Umsetzung der versprochenen Steuerentlastung bei kleinen und mittleren Einkommen.

Moderatorin Miosga schlug sich nach diesem Vortrag etwas auf die Seite der Arbeitnehmervertreterin mit der Bemerkung an Linnemann, der haue da „eine Provokation raus“, worauf der ein Missverständnis konstatierte. Es gehe doch wirklich nicht um „die Fleißigen“ im Lande, sondern um die Zehntausenden, die den sozialen Staat ausnutzten, die also Bürgergeld bezögen, dann einen Zuverdienst von 100 Euro abzugsfrei erzielten und dann noch schwarz arbeiteten. Darüber gebe es ein großes Ungerechtigkeitsgefühl im Land. „Sie vermengen also die Diskussion ums Bürgergeld mit der Debatte um die Arbeitsmoral“, meinte Miosga daraufhin.

Punkten mit ehrlichem Eingeständnis

Halbwegs einhellig verlief das Ende der Sendung, als es um die dringende Reform der Sozialversicherungen – Rente, Krankenkasse, Pflege – ging. Dass ein Drittel aller Steuereinnahmen für diverse Zuschüsse an die gesetzliche Rentenversicherung gehe, dass zeige doch, wie wenig zukunftsorientiert unser Land sei, meinte der Ökonom Schularick. „Wir haben da ein Problem bei der Ausgabenseite. Aber da will keiner ran.“ Was die Reform der Sozialversicherungen anbelangte, punktete Linnemann am Ende minimal mit einem ehrlichen Eingeständnis: „Da haben wir noch nicht geliefert. Das ist die Wahrheit.“

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Erstellt:
26. Mai 2025, 06:40 Uhr

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