Die sich vom Wind verwandeln lässt

Förster Jörg Brucklacher porträtiert im Rahmen der Volkshochschulreihe „Baumbegegnungen“ einzelne Arten. Diesmal stellt er die drei in der Region vorkommenden Schwarz-, Zitter- und Silberpappeln, deren Eigenschaften sowie wirtschaftliche und kulturgeschichtliche Bedeutung vor.

Viele der geradwüchsigen Pappeln in der Umgebung, die sich entlang von Straßen und Gewässern finden, sind mit nordamerikanischen Sorten gekreuzte und aus Stecklingen gewonnene Hybriden, erläutert Jörg Brucklacher. Das Foto zeigt eine seiner Aufnahmen dieser Bäume am Dentelbach. Foto: Jörg Brucklacher

Viele der geradwüchsigen Pappeln in der Umgebung, die sich entlang von Straßen und Gewässern finden, sind mit nordamerikanischen Sorten gekreuzte und aus Stecklingen gewonnene Hybriden, erläutert Jörg Brucklacher. Das Foto zeigt eine seiner Aufnahmen dieser Bäume am Dentelbach. Foto: Jörg Brucklacher

Von Elisabeth Klaper

Murrhardt. Die vielseitig-informativen „Baumbegegnungen“ mit Förster Jörg Brucklacher an der Murrhardter Volkshochschule locken stets zahlreiche Interessierte an, so auch sein Vortrag über die Pappel, deren Charakteristiken und wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung. „Es geht mir darum, das Wesen einer Baumart zu erfassen und Bäume als Lebewesen mit Respekt zu beurteilen“, verdeutlichte der Referent im Casino der Kreissparkasse. Der Name Pappel ist abgeleitet vom lateinischen Wort populus für Volk, vermutlich weil sich die Blätter wie das Volk im Zustand fortwährender Bewegung befinden, möglicherweise aber auch wegen der klebrigen, „pappigen“ Knospen, die die Renaissancebotaniker Hieronymus Bock und Leonhard Fuchs als Heilpflanzen in Kräuterbüchern beschrieben. In Deutschland kommen drei Arten wild vor: die Schwarzpappel, die Zitterpappel und die Silberpappel, wobei es nur rein männliche und weibliche Bäume gibt.

Die Pappel als Zuhause für Insekten

Bewohner sind Pappelbockkäfer, Weidenbohrer-Schmetterlinge und Pappelblattwickler. Zudem bilden die Bäume Lebensräume für viele Kleintiere und wertvolles Totholz für Insekten. Von der Schwarzpappel mit dreieckigen Blättern und stark strukturierten Borken existieren nur noch etwa 55000 Bäume. Denn wegen Flussbegradigungen gibt es kaum mehr Flussauen mit Kiesbänken als natürliche Standorte, zudem wirkt sich der Klimawandel mit Verschiebung der Hochwasserperiode ungünstig auf die kurze Keimzeit der Samen aus.

Zitterpappeln oder Espen, deren rundliche Blätter beim kleinsten Windhauch „wie Espenlaub“ zittern, sprich wedeln, sind Pionierbäume. Sie wachsen schnell auf freien Flächen im Wald oder auf Schutthalden, auch in Trümmerstädten nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Silberpappeln stehen oft in Parks, die jungen Triebe und Blattunterseiten sind weiß und flaumig: Je nach Windrichtung sehen diese Bäume mal dunkelgrün, mal silbern aus, wie einer im Garten eines Berliner Frauengefängnisses, wo er die dort einsitzende Politikerin Rosa Luxemburg erfreute.

Die häufigen, meist in Reihung entlang von Straßen und Gewässern oder in Plantagen stehenden geradewüchsigen Pappeln sind laut Brucklacher mit nordamerikanischen Sorten gekreuzte und aus Stecklingen gewonnene Hybriden, die große Zellstoffmengen produzieren. Oder Pyramidenpappeln, mutierte Schwarzpappeln aus Norditalien, die Zypressen ähneln und die vermutlich Napoleon an Heerstraßen pflanzen ließ. Im zeitigen Frühjahr verbreiten die Pappeln ihre Millionen von Samen durch den Wind aus ihren pelzigen Kätzchen. Die „Pappelwolle“ der Samenfasern wird heute teils zu Füllmaterial für Bettdecken verarbeitet, doch große Mengen des entzündlichen, aufwirbelnden „Pappelschnees“ gefährden den Verkehr. Häufig kommen Astabbrüche und Kernfäule wegen des weichen Holzes vor, weshalb Pappeln an Straßen wegen der Verkehrssicherungspflicht oft gefällt werden müssen.

„Mona Lisa“ entsteht auf Pappelbrett

Pappelholz ist vielseitig verwendbar, so für Bildhauerei, Möbel, Industrieholz, Streichhölzer, Backtröge, Holzschuhe und Trippen, die im Mittelalter die Schuhe vor dem „Straßenkot“ schützten. Leonardo da Vinci malte seine „Mona Lisa“ auf ein Pappelbrett. Wegen des höchsten Zellstoffgehalts aller heimischen Hölzer ist Pappelholz wichtiger Rohstoff zur Herstellung von Zellulose, Papier und Viskose. In der Volksmedizin stellte man aus dem wohlriechenden, klebrigen Knospenharz Salben für Haut und Haare her, auch sollen Pappelknospen Beschwerden verschiedenster Art lindern.

Eine symbolische Rolle spielte die Pappel in der Geschichte: Während der Französischen Revolution 1789 zogen die sogenannten Pariser Fischweiber mit Pappelzweigen als Zeichen der Volksmacht zum Königspalast. Unter einer einsamen „Volkspappel“ im Norden Berlins fand Ende März 1848 die erste Revolutionsmassendemonstration mit etwa 10000 Arbeitern statt. Um die Jahrhundertwende nahm Kaiser Wilhelm II. unter einer einzelnen „Paradepappel“ auf dem damaligen Exerzierplatz Tempelhofer Feld die Paraden von Garden und Truppen ab.

Abschließend ging Jörg Brucklacher auf den Baum als beliebtes Motiv in Landschaftsgemälden ein, so von Vincent van Gogh, Claude Monet oder Paul Cézanne, ebenso in der Dichtung. Athleten der Antike bekränzten sich vor Wettkämpfen mit Pappelzweigen, die enorme Kräfte symbolisierten, beispielsweise der Held Herkules, als er den gefährlichen Höllenhund Cerberus endlich gefangen hatte. In Ovids Metamorphosen verwandelte sich die von Hades verfolgte Nymphe Leuke in eine Pappel. Nach alten Legenden zittert die Pappel, weil das Kreuz Jesu Christi aus ihrem Holz war und sie sich als einziger Baum nicht vor der Gottesmutter Maria verneigte. Zudem schufen zahlreiche Poeten von Friedrich von Schiller über Christian Morgenstern bis Rose Ausländer zauberhafte Gedichte über die Pappel.

Am morgigen Donnerstag spricht Jörg Brucklacher über die Erle

Vortragsreihe Bei Förster Jörg Brucklacher steht am morgigen Donnerstag, 23. Februar, um 19 Uhr im Kreissparkassen-Casino der nächste Vortrag der Volkshochschulreihe auf dem Programm. Diesmal steht die Erle im Mittelpunkt: „Die Raue Else ist ein wildes Weib und steckt in der Erle, die Erle wiederum steckt im Sumpf oder an Bächen und ist nicht ganz geheuer“, schreibt die VHS in der Ankündigung. „Heißt sie nun Roterle oder Schwarzerle? Das kann man halten, wie man will, denn beide Farben haben ihre Berechtigung. Nachts im Sumpfland allerdings sind alle Bäume grau, die Grauerle ist dann aber noch mal was anderes.“ Jörg Brucklacher geht auf die Forst- und Kulturgeschichte der heimischen Gehölze ein und hält auch wieder lyrische Texte und Bilder bereit. Der Kostenbeitrag liegt bei acht Euro. Anmeldungen nimmt die Volkshochschule Murrhardt persönlich, via Internet unter www.vhs-murrhardt.de oder per E-Mail an info@vhs-murrhardt.de entgegen. Weitere Infos beim VHS-Team unter der Telefonnummer 07192/9358-0.

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Erstellt:
22. Februar 2023, 06:00 Uhr

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