Treffen im Kanzleramt
Die Stahlindustrie hofft auf großzügige Staatshilfe
Die deutsche Stahlindustrie leidet unter hohen Strompreisen und billiger Konkurrenz aus China. Kanzler Merz lädt zum Gipfeltreffen, um die bedrängte Branche zu unterstützen.
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Ein Mitarbeiter der Salzgitter AG steht – gut geschützt – vor einem Hochofen.
Von Rainer Pörtner
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat für diesen Donnerstag zu einem „Stahlgipfel“ eingeladen. Im Kanzleramt wollen Mitglieder der Bundesregierung mit Industrievertretern und Regierungschefs aus besonders betroffenen Bundesländern beraten, wie sich in Deutschland eine konkurrenzfähige Stahlbranche erhalten lässt. Diese ist akut gefährdet.
Was ist das Problem der deutschen Stahlindustrie?
Sie hat mit vielen Schwierigkeiten gleichzeitig zu kämpfen. Ein Kernproblem ist der Strompreis, der deutlich höher liegt als in anderen Ländern. Die Umstellung der sehr energieintensiven Stahlproduktion auf grüne Energie ist zudem langwierig und verursacht hohe Kosten. Zusammen macht das deutschen Stahl vergleichsweise teuer. Die heimischen Stahlwerke leiden außerdem unter der billigen Konkurrenz aus China und hohe Zölle auf eigene Exporte in die USA. Schließlich hat die Nachfrage durch wichtige Kunden, vor allem aus der Automobilbranche, deutlich nachgelassen.
Wie will die Regierung die Belastung durch hohe Strompreise senken?
Kurz vor dem Treffen in Berlin hat Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) angekündigt, dass zum 1. Januar 2026 ein sogenannter Industriestrompreis eingeführt werden soll, von dem gerade auch die Stahlindustrie profitieren würde. Die Grundidee: energieintensive Unternehmen dürfen Strom zu einem mit Staatsgeld nach unten gedrückten Preis deutlich unter dem Marktpreis kaufen.
Wie genau der Industriestrompreis gestaltet werden soll, ist noch unklar. In einem früheren Papier des Wirtschaftsministeriums war von 5 Cent pro Kilowattstunde die Rede. Nach Angaben des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft von Anfang Oktober liegt der durchschnittliche Strompreis bei Neuabschlüssen für kleine und mittlere Industriebetriebe derzeit bei bis zu 18 Cent pro Kilowattstunde, Firmen mit einem höheren Verbrauch zahlen etwas weniger. Die Subventionen dürften den Staat einige Milliarden Euro kosten.
Zusätzlich will Reiche die sogenannte Strompreiskompensation über das Jahr 2030 hinaus verlängern. Hierdurch werden insbesondere stromintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, indirekt von den Kosten des CO2-Emissionshandels entlastet, die bei der Stromproduktion anfallen. Die Wirtschaftsministerin plädiert auch dafür, der Stahlindustrie bei den Netzentgelten entgegen zu kommen – also bei den Gebühren für die Nutzung der Stromleitungen.
Sind das zulässiger Subventionen?
Es geht unbestreitbar um die Begünstigungen von Unternehmen mit Hilfe von Staatsgeldern. Die EU-Kommission prüft noch, inwieweit zum Beispiel der Industriestrompreis mit dem europäischen Beihilferecht vereinbar ist. Im Grundsatz hat Brüssel schon grünes Licht gegeben, aber über Details wird noch verhandelt. Es könnte unter anderem darauf hinauslaufen, dass der Preisnachlass nur für einen Teil der Firmeneinkäufe gewährt wird und dass er nur maximal drei Jahre gewährt wird. Die Stahlunternehmen würden also ein bisschen Luft gewinnen, aber nur für eine knapp bemessene Zeit.
Was sagen Unternehmer und Gewerkschaften dazu?
Der Bundesverband der Industrie fordert seit längerem einen für sie reduzierten Strompreis. „Für besonders energieintensive Industrien ist jede schnelle Entlastung von den hohen Stromkosten essenziell, um kurzfristig international wettbewerbsfähig zu bleiben“, erklärt der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Auch die IG Metall begrüßt die baldige Einführung des Industriestroms. Dieser dürfe aber kein „Blankoscheck“ sein, sagt IG-Metall-Vize Jürgen Kerner, sondern müsse an Beschäftigungssicherung, Tarifbindung und Zukunftsinvestitionen gekoppelt werden.
Wie soll auf die Billigangebote aus China reagiert werden?
Chinesische Konkurrenten bieten teilweise Stahl zu fünfzig Prozent unter dem Marktpreis an. Die EU-Kommission hatte Anfang Oktober Schutzmaßnahmen für die europäische Stahlindustrie angekündigt. Demnach soll die Menge für zollfreie Importe nahezu halbiert werden. Außerdem soll der Zollsatz für Importe, die darüber hinausgehen, auf 50 Prozent verdoppelt werden. Einer Neuregelung müssen die EU-Staaten zustimmen.
Schienen aus „grünem“ Stahl
BahnDie Deutsche Bahn will erstmals in ihrem Schienennetz klimafreundlich erzeugten Stahl verbauen. Der Konzern hat in einem Pilotprojekt einen Liefervertrag für rund 1 000 Tonnen Schienen aus „grünem“ Stahl mit dem Hersteller Saarstahl abgeschlossen. Die erste Lieferung umfasse Schienen, die in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland verbaut werden, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung.
EmissionenDer „grüne“ Stahl von Saarstahl Rail, einer Tochtergesellschaft des saarländischen Konzerns, wird im französischen Werk Saarstahl Ascoval hergestellt. Das Werk produziert Stahl nicht herkömmlich in Hochöfen unter dem Einsatz von Eisenerz und Kohle, sondern verwendet den Angaben zufolge eine spezielle Technologie, um aus Altschienen und Schrott neuen Stahl zu produzieren (Elektrolichtbogenofen). Im Vergleich zu Schienen, die über traditionelle Hochöfen hergestellt werden, fielen damit bis zu 70 Prozent weniger Treibhausgas-Emissionen an. dpa
