Wehrpflicht
Doppeltes Losverfahren vom Tisch?
Einigung auf den neuen Wehrdienst: Alle Männer ab 18 werden begutachtet, ein Losverfahren soll nur als letztes Mittel kommen. Vor der Musterung wird nicht gelost.
© Michael Kappeler/dpa
Greenpeace-Protest gegen die Wehrpflicht.
Von Michael Maier
In der Debatte um das neue Wehrdienstgesetz gibt es eine Einigung zwischen den Fraktionen von Union und SPD. Die lange umstrittene Frage, wie künftig junge Männer für den Wehrdienst ausgewählt werden sollen, scheint nun gelöst. Und das vielfach kritisierte doppelte Losverfahren wird nicht kommen.
Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Thomas Röwekamp (CDU), erklärte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass die Union nicht mehr auf einem Losverfahren bei der Auswahl junger Männer für eine Musterung besteht.
„Wir haben ein Losverfahren – oder wir sagen Zufallsverfahren – vorgeschlagen. Andere sprechen sich für den Weg über Tauglichkeit oder Befähigung aus“, räumt Röwekamp ein, dass sich die Union nicht durchsetzen konnte beziehungsweise falsch lag.
Musterung für 18-jährige Männer
Nach der zwischen Union und SPD erzielten grundsätzlichen Einigung ist eine flächendeckende Musterung aller Männer ab 18 Jahren vorgesehen, also voraussichtlich ab dem Jahrgang 2008. Erst wenn die Zahl der Freiwilligen nicht ausreichen sollte, kann der Bundestag über eine sogenannte „Bedarfswehrpflicht“ entscheiden.
Dabei könnte auch ein Zufallsverfahren zur Anwendung kommen - aber nur als „ultima ratio“, wenn alle anderen Maßnahmen nicht ausreichen. Damit gibt es historisch schlechte Erfahrungen, namentlich eine unbeliebte, da potenziell tödliche „Vietnam-Lotterie“ in den USA in den 60er Jahren.
Die Einführung wird schrittweise erfolgen: Ab dem kommenden Jahr sollen zunächst alle 18-jährigen Männer einen Fragebogen zu Motivation und Eignung erhalten, dessen Beantwortung verpflichtend ist. Junge Frauen können das an den ganzen Jahrgang versandte Papier auch in die Tonne werfen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes beginnt dann die verpflichtende Musterung für Männer, die ab dem 1. Januar 2008 geboren wurden.
Wehrdienst: 2600 Euro Sold und Führerschein für Freiwillige
Für jene, die freiwillig dienen, sieht das Gesetz einen Sold von rund 2600 Euro brutto monatlich vor. Ab einer Verpflichtungsdauer von einem Jahr wird außerdem ein Führerscheinzuschuss für Pkw und Lkw gewährt. Eine Änderung zum ursprünglichen Plan betrifft den Status der Soldaten: Der freiwillige Wehrdienst als besonderes staatsbürgerliches Engagement bleibt erhalten. Ab zwölf Monaten Verpflichtungsdauer wird der Status Soldat auf Zeit (SAZ 1) eingeführt.
Die Bundeswehr soll aufgrund der veränderten Sicherheitslage in Europa um etwa 80.000 auf insgesamt 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten wachsen. Zusätzlich sind 200.000 Reservisten geplant, deren Zahl vor allem durch den neuen Wehrdienst erhöht werden soll.
Wehrpflicht seit 2011 ausgesetzt
Die Wehrpflicht war 2011 ausgesetzt worden, ist aber weiterhin im Grundgesetz verankert und kann mit einfacher Mehrheit im Bundestag wieder eingeführt werden. Nach den Plänen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) soll das neue Wehrdienstgesetz bereits Anfang 2026 in Kraft treten.
„Deutschland sucht die Supersoldaten“
Nicht alle nehmen die Diskussion um das Auswahlverfahren ernst. In einer satirischen Glosse der Celler Zeitung wird augenzwinkernd vorgeschlagen, statt eines Losverfahrens lieber auf ein TV-Show-Format wie „Deutschland sucht die Supersoldaten“ zu setzen. Dort könnten die Bewerber „bei diversen praxisnahen Spielen und Übungen ihr Können zeigen, zum Beispiel Paintball, Wettrobben im Schlamm, Orientierungslauf (ohne GPS und Google Maps!), Panzerquartett oder Bierpong.“ Eine Jury aus ehemaligen Verteidigungsministern würde dann über die Eignung entscheiden.
Ein Drittel der Tauglichen im Wehrdienst?
Spaß beiseite: Vor dem für Donnerstag geplanten Koalitionsausschuss sah Thomas Röwekamp noch „mehrere ungelöste Fragen“, die aber seiner Einschätzung gelöst werden könnten. Ein wichtiger Punkt ist dabei der verbindliche Plan für den Aufwuchs der aktiven Truppe.
„Die Annahme ist dabei, dass ein Drittel der Wehrdienstleistenden zu einer Weiterverpflichtung bereit ist“, erklärte Röwekamp. Was damit genau gemeint ist, bleibt jedoch nebulös. Ist die Union einfach aus Prinzip gegen eine reine Freiwilligkeit, obwohl es genug Bewerber geben könnte?
Das Gesetz über einen neuen Wehrdienst war nach langem Streit in der Koalition Mitte Oktober zunächst in der vom Kabinett beschlossenen Fassung in den Bundestag eingebracht worden. Diese wurde von der Opposition allerdings als „Schwachsinn“ bezeichnet, und in der Koalition konnte man sich nicht so recht einigen. Über 80 Prozent der Deutschen haben sich laut Umfragen inzwischen gegen ein Losverfahren ausgesprochen.
