Rettungswachen in Baden-Württemberg
DRK: Land mit 70 Millionen Euro im Rückstand
Für den Rettungsdienst im Land gelten neue Vorgaben. Um die zu erfüllen, braucht es neue Wachen. Doch das Land kommt bei der Finanzierung schon jetzt nicht hinterher.

© Lichtgut/Julian Rettig
Die Retter sind im Dauerstress – und werden in Zukunft wohl noch mehr Wachen, Wagen und Mitarbeiter brauchen.
Von Jürgen Bock
Es geht um nicht weniger als die medizinische Versorgung der Bevölkerung im Notfall. Wie schnell müssen Notarzt oder Rettungswagen am Einsatzort sein? Über diese Frage ist in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren viel diskutiert worden. Ergebnis: Im umstrittenen neuen Rettungsdienstgesetz wird eine sogenannte Hilfsfrist von zwölf Minuten festgelegt. Bisher mussten Rettungswagen und Notärzte binnen zehn, höchstens 15 Minuten am Einsatzort sein. Weil immer mit den 15 Minuten gerechnet wurde, muss es künftig schneller gehen. Dafür braucht es mehr Personal, Fahrzeuge und zusätzliche Rettungswachen.
Über deren Finanzierung macht man sich bei den beiden Landesverbänden des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) große Sorgen. „Um die neuen Regelungen des Gesetzes umsetzen zu können, ist eine ausreichende Infrastruktur unerlässlich“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme. Dazu gehöre „zwingend eine sichere Finanzierung des Baus neuer Rettungswachen“.
Geld ist nur in der Theorie vorhanden
Nun ist die gesetzlich eigentlich klar geregelt. Das Land trägt im Normalfall 90 Prozent der Baukosten – eine Quote, die bei den Rettungsorganisationen immer wieder Kritik aufwirft, denn sie müssen einen Teil der hoheitlichen Aufgabe des Rettungsdiensts mit Eigenmitteln finanzieren. Doch laut DRK hilft das Gesetz da in der Praxis ohnehin nicht viel weiter. „Das Land fördert zwar mit 90 Prozent, die Mittel müssen aber auch im Haushalt sein“, sagt Hanno Hurth, Präsident des Badischen Roten Kreuzes. Das sei jedoch bereits jetzt, noch ohne den zu erwartenden Ausbau, nicht der Fall.
Derzeit besteht laut DRK landesweit ein Förderstau bei Rettungswachen in Höhe von über 70 Millionen Euro. Im vergangenen Jahr sei der Bau von nur sieben Wachen gefördert worden, 23 Anträge habe das Land zurückgestellt. „Wir müssen diesen Antragsstau abbauen“, fordert Hurth. Beim DRK denkt man an einen Bedarf von jährlich rund 100 Millionen Euro für die nächsten Jahre, danach könnte sich die Summe verringern.
Beim zuständigen Innenministerium will man die genannten Zahlen nicht kommentieren. Dort heißt es: „Das Land fördert die investiven Maßnahmen des Rettungsdienstes mit den verfügbaren Haushaltsmitteln.“ Eine Sprecherin räumt jedoch ein: „ Dabei stehen wir auch bei der Aufstellung des diesjährigen Jahresförderprogrammes erneut vor der Herausforderung, mit den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln die Förderbedarfe der Antragssteller bestmöglich zu berücksichtigen.“ Es fehlt demnach am Geld.
Schlechte Aussichten also für den nötigen Ausbau der Infrastruktur im Land. Aber wie groß wird der Bedarf zukünftig eigentlich sein? Diese Frage ist immer noch nicht geklärt. Frühere Gerüchte, die allein von rund 150 zusätzlichen Rettungswagen ausgingen, hat das Land stets zurückgewiesen. Bis zum Jahresende, heißt es im Innenministerium, solle die auf dem neuen Rettungsdienstgesetz aufbauende Rettungsdienstplanverordnung, die die Details regelt, stehen. „Im Anschluss daran wird der Landesausschuss für den Rettungsdienst eine landesweite Begutachtung veranlassen“, sagt die Sprecherin.
Bisher keine Zahlen
Bis diese Begutachtung vorliegt, bleiben die künftigen Zahlen Spekulation. „Erst das Ergebnis dieses landesweiten Strukturgutachtens wird eine belastbare und seriöse Bezifferung der künftigen Vorhaltungen ermöglichen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind keine zuverlässigen Aussagen in Bezug auf die Auswirkungen möglich“, heißt es im Ministerium. Die Retter dürften das Ergebnis angesichts des bereits jetzt vorherrschenden Investitionsstaus mit großem Interesse erwarten.