Durchstarten mit neuer Abteilung fällt aus

Das Carl-Schweizer-Museum Murrhardt muss wegen des Teil-Lockdowns wie andere Kultureinrichtungen schließen. Christian Schweizer hätte sich differenziertere Regelungen gewünscht. Auch Murrhardter Gastronomen treffen die Beschlüsse hart.

Eigentlich hatte das Carl-Schweizer-Museum in Murrhardt geplant, nun den Schwung durch die Neueröffnung der stadtgeschichtlichen Abteilung mitzunehmen, und wollte dazu auch das erste Mal Gäste die Winterpause über empfangen. Christian Schweizer bedauert sehr, dass dies nun mit dem auf Bundesebene beschlossenen Teil-Lockdown nicht möglich ist. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Eigentlich hatte das Carl-Schweizer-Museum in Murrhardt geplant, nun den Schwung durch die Neueröffnung der stadtgeschichtlichen Abteilung mitzunehmen, und wollte dazu auch das erste Mal Gäste die Winterpause über empfangen. Christian Schweizer bedauert sehr, dass dies nun mit dem auf Bundesebene beschlossenen Teil-Lockdown nicht möglich ist. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. „Eigentlich wollten wir jetzt vor allem mit unserer neuen Abteilung des Museums und gemeinsam mit anderen Partnern in der Stadt durchstarten“, sagt Christian Schweizer. Dabei denkt der Leiter des Carl-Schweizer-Museums an weitere Einrichtungen mit touristischen Angeboten in Murrhardt wie Naturparkzentrum, Kunstsammlung und Gastronomen bis hin zum Einzelhandel, die sich seiner Ansicht nach gegenseitig unterstützen sollten, wenn es um den lokalen Tourismus geht. In dieser Sache hatte er auch im Stadtmarketingverein jüngst Vorschläge für Aktionen gemacht (wir berichteten). Mit dem Teil-Lockdown sind diese allerdings mindestens für den November passé, und das Museum wird voraussichtlich bis Anfang April schließen. Christian Schweizer nimmt wahr, dass die Menschen sich wieder stärker zurückziehen. In den Herbstferien sei noch eine gewisse Besucherdynamik zu verzeichnen gewesen. Bei kühlerem, teils regnerischem Wetter suchten Familien ja auch nach einer Möglichkeit, etwas zu unternehmen. „Wenn eine Großmutter mit ihrem Enkel gerne ins Museum kommen wollte, haben wir das auch außerhalb der Öffnungszeiten möglich gemacht, wenn es irgendwie ging“, sagt Schweizer. Dieses Angebot fiele jetzt für die Menschen vor Ort weg.

Der Juniorchef tut sich mit den am Mittwoch erlassenen Regelungen schwer, er hätte sich ein differenzierteres Vorgehen gewünscht. Von einem Besuch im Museum mit entsprechendem Hygienekonzept geht für ihn keine Gefahr aus, zumal Abstand gehalten und nichts angefasst werde.

Als privates Museum hat die Familie zumindest den Vorteil, keine Miete zahlen zu müssen.

Was heißt die Schließung für die Familie? Mit gewissen Einbußen im November rechnet er schon, da er aber den Vorteil hat, im eigenen Haus zu sein, muss auch keine Mietzahlung erfolgen. Den Schaden sieht er vor allem auch auf einer qualitativen Ebene für besagtes Murrhardter Netzwerk aus Einzelhandel, Gastronomen und kulturellen Einrichtungen. Da das Carl-Schweizer-Museum das erste Mal mit aus diesem Grund über den Winter den Betrieb weiterführen wollte, kann es aber auch keine Soforthilfe beantragen, erläutert er. „Und wir wollten natürlich den Schwung durch die neu eröffnete Abteilung mitnehmen.“

Zwar fühlt er sich von der Stadt Murrhardt und dem Rems-Murr-Kreis unterstützt, vor allem durch die jährlichen Zuschüsse für das private Haus, ebenso auf die Landtagsabgeordneten lässt er nichts kommen. Aber auf Bundesebene, auch von Abgeordnetenseite, vermisst er Präsenz und Interesse an der Lage vor Ort, genauso wie stärkere Differenzierung und erklärendes Engagement. „Die Verfügungen sind zu pauschal und auch zu schlecht kommuniziert.“ Beispielsweise müsse man auf Ebene der sozialen Medien intensiv zu Corona informieren, auch in verschiedenen Sprachen, um möglichst alle mitzunehmen. Eine Grundschwierigkeit sieht er in der mangelnden, schwindenden Identifikation mit der Gesellschaft als Solidargemeinschaft, die schon vor der Coronapandemie begonnen habe und entsprechende Probleme mit sich bringe. „Im Katastrophenfall muss man zusammenhalten“, sagt er und dies bedeute neben der Einforderung von Rechten auch gegenüber dem anderen Pflichten zu erfüllen. Beim Ziel, sich für diesen Zusammenhalt weiter einzusetzen, kommt dem Museum für ihn mit Blick auf die Vermittlung von Geschichte, Anstößen zu kritischen Diskussionen und Auseinandersetzung mit schwierigen, komplexen Themen eine wichtige Rolle zu. Apropos Solidarität: Er weiß, dass es beispielsweise für die Gastronomie in Murrhardt richtig eng werden könnte. Insofern appelliert er an die Vermieter, ihren Mietern entgegenzukommen. Wenn die aufgrund der vollen Miete möglicherweise schließen müssten, könnte es auch in Zukunft schwierig werden, einen Nachfolger zu finden.

Eine kurze, stichprobenartige Umfrage bei Gastronomen in der Murrhardter Innenstadt zeigt, wie einschneidend die Situation durch den Teil-Lockdown wahrgenommen wird. Aki Chamoulias, der das Restaurant Atrium im Murrhardter Ärztehaus betreibt, gibt zu, dass ihm fast schon zum Heulen zumute ist. „Die Lage wird jetzt wirklich bedrohlich“, sagt er. Eigentlich habe man sich gerade mühsam wieder ein kleines Stück Boden unter den Füßen zurückerobert – mit dem Sommer, gutem Wetter und der Möglichkeit, die Gäste vor allem auch draußen zu bewirten. Doch die herbstlich kühlere Witterung mit teils Regen bedeute nun, in die Räumlichkeiten zurückkehren zu müssen. Hinzu komme die nicht immer ganz einfache Situation, dass das Einfordern der Hygieneregeln und Kontaktdaten manchen Gästen sauer aufstößt. Mit den steigenden Infektionszahlen seien die Gastzahlen wieder gesunken. „Und jetzt der Schlag, dass wir mindestens vier Wochen schließen müssen“, sagt Aki Chamoulias. „Die Situation geht auch an den Menschen nicht spurlos vorbei.“ Der Wirt nimmt bei seinen Gästen wahr, dass sie teils psychisch auf die Krise reagieren, manche mit Traurigkeit, andere mit Wut. Das Problem für sein Restaurant sei, dass der Verdienst auch schon vor Corona gerade so gereicht hat und es keinen Spielraum für Rücklagen gab. Insofern muss er hoffen, die Situation durchzustehen, und will nun austüfteln, was er noch anbieten kann. „Wir werden auf jeden Fall Essen zum Abholen haben, wünschenswert wäre auch ein Lieferservice“, sagt er. „Ich wünsche auch allen Kollegen jetzt viel Kraft und Gesundheit.“

„Man fühlt sich ohnmächtig“, sagt Christina Pirkl vom Café Klosterhof. Natürlich habe nicht nur sie befürchten müssen, dass ein teilweiser Lockdown auf sie zukommt. „Was das jetzt finanziell bedeutet, kann ich noch nicht absehen.“ Möglicherweise könne sie entsprechende Hilfen beantragen, was sie aber noch nicht wirklich überblicke. „Ich muss zugeben, dass heute ein emotionaler Tag für mich ist. Viele meiner Stammgäste sind traurig, es fühlt sich wie ein kleiner Abschied an, man wünscht sich alles Gute. Das geht mir ein bisschen an die Nieren“, erzählt sie. Letztlich wisse sie auch nicht, ob die Schließung vier Wochen oder noch länger dauere.

Diese Ungewissheit ist auch für Heike Hofer vom Restaurantteam der Sonne-Post schwer zu ertragen. „Für die Gastronomie ist der Teil-Lockdown katastrophal“, sagt sie. „Ich glaube, dass das auch die Kollegen nicht so leicht wegstecken.“ Sie hält die Maßnahmen nicht für verhältnismäßig, die Hotspots macht sie an anderer Stelle aus und das Restaurant habe Hygienekonzept und -regeln engagiert umgesetzt, inklusive Mehrkosten und Einbußen bei den Plätzen beziehungsweise Tischen. „Ich mach meine Arbeit wirklich gerne“, sagt sie. Gewisse Existenzängste meldeten sich in einer ruhigen Minute dann doch auch zu Wort. Das Mitgefühl der Gäste spüre sie – sie reagierten bestürzt.

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Erstellt:
30. Oktober 2020, 06:00 Uhr

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