Ein Erwerb ist noch kein Zukunftskonzept

Nachdem die Villa Franck seit einigen Wochen zum Verkauf steht, gibt es einzelne Interessenten. Die Frage, ob sich die Stadt Murrhardt auch einreihen sollte, sehen Bürgermeister und Gemeinderatsvertreter kritisch. Zu bedenken ist vieles bis hin zu einer künftigen, tragfähigen Nutzung.

Die Villa Franck ist stadtbildprägend. Vom Marktplatz aus ist sie gut zu sehen. Foto: Stefan Bossow

© Stefan Bossow

Die Villa Franck ist stadtbildprägend. Vom Marktplatz aus ist sie gut zu sehen. Foto: Stefan Bossow

Von Christine Schick

Murrhardt. Seitdem die Impro Immobilienverwertung GmbH die Villa Franck zum Verkauf anbietet (wir berichteten), sind bei Gunter Schnabel, der dies als Mitarbeiter begleitet, eine Reihe von Anfragen eingegangen. Als Summe hat die Firma aus Dresden, die auf den Verkauf von Sonderimmobilien vor dem Hintergrund eines Insolvenzverfahrens spezialisiert ist, 1,5 Millionen Euro angesetzt. Gunter Schnabel macht klar, dass es für Immobilien wie
die einstige Sommerresidenz von Robert Franck nur einen eingeschränkten Kreis an möglichen Erwerbern gibt. Seine Aufgabe ist nun, die Anfragen zu prüfen. Er geht davon aus, dass noch im Januar erste Interessenten zu einer Besichtigung vor Ort kommen können. Mit der bisherigen Resonanz sei er zufrieden. Nach solch einem Besichtigungstermin könne man dann entsprechende Bieterangebote entgegennehmen. Schnabel hofft auf eine Lösung im Sinn aller Betroffener, also auch der Stadt Murrhardt. Die Entscheidung über den Verkauf liegt letztlich aber beim Insolvenzverwalter beziehungsweise bei der Gläubigerversammlung.

Insofern stellt sich die Frage, inwieweit Stadt und Gemeinderat in Erwägung ziehen, die Jugendstilvilla zu erwerben. Bürgermeister Armin Mößner hatte bereits nach Bekanntwerden von Insolvenzverfahren und Angebot der Immobilie betont, dass die Stadt Murrhardt an der Villa Franck als prägendes Gebäude ein besonderes Interesse habe. Aber er lässt auch durchblicken, dass der Schritt, selbst als Käufer aufzutreten, ein großer und gut abzuwägen ist. Der Erwerb ist das eine, die langfristige Investition in das Gebäude eine andere Hausnummer. „Eine Sanierung wird den Kaufpreis bei Weitem übersteigen“, sagt er. Es sei mit einer siebenstelligen Summe zu rechnen, hinzu kommen ein separater, eigener Stromanschluss, der zuvor über das Seniorenhaus Hohenstein verlief, und die Frage der Trinkwasserversorgung, die bisher über Quellen oberhalb bei Hoffeld laufe.

Angesichts der vielen anderen städtischen Aufgaben hält er solch ein umfassendes Projekt für nicht ganz einfach. Wichtig sei, dass das Gebäude für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Man wünsche sich eine gute Zukunft des Ensembles nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Stadt auch Flächen im direkten Umfeld sowie die Michaelkirche mit angegliedertem Gemeindehausbau erworben hat. „Wir wollen das interessiert begleiten“, sagt Mößner in der Hoffnung, dass im Fall eines Verkaufs an einen privaten Investor auch eine gute Kooperation möglich ist. Dies hänge letztlich auch am Nutzungskonzept für die Villa Franck – beispielsweise als Kulturhaus mit Musikveranstaltungen, Ausstellungen oder Seminarangeboten. Je nachdem könne sich die Stadt auch vorstellen, die umliegenden Flächen und Gebäude einzubringen.

Für Andreas Winkle, CDU/FWV-Fraktionsvorsitzender im Murrhardter Gemeinderat, ist das Konzept, wie die Villa Franck künftig genutzt werden soll, Dreh- und Angelpunkt in der Diskussion um einen möglichen Kauf beziehungsweise Verkauf. Denn selbst wenn die Stadt einen Erwerb in Erwägung zöge, bräuchte sie einen Kooperationspartner, der die Villa Franck mit Leben füllt. „Das heißt, beispielsweise ein Kulturprogramm auf die Beine zu stellen“, sagt er. „Und dabei nur auf ein ehrenamtliches Engagement zu setzen, wäre zu kurz gedacht.“ Für Winkle ist solch ein Kooperationspartner beispielsweise aus dem kulturellen Bereich Voraussetzung für alles Weitere, im Idealfall in Personalunion mit dem Käufer oder als entsprechende Konzeption, die ein Interessent mitbringt.

Dass das solitäre Gebäude in dieser Lage allein als Privatwohnsitz genutzt werde, hält er für unwahrscheinlich. Mit Blick auf die Frage, ob die Stadt als Interessent aktiv werden sollte, gibt er die gewaltigen Investitionen, die für eine Sanierung inklusive energetischer Verbesserungen nötig wären und dann nicht für weitere Verpflichtungen zur Verfügung stehen, sowie die schwierigen Geländebedingungen zu bedenken.

Wolfgang Hess, der der Unabhängigen Liste (UL) im Gemeinderat vorsteht, treibt das Thema um und er sagt: „Das ist nicht einfach und eine endgültige Lösung habe ich nicht.“ Die zu erneuernde Infrastruktur und sogar der Kaufpreis seien angesichts des Renovierungsbedarfs nicht das Entscheidende. Er habe sich mit jemand beraten, um eine Idee von den möglichen Sanierungskosten zu bekommen. Die annähernde, grobe Schätzung: zehn Millionen Euro. „Das können wir nicht stemmen“, sagt Hess. Angesichts weiterer Aufgaben, insbesondere des kommenden Hochwasserschutzes, würde dies dazu führen, dass die Schulden der Stadt enorm ansteigen. „Wie sollen wir das dem Steuerzahler erklären?“ Zudem stellt sich für ihn genauso die Frage, wie eine künftige Nutzung aussehen könne. Um später dort zu ein paar Konzerten oder Theateraufführungen einzuladen, stünde eine derart hohe Investition nicht im Verhältnis. Insofern favorisiere man einen privaten Investor, der Freude an der Jugendstilvilla hat und der Öffentlichkeit weiterhin Zugang gewähre. Klar sei allerdings auch, dass man einem künftigen Besitzer im Fall der Fälle nichts vorschreiben könne. Davon abgesehen, dass das Interessentenfeld vermutlich überschaubar sei.

Auf die Frage, ob sich die Stadt in dieses einreihen soll, stellt Gerd Linke, Fraktionschef der Murrhardter Demokraten/Die Grünen, fest: „Ich habe da meine Zweifel.“ Der Kauf würde viel Geld binden und trotzdem hieße es, weiterzusuchen, um jemanden zu finden, der aus der Villa Franck in Bezug auf einen möglichen kulturellen Betrieb etwas macht. „Ich stelle es mir sehr schwer vor, dass die Stadt das allein schafft.“ Hinzu kommen die schlechte Zugänglichkeit und aufgrund der Anlieger und deren Besitzrechte auf dem Weg zum Gebäude gewisse Abhängigkeiten. „Das müsste man alles gut vertraglich absichern, das ist aber nicht so mit links zu machen“, sagt der Fraktionsvorsitzende. Insofern überwiegt bei ihm die Skepsis, ob ein Kauf richtig wäre. Angesichts mehrerer Millionen Euro für Erwerb und Instandsetzung würde er das Geld lieber in die Weiterentwicklung der Stadtwerke und die Nahwärmeversorgung in Murrhardt stecken, die dann einem größeren Kreis an Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung steht und insofern zugutekommt.

Edgar Schäf, Vorsitzender der SPD-Fraktion, sagt zum jetzigen Zeitpunkt: „Wir sollten uns als Stadt da nicht einmischen.“ Es wäre ideal, einen guten Investor zu finden, der das stadtbildprägende Gebäude im Sinn des kulturellen Erbes wieder belebt. Eine eigene Investition müsse man aber abwägen. „Wir schaffen ja mit Steuergeldern“, sagt er und insofern ist auch für ihn genau zu überlegen, was im Sinn der Bürgerinnen und Bürger ist. Wenn er zurückdenke, falle ihm als größeres, wenn auch nur bedingt vergleichbares Projekt das um die Alte Post ein. Auch da habe man abwägen müssen. „Das war kein leichtes Unterfangen“, stellt er fest, schon allein wenn man sich erinnere, wie lange die Umsetzung gedauert habe.

In Fornsbach habe man sich zum Kauf des ehemaligen Gasthauses Ochsen entschlossen, was für ihn gerechtfertigt ist, weil es als mit einem Investor geplantes Vorhaben eines Seniorenwohnkomplexes inklusive Einkaufsmöglichkeit der Allgemeinheit zugutekäme. Im Fall der Villa Franck sieht er nun den freien Markt am Zug, auch wenn er sagt: „Wir müssen das Thema weiter im Auge behalten.“ Er geht davon aus, dass im Gemeinderat das Für und Wider noch vertieft diskutiert wird.

Mößner gibt hohe Instandsetzungskosten und schwierige Rahmenbedingungen zu bedenken. Wolfgang Hess denkt, dass sich die Stadt mit der Sanierung finanziell übernehmen würde. Edgar Schäf sieht sich in der Pflicht, den Nutzen für die Bürger und Bürgerinnen abzuwägen.
Verkauf war schon einmal Thema

Gebäude Die Villa Franck wurde von den Architekten Georg Staehelin und Paul Schmohl als Sommerresidenz für den Industriellen Robert Franck (1857 bis 1939) entworfen und 1907 bezogen.

Eigentumshistorie Nach dem Tod von Robert Franck wurde die Villa Franck durch die Firma Christian Pfeifer aus Stuttgart zum Verkauf angeboten, auch der Stadt Murrhardt. Bürgermeister Karl Blum erwähnte damals, dass dies reiflicher Erwägung bedürfe. Es wurde überlegt, dort ein Krankenhaus einzurichten beziehungsweise dadurch auf einen Teil der Erweiterung des Backnanger Krankenhauses verzichten zu können, die Ende der 1930er-Jahre geplant war. Eine weitere Variante war, das städtische Krankenhaus in die Villa Franck zu verlegen und das bisherige Krankenhausgebäude zur Finanzierung zu veräußern. Auch tauchte die Idee auf, dort eine Wasserheilkuranstalt einzurichten, worauf sogar Besichtigungen in Bad Wörishofen stattfanden. Ab 1940 wurden verschiedene Verwendungen durch die NSDAP geprüft, aber nicht umgesetzt. Im Juli 1941 bot die Tochter von Robert Franck, Marianne Zügel, die Villa der Stadt zu einem Teilkauf an. Die Stadt lehnte ab, aufgrund der seinerzeit anstehenden Vorhaben, die es zu finanzieren galt. Erworben hat die Villa Franck letztlich im Herbst 1941 die Stadt Stuttgart, die dort im November 1942 ein Gefolgschaftserholungsheim einrichtete. Von der Stadt Stuttgart ging die Villa Franck im Jahre 1951 zunächst pachtweise, 1953 durch Erwerb auf die Christengemeinschaft über, die es als Alten- und Pflegeheim betrieb und aus dem sich das heutige Haus Hohenstein entwickelte. 1993 übernahm ein privater Eigentümer die Villa Franck, ab 2001 Patrick Siben.

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Erstellt:
5. Januar 2024, 06:00 Uhr

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