Haft fürs Fahren ohne Ticket
„Ein Irrsinn“ – Busunternehmer will Schwarzfahren entkriminalisieren
Jährlich landen hunderte Menschen im Gefängnis, weil sie ohne Ticket Bus gefahren sind. Für Paul Launer ist das ein „Irrsinn“. Dabei betreibt er selbst Linienbusse.

© Eberhard Wein
Auch Paul Launer lebt davon, dass er Bustickets verkauft. Dennoch würde er Schwarzfahrer nicht ins Gefängnis werfen.
Von Eberhard Wein
Wenn Paul Launer nachdenkt, dann hat er noch nie einen Schwarzfahrer angezeigt. Dabei ist sein vom Vater übernommenes Busunternehmen schon seit 1972 im Linienverkehr auf der Ostalb unterwegs. Fünf Busse hat er im Einsatz, die unter anderem zwischen Ellwangen und Dinkelsbühl pendeln. Allerdings, das muss er zugeben: Unbelehrbare habe er hin und wieder durchaus an den Konzessionär weiter gemeldet. Doch welche Konsequenzen das für die Betroffenen haben konnte, ist ihm erst jetzt klar geworden.
Es war eine Zeitungsmeldung, die den 60-Jährigen aufgeschreckt hat. Ein „Freiheitsfonds“ habe 101 Häftlinge freigekauft, die wegen Schwarzfahren im Gefängnis gesessen hätten, hieß es im Bericht. Auch aus Baden-Württemberg gebe es Fälle. Launer war entsetzt: Haft fürs Fahren ohne Ticket? „Unsere Justiz beschäftigt sich mit Bagatellen, während wir gleichzeitig bei wirklich wichtigen Aufgaben nicht hinterher kommen. Das ist absurd“.
Was Launer besonders empört: Das Gesetz, auf dessen Grundlage all die Menschen verurteilt worden waren, stammt dem Wortlaut nach aus der Nazi-Zeit. „Es ist kaum zu glauben, dass in Deutschland Menschen noch immer aufgrund eines Paragrafen aus dem Jahr 1935 ins Gefängnis müssen, nur weil sie ohne Fahrschein unterwegs waren“, sagt Launer.
Ein Gesetz aus der Nazi-Zeit
Denn immer noch gilt die Erschleichung einer Beförderungsleistung nicht als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat und ist nach Paragraf 265a mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr zu bestrafen. Zwar werden Haftstrafen tatsächlich nur selten verhängt, doch wer seine Geldstrafe nicht bezahlen kann, muss häufig ersatzweise in Haft. Das Gesetz treffe ausgerechnet die Ärmsten der Armen und löse keine Probleme, sagt Launer. Im Gegenteil: hier werde dringend benötigtes Geld verpulvert. Jeder Hafttag koste den Steuerzahler bis zu 200 Euro – ein Vielfaches des entstandenen Schadens.
Zwar müsse eine Leistung bezahlt werden, doch dies sei ein „Irrsinn“. „Aber das müsste nicht nur ein Busunternehmer sagen, sondern ganz viele“, findet er. Inzwischen hat er deshalb seinen Verband angeschrieben. „Vielleicht können wir gemeinsam etwas in Bewegung setzen, wenn auch wir Busunternehmer unsere Verwunderung über diese Zustände öffentlich zum Ausdruck bringen.“
„Das ist kein Kavaliersdelikt“, sagt die WBO-Chefin
Doch dazu wird es nicht kommen. „Schwarzfahren ist kein Kavaliersdelikt“, erläutert die Geschäftsführerin des Verbandes baden-württembergischer Busunternehmen, Yvonne Hüneburg, die offizielle Verbandsposition. Es sei vergleichbar mit anderem – gesellschaftlich nicht toleriertem – Verhalten wie Diebstahl, Betrug, Veruntreuung oder Zechprellerei, ist sie überzeugt. Dass ausgerechnet beim öffentlichen Nahverkehr andere Maßstäbe gelten sollten, sei nicht nachvollziehbar. Zudem landeten nur notorische Schwarzfahrer vor Gericht. Eine Entkriminalisierung sei das falsche Signal.
Ein Gesetzentwurf der Ampelkoalition, der die Entkriminalisierung zum Ziel hatte, liegt inzwischen auf Eis. Auch die CDU will es bei der 90 Jahre alten Regelung belassen. Launer hat also noch dicke Bretter zu bohren – nicht nur bei seinen Busunternehmern, sondern auch in seiner Partei, der er als CDU-Kommunalpolitiker angehört. Doch Launer ist sich sicher: „Wir brauchen eine faire und zeitgemäße Lösung.“