Ein Jahr Wartezeit aufs Wohngeld

Die Zahl der Wohngeldanträge ist in der Landeshauptstand Stuttgart drastisch gestiegen. Zugleich fehlt Personal, eine Dienststelle wurde sogar geschlossen. Nun soll eine KI helfen, den Stau abzubauen.

Die Wohngeldbehörden in Stuttgart tun sich bei der Bearbeitung der Anträge schwer.

© imago/Andreas Gora

Die Wohngeldbehörden in Stuttgart tun sich bei der Bearbeitung der Anträge schwer.

Von Julian Baum

Stuttgart - Haushalte mit niedrigen Einkommen ächzen unter den teuren Mieten in Stuttgart. Das staatliche Wohngeld ist eine Erleichterung. Darauf haben Bürger Anspruch, die zu viel verdienen, um Bürgergeld zu erhalten, aber zu wenig, um mit ihrem Einkommen auf dem freien Wohnungsmarkt eine Chance zu haben.

Ein Anspruch auf Wohngeld bedeutet allerdings noch nicht, die Unterstützung auf dem Konto zu haben. In Stuttgart stauen sich die Anträge, weil die Wohngeldstellen mit der Bearbeitung nicht hinterher kommen. Ohne Bescheid keine Zahlung; in ungünstigen Fällen warten Antragssteller mehr als ein Jahr. Es gibt zu wenig Personal. Vor allem aber ist die Zahl der Berechtigten mit der Einführung von „Wohngeld Plus“ 2023 extrem gestiegen, weil darin die Einkommensgrenzen angehoben werden und zusätzlich ein pauschaler Heiz- und Klimazuschuss gewährt wird.

Bearbeitungsstau in Feuerbach ist besonders drastisch

Laut vorläufiger Zahlen des Statistischen Landesamts bezogen Ende 2024 rund 90 500 Haushalte Wohngeld. Das sind rund elf Prozent mehr als 2023 und 50 Prozent mehr als 2022. Im Durchschnitt wurden 443 Euro pro Haushalt ausbezahlt. Auch in Stuttgart ist die Zahl der Anträge kräftig gestiegen.

Zahlen aus dem Februar zufolge sind im ersten Jahresviertel des Jahres 2023 rund 60 Prozent mehr Anträge eingegangen als noch ein Jahr zuvor. Vorläufige Zahlen für die Jahre 2023 und 2024 lauten nach Auskunft des Rathauses: 15 553 sowie 13 565 eingegangene Anträge, von denen rund 83 Prozent (2023) und rund 77 Prozent (2024) bewilligt worden seien. Der Rückgang lässt sich mit einer – der Entspannung dienenden – Änderung im Wohngeldrecht erklären: Berechtigte mit nahezu konstanten Einkommen – wie Rentner – bekommen das Wohngeld gleich für 24 Monate statt der üblichen zwölf Monate bewilligt.

Mehr Anträge, weniger Mitarbeiter: Seit März – und voraussichtlich bis Jahresende – ist deshalb die Wohngeldstelle Feuerbach/Botnang für den Publikumsverkehr komplett geschlossen, auch telefonisch ist sie nicht erreichbar. Ein verärgerter Antragssteller moniert, dass Mails nur sporadisch beantwortet würden.

Das städtische Presseamt bestätigt die Problemlage. Vorhandene Stellen können nicht besetzt und langfristige Ausfälle nicht kompensiert werden. Eigentlich sind für Feuerbach/Botnang dreieinhalb Stellen vorgesehen, verteilt auf vier Mitarbeiter. „Stadtweit ist derzeit eine Springkraft einsatzfähig, welche sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten den offenen Vorgängen der Wohngeldstelle widmet“, erklärt die Verwaltung. Vereinzelt seien noch Vorgänge offen, die vor dem Jahr 2024 eingegangen seien.

Längere Wartezeiten gibt es in allen zwölf Wohngeldstellen

Seit der Einführung von „Wohngeld Plus“ warten Antragssteller in allen zwölf Wohngeldstellen in Stuttgart länger als früher auf ihren Bescheid, von Dienststelle zu Dienststelle allerdings unterschiedlich lang. Wer in Vaihingen, Möhringen oder Zuffenhausen anfragt, wartet mitunter mehr als ein Jahr, da diese Stellen besonders tief in der Bredouille stecken. Aber auch die Antragssteller würden ihren Teil zur Verzögerung beitragen, meint die Stadt, und zwar, weil man sie durchschnittlich drei- bis viermal wegen fehlender Angaben und Nachweisen anschreiben müsse.

Ob weitere Dienststellen vorübergehend dicht machen, würde die Leitung selbst entscheiden, so die Verwaltung. Zunächst werde aber versucht, sich gegenseitig auszuhelfen. Zudem sollen Springkräfte helfen, den Rückstand an unbearbeiteten Anträgen abzuarbeiten. Eine Person sei eingearbeitet, die die Dienststellen mit den größten Problemen unterstütze, zwei weitere seien in Einarbeitung. Geht es nach der Stadtverwaltung, sollten die im Zuge von „Wohngeld Plus“ vorsorglich geschaffenen 23 Stellen verstetigt werden. In Feuerbach/Botnang sei das vorrangige Ziel, die vorhandenen Stellen überhaupt einmal besetzen zu können.

Die Digitalisierung soll helfen: Wohngeldberechtigte in Stuttgart können über das Landesportal „Service BW“ online einen Erstantrag stellen. Rund die Hälfte nutzt diese Form. Allerdings betrifft er nur einen von acht Antragstypen, wie das CDU-geführte Wohnungsbauministerium einräumen muss. Der Weiterleitungsantrag auf Mietzuschuss und auch die Antragsarten für den Lastenzuschuss (für Eigentümerinnen und Eigentümer selbst genutzten Wohnraums) stünden noch aus. Über die anderen Typen sei man „aktuell in Abstimmung“.

Das Land hilft – zumindest ein bisschen

Der digitale Vorgang – Papierbögen werden eingescannt und in eine E-Akte gelegt – erleichter die Kommunikation zwischen den Behörden, heißt es aus dem Stuttgarter Rathaus. Neuerdings testet die Stadtverwaltung auch einen KI-Assistenten, der „die Sachbearbeiter unterstützt, indem er fehlende Angaben erkennt, Unstimmigkeiten aufzeigt, Anschreiben entwirft und die Eingangspost sortiert“, so Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann (Grüne). Aus Ihrer Sicht hilft aber vor allem eines: die Vereinfachung des Wohngeldrechts.

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Erstellt:
27. Mai 2025, 22:04 Uhr
Aktualisiert:
28. Mai 2025, 21:56 Uhr

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