Zeitumstellung

Ein Relikt aus einer fernen Zeit

Die Energiekrise hat einst die Zeitumstellung hervorgebracht. Ihr ursprünglicher Sinn ist längst widerlegt, doch alle Anläufe, sie abzuschaffen sind bisher gescheitert.

Es ist wieder soweit: in der Nacht auf Sonntag wird die Uhr umgestellt.

© Daniel Naupold/dpa

Es ist wieder soweit: in der Nacht auf Sonntag wird die Uhr umgestellt.

Von Knut Krohn

Eigentlich hat Markus Ferber ein eher sonniges Gemüt. Zwei Mal im Jahr brauen sich über dem Europaparlamentarier aber dunkle Wolken zusammen. Dann ist es wieder an der Zeit, an den Uhren zu drehen. „Die Zeitumstellung muss ein für alle Mal abgeschafft werden“, poltert der gebürtige Augsburger und in solchen Momenten klingt sogar sein sympathischer schwäbisch-bayrischer Zungenschlag nicht mehr freundlich. Seit 1994 sitzt der CSU-Mann im Europaparlament und ungefähr ebenso lange währt sein Kampf gegen eine Regelung, die in Deutschland die Menschen seit 1980 regelmäßig umtreibt. Auch an diesem Wochenende ist es wieder soweit: um drei Uhr morgens werden die Uhren um eine Stunde von der Sommerzeit auf die mitteleuropäische Zeit zurückgestellt. Dann ist es morgens wieder früher hell und dafür nachmittags eher dunkel.

Internet-Umfrage mit deutlichem Ergebnis

Zuletzt keimte im Jahr 2018 in Markus Ferber die Hoffnung, dass die ihm unverständliche Regelung zu Fall gebracht werden könnte. Damals startete die EU-Kommission in ganz Europa eine Internet-Umfrage zur Zeitumstellung. Das Ergebnis war eindeutig: 80 Prozent der fast fünf Millionen Teilnehmenden waren gegen die Zeitumstellung. „Der Wille der europäischen Bürger ist unmissverständlich“, betont deshalb der CSU-Politiker, „eine schnelle Umsetzung schien damals fast schon selbstverständlich“. Zumal, so betont Ferber, „ein Nutzen, beispielsweise fürs Energiesparen, nicht nachgewiesen ist“.

Doch es kam anders. Denn es begann ein für die EU sehr typischer Ablauf. Studien wurden erstellt, öffentliche Konsultationen durchgeführt, das Europäische Parlament äußerte sich umfänglich und dann passierte – nichts! Denn die EU-Kommission kam 2019 zu dem „Schluss, dass die Mitgliedstaaten am besten in der Lage sind, selbst zu entscheiden, ob die Sommer- oder Winterzeit dauerhaft beibehalten wollen“. Das klang nach einem Begräbnis erster Klasse.

Die EU-Staaten meiden das heiße Eisen

Markus Ferber rauft sich angesichts der regelmäßig wiederkehrenden Diskussionen die Haare und hat die Schuldigen längst ausgemacht: die nationalen Regierungen. „Es ist höchste Zeit, dass sich die Verkehrsminister zusammensetzen und darauf einigen, ob wir künftig mit Sommer- oder Winterzeit leben sollen“, fordert der Europaabgeordnete. Angesichts des seit sieben Jahren dahinsiechenden Prozesses befürchtet er, dass „dieses Gesetzesvorhaben in den Archiven der Europäischen Kommission verschwindet“. Damit diese nicht geschieht, hat sich das Europaparlament am Donnerstag wieder einmal des Themas angenommen. In ungewohnter Einigkeit verabschiedeten die Abgeordneten eine Erklärung, in der die EU-Kommission aufgefordert wird, mehr Druck auf die Mitgliedstaaten auszuüben.

Allerdings will keine Regierung das heiße Eisen anfassen und es wird darauf verwiesen, dass das Thema in Anbetracht der vielen Krisen keine Priorität habe. Außerdem sind sich die Staaten nicht einig darüber, ob dauerhaft Sommer- oder Winterzeit gelten soll. Der Grund: käme die Sommerzeit, würde etwa im Westen Spaniens im Winter die Sonne erst kurz vor zehn Uhr aufgehen. Einigen sich aber alle auf Winterzeit, würde es in Warschau im Sommer schon um drei Uhr morgens hell.

Warnung vor einem großen Tohuwabohu

Dieses Problem sieht auch Markus Ferber. Aus diesem Grund fordert er, dass die EU-Mitgliedstaaten bei einer Abschaffung der Zeitumstellung auf jeden Fall „die Standardzeiten koordinieren“ müssten. Andernfalls drohe ein wildes Tohuwabohu von Zeitzonen in Europa, was zu einer „Beeinträchtigung des Binnenmarkts und Chaos in grenznahen Regionen“ führen würde, warnt er als Mitglied des Ausschusses für Wirtschaft und Währung im Europaparlament.

Markus Ferber kennt die Probleme durch die Zeitumstellung auch aus der persönlichen, leidvollen Erfahrung. „Als Familienvater merke ich jedes Jahr im Frühjahr, wie die durch die Zeitumstellung ‚geklaute‘ Stunde in den Wochen danach bei meinen Kindern zu Diskussionen beim rechtzeitigen Aufstehen vor dem Schulbeginn führt“, klagt er. „Der Schlafrhythmus meiner Kinder gerät merkbar aus dem Gleichgewicht.“

Gute Nachricht für alle Smartwatch-Träger

Eine gute Nachricht gibt es allerdings: zumindest technisch ist die Umstellung kein Problem mehr. Taktgeber für die Zeit sind in Deutschland die Atomuhren der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig. Smartwatch-Träger und Funkuhren-Nutzer brauchen sich also keine Sorgen darüber zu machen, in welche Richtung der Zeiger in der Nacht auf Sonntag gedreht werden muss.

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Erstellt:
24. Oktober 2025, 19:14 Uhr

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