Gasversorgung in Deutschland
Entwarnung trotz mäßig gefüllter Gasspeicher
Deutschland muss sich laut Bundesnetzagentur keine Sorgen machen um seine Gasversorgung. Nun zahlt sich die Vorsorge der vergangenen Jahre aus.
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Von Schleppern begleitet transportiert der LNG Tanker „Arctic Lady“ eine Ladung Flüssiggas zum Verladeterminal „Deutsche Ostsee“.
Von Knut Krohn
Deutschland wird von einer Kältewelle heimgesucht und niemand redet über die nur mäßig gefüllten Gasspeicher. Vor kurzem hätte diese winterliche Ausgangslage noch zu aufgeregten Diskussionen geführt. Am 23. Juni 2022 wurde die Alarmstufe des Notfallplans Gas in Deutschland ausgerufen – ein Grund waren damals auch die schlechten Füllstände. Doch nun kommt die Bundesnetzagentur in ihrem aktuellen Lagebericht zu einer völlig anderen Einschätzung als kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine. Sie hat am 1. Juli 2025 sogar die Alarmstufe aufgehoben. Aktuell liegt der Füllstand der Gasspeicher in Deutschland bei rund 58 Prozent. Im vergangenen Jahr lag er zum gleichen Zeitpunkt bei über 80 Prozent.
Die Gasversorgung ist stabil
„Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet“, beruhigt die Bundesnetzagentur und schätzt die Gefahr einer angespannten Gasversorgung „im Augenblick als gering ein“. Völlige Entwarnung wollen die Fachleute allerdings nicht geben. „Ein sparsamer Gasverbrauch bleibt dennoch wichtig, da aufgrund der europäischen Importabhängigkeit bei Erdgas immer Risiken verbleiben“, heißt es in dem Bericht.
Grund für die entspannte Haltung der Bundesnetzagentur ist die grundsätzlich veränderte Versorgungslage in Deutschland, das seinen Bedarf zu über 90 Prozent aus Importen decken muss. Das Gas kommt nun nicht mehr zum größten Teil aus Russland, das nach dem Überfall auf die Ukraine die Lieferungen weitgehend eingestellt hatte. 2021 hatte Russland noch 52 Prozent des Gases geliefert. Inzwischen wurden die Bezugsquellen diversifiziert und Deutschland verfügt über unterschiedliche Importmöglichkeiten.
Norwegen ist ein wichtiger Lieferant
Zu einem wichtigen Lieferanten ist Norwegen geworden, woher aktuell fast die Hälfte des eingesetzten Erdgases importiert wird. Wie die Bundesnetzagentur betont, hat Deutschland in den vergangenen Jahren die Gasflüsse von einem sogenannten Ost-West-Fluss auf einen Nord/West-Ost-Fluss umgestellt, sodass weitere Importmöglichkeiten über Frankreich und Belgien erschlossen worden sind. Aus diesem Grund kommen inzwischen etwa 25 Prozent des Gases kommen aus den Niederlanden, etwa 18 Prozent aus Belgien.
Eine wichtige Rolle spielt inzwischen LNG-Gas. Hier zahlt sich aus, dass in den vergangenen Jahren die benötigte Infrastruktur zügig ausgebaut wurde. So können etwa vermehrt Importe aus Nordamerika aufgenommen werden. Über die drei neuen LNG-Terminals an Nord- und Ostsee wurden rund 69 Terawattstunden Erdgas angelandet, das entspricht einem Anteil von fast acht Prozent am Gesamtimport.
Sorge wegen der Spannungen im Nahen Osten
Wie der Verband für Gas- und Wasserstoffwirtschaft erklärt, haben allerdings die jüngste Eskalation im Nahen und Mittleren Osten die Energiemärkte spürbar in Bewegung versetzt. Genau beobachtet werden vor allem die Spannungen zwischen Israel und dem Iran. „Während der Iran für die deutsche Gasversorgung keine direkte Rolle spielt – unter anderem aufgrund langjähriger Sanktionen –, zeigen die aktuellen Preisbewegungen, dass der globale LNG-Markt sensibel auf geopolitische Risiken reagiert“, schreibt der Verband angesichts steigender Preise.
Hintergrund seien vor allem Sorgen um eine mögliche Blockade der Straße von Hormus. Durch diese Meerenge werden rund 20 Prozent des weltweiten LNG-Angebots verschifft – unter anderem aus Katar. Auch wenn im Moment diese Gefahr nicht drohe, rechnen Marktbeobachter mit verstärktem Wettbewerb um die verfügbaren LNG-Mengen. Das könne auch in Deutschland zu Preisausschlägen nach oben führen. Doch auch der Verband für Gas- und Wasserstoffwirtschaft betont: „Die strukturelle Versorgungssicherheit ist jedoch nicht gefährdet.“
Noch immer kommt russisches Gas in die EU
Die Verlagerung der Importe auf LNG-Flüssiggas und der Ausbau der Versorgungsnetze zwischen den Staaten in Europa hat im Moment aber auch einen negativen Nebeneffekt. Denn wahrscheinlich fließt auf diesem Umweg noch immer russisches Gas nach Deutschland. Tanker mit russischem Flüssiggas legen etwa im belgischen Zeebrugge an und pumpen ihre Ladung in das europäische Fernleitungsnetz – über das auch Deutschland von Belgien versorgt wird. Noch immer bezieht Europa auf diesem Weg rund 12 Prozent seines LNG-Gases aus Russland, das mit diesem Geld auch den Krieg in der Ukraine finanziert. Bis Ende 2027 will Brüssel auch diesen Transportweg schließen. Die entstehende Lücke soll vornehmlich durch Importe aus Norwegen, den USA und Katar gefüllt werden.
