Geologie der Erde
Erdkern hat Richtung geändert: Was bedeutet das?
Forscher haben eine überraschende Entdeckung gemacht: Der Kern der Erde dreht sich seit einigen Jahren zunehmend langsamer als die Erdoberfläche. Was bedeutet das? Und welche Folgen könnte dies haben?

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Geologisch betrachtet ist die Erde aus drei Schalen aufgebaut: Erdkern, Erdmantel und Erdkruste. 71 Prozent der Oberfläche sind von Wasser bedeckt. Der Rest ist mit einer Bodenkruste überzogen.
Von Markus Brauer
Ein internationales Team von der Peking University und der University of Southern California hat laut einer Studie, die in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde, Hinweise gefunden, dass der innere Erdkern seine Rotation gestoppt und möglicherweise sogar umgekehrt hat.
Drei Schalen der Erde
Geologisch betrachtet ist die Erde aus drei Schalen aufgebaut: dem Erdkern, dem Erdmantel und der Erdkruste. Knapp 71 Prozent der Oberfläche des Blauen Planeten sind von Wasser bedeckt. Der Rest ist – wie ein Kuchen mit Puderzucker – mit einer Bodenkruste überzogen.
Einer wenigen Millimeter bis einige Meter dünnen Schicht, die Geologen auch als Pedosphäre bezeichnen (von griechisch „pédon“, Erdboden). Sie breitet sich überall dort zwischen der Gesteinsschicht (Lithosphäre) und Biosphäre aus, wo nicht nackter Feld zutage tritt.
Doch was verbirgt sich unter diesem geologischen Puderzucker? Und welche Prozesse laufen im Erdinnern ab?
Wie schnell rotiert der Innenkern?
Lange ging man davon aus, dass sich der Erdkern ein wenig schneller dreht als der Rest des Planeten. Um rund ein Grad pro Jahr, so lauteten die Schätzungen, ist er den anderen Erdschichten voraus.
Normalerweise dreht sich der Kern leicht schneller als die Erdoberfläche. Doch seit geraumer Zeit scheint sich dieser Rhythmus verändert zu haben. Geologen registrieren seit einigen Jahren mit Hilfe seismischer Messungen Abweichungen von dem bisher angenommenen Rotationstempo. Hat der Erdkern seine Drehung etwa verlangsamt?
Erdbeben vor der Südspitze Südamerikas untersucht
Um diese Frage zu beantworten, untersuchten die Wissenschaftler neuere seismische Daten analysiert. Dabei handelt es sich um 143 Paare von Bebenwellen, die zwischen 1991 und 2023 von sich wiederholenden Erdbeben vor der Südspitze Südamerikas ausgingen.
Die seismischen Wellen durchlaufen das Erdinnere und reagieren auf Bewegungen des Kerns. Messungen zeigten, dass sich ihre Laufzeiten so veränderten, dass dies auf eine Verlangsamung bis hin zum Stillstand des inneren Kerns hindeutet.
Die Untersuchungen bestätigen, dass der Erdkern tatsächlich sein Rotationstempo verändert hat. Den Analysen zufolge rotiert der Erdkern seit mehr als 40 Jahren stetig langsamer als der Rest des Planeten.
Wie ist die Erde aufgebaut?
Erdkern: In der Tiefe der Erde ist die Hitze ihres planetarischen Geburtsvorgangs erhalten geblieben. Dies sorgt im inneren Erdkern für Temperaturen von 5000 bis 6000 Grad Celsius – so heiß wie auf der Oberfläche der Sonne. Der Erdkern hat einen Radius von circa 3500 Kilometer und besteht aus Eisen und Nickel, die durch den großen Druck jedoch in festem Zustand sind.
Erdmantel: Der Kern wird vom Erdmantel umgeben, der nach außen 2900 Kilometer mächtig ist. Dieser besteht aus festem Gestein aus magnesium- und eisenreichen Silikat-Mineralien mit einem hohen Anteil an Eisen und Magnesium.
Asthenosphäre: Der als Asthenosphäre bezeichnete obere Bereich des Erdmantels ist 1000 bis 1400 Grad Celsius heiß.
Lithosphäre: Über der Asthenosphäre befindet sich die Lithosphäre. Diese ist 100 bis 200 Kilometer mächtig und umfasst neben der obersten, festen Schicht des Erdmantels die Erdkruste – die feste, spröde Oberfläche der Erde.
Erdkruste: Die äußere Hülle des Erdkörpers wird von der relativ dünnen (5 bis 70 Kilometer) Erdkruste gebildet. Diese besteht ebenfalls vorwiegend aus Silikaten und Oxiden, jedoch mit geringerem Eisen- und Magnesium-Anteil sowie einem erhöhten Anteil an Aluminium und Elementen.
Was die Erde im Kern zusammenhält
Der innere Kern besteht aus Eisen und Nickel und ist von einer flüssigen Schicht umgeben. Gemeinsam erzeugen sie das Magnetfeld, das die Erde vor gefährlicher Strahlung schützt. Die Rotation des Kerns wird durch die Gravitationskräfte des Erdmantels und durch Wechselwirkungen mit dem Magnetfeld beeinflusst.
Die Forscher analysierten seismische Wellen von 1990 bis 2021, die durch Erdbeben auf der ganzen Welt verursacht wurden. Frühere Daten lassen vermuten, dass dieses Phänomen nicht neu ist, sondern etwa alle 70 Jahre auftritt.
Die Bewegung des inneren Erdkerns wirkt sich direkt auf das Magnetfeld aus, das uns vor Strahlung aus dem All schützt. Änderungen könnten seine Stärke und Struktur verändern – mit Folgen für Tierwanderungen, Satelliten und Kommunikation.Auch die Dynamik von Erdbeben und Vulkanen hängt von Wechselwirkungen zwischen Kern und Mantel ab.
Solche Effekte treten nicht abrupt auf, könnten aber die Geologie über Jahrzehnte hinweg verändern. Sogar die Länge eines Tages kann sich durch Kernschwankungen um Millisekunden verändern. Diese winzigen Abweichungen können langfristig Wetter- und Klimasysteme beeinflussen.