Boris Pistorius bei Caren Miosga

Was der Verteidigungsminister zum US-Schlag gegen Iran sagt

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) befürwortet im ARD-Talk den US-Schlag gegen den Iran – und entwirft seinen Plan zur „Kriegstüchtigkeit“ von Deutschland.

Boris Pistorius (SPD) im Gespräch mit Caren Miosga.

© ARD/Claudius Pflug

Boris Pistorius (SPD) im Gespräch mit Caren Miosga.

Von Christoph Link

Fokussiert war das Interview von Caren Miosga am Sonntag in der ARD mit Boris Pistorius (SPD), dem Verteidigungsminister und seit geraumer Zeit beliebtestem Politiker in Deutschland, auf die Stärkung der Bundeswehr. Aber die Weltpolitik musste zuvor auch abgehakt werden, und auf die Frage von Miosga, ob er für ihn der US-Militärschlag gegen den Iran eine „gute Nachricht“ gewesen sei, antwortete Pistorius unzweideutig: Es sei ja nie gut, wenn ein Konflikt militärisch eskaliere, aber angesichts der Tatsache, dass es Hinweise auf einen Durchbruch bei der Urananreicherung für iranische Atomwaffen gegeben habe, dass das Regime in Teheran seit 45 Jahren dem Staat Israel das Existenzrecht abspreche und Israel aber auch seine Nachbarstaaten „massiv“ bedrohe, sei es „auch keine schlechte Nachricht“.

Ob das Vorgehen der Amerikaner mit dem Völkerrecht vereinbart sei, dazu wollte Pistorius nicht dezidiert Stellung nehmen, denn es gebe bei drei Juristen – er selbst sei einer – vier Meinungen. Tatsache sei aber, dass die regelbasierte, internationale Ordnung überall unter Druck sei, vor allem von den Autokratien in aller Welt. Eine Parallele des amerikanisch-israelischen Vorgehens mit Putins Aggression aber gebe es nicht. Die einen hätten auf eine Bedrohung reagiert, Putin jedoch habe ein souveränes Land angegriffen.

Auf Distanz zu Merz

Im Zusammenhang mit der Nahost-Debatte sagte Pistorius dann noch, dass er persönlich die Worte von Kanzler Friedrich Merz (CDU), dass Israel im Iran die „Drecksarbeit“ übernommen habe, „nicht benutzt“ hätte, andererseits finde er es gut, dass Merz offen sage, was der denke.

Was die Erlangung der „Kriegstüchtigkeit“ von Deutschland anbelangte – zu seinem heftig umstrittenen Begriff steht Pistorius immer noch – zeigte sich der Verteidigungsminister optimistisch. Die Bundeswehr habe derzeit ein stehendes Heer von 183.000 Soldaten, die Zahlen der Neurekrutierungen stiegen übrigens „deutlich“ an. Man brauche aber 50.000 bis 60.000 Soldaten mehr und deshalb müsse die Bundeswehr ihre Attraktivität steigern, unter anderem bei der Bezahlung.

Auf die Frage, was ein Soldat anfangs verdiene, meinte Pistorius, das seien rund 1300 Euro im Monat, was aber offenbar ein Nettoverdienst ist, denn auf der Website der Bundeswehr wird 1473 als Grundgehalt eines Anwärters für den Mittleren Dienst genannt. Ein Dilemma ist, dass die Bundeswehr – wo jeder bis 25 in einer Kaserne wohnen muss – einen riesigen Bewerberansturm oder die sofortige Wehrpflicht gar nicht verkraften könnte. 130 Kasernen seien in den letzten Jahre abgebaut worden, so Pistorius, die ließen sich auch nicht mehr reaktivieren, daraus seien ja oft Wohnungen geworden.

Ein anderes Problem ist die mangelnde Verfügbarkeit von theoretisch 800.000 Reservisten, von denen die Bundeswehr wegen der Auflösung der Kreiswehrersatzämter die aktuellen Adressen gar nicht mehr hat. In einem Videobeitrag der ARD äußerte ein Reservist dann seinen Unmut, die Reservisten würden verprellt, wer sich melde, müsse lange warten. „Sie lassen Reservisten monatelang auf eine Wehrübung warten, die müssen sich durch einen Stapel von Papieren und Bürokratie arbeiten“, warf Miosga dem Minister vor, der jedoch widersprach.

„Bin stolz auf die Truppe“

Erstens gebe es da Versäumnisse der Vergangenheit, auf die müsse man reagieren. Zweitens – eine „Task force“ habe den Hebel schon umgelegt – die Bewerber seien jetzt zufrieden, aber es treffe schon zu, dass die Bundeswehr für die Reservisten viele Jahre lang keine Verwendung gehabt habe und es stimme auch, „dass wir in den letzten 35 Jahren eine Behäbigkeit im System der Bundeswehr hatten und noch haben.“ Aber die Zeiten hätten sich geändert, das Ruder werde in der Bundeswehr jetzt „rumgerissen“, die Bundeswehrangehörigen arbeiteten „,mit Leidenschaft“ und „ich bin stolz auf diese Truppe“.

Im Kern der Ertüchtigungsdebatte zeigte sich Pistorius allerdings auch kompromisslos. Er plant noch vor der Sommerpause drei Gesetzentwürfe, von denen einer schon die Voraussetzungen für die Einführung einer Wehrpflicht noch in dieser Legislaturperiode schaffen soll, falls die geplante Aufstockung um 50.000 bis 60.000 auf freiwilligem Wege nicht gelingt.

Damit stellt sich Pistorius gegen den SPD-Fraktionschef Matthias Miersch, der kürzlich betonte, dass es in dieser Legislaturperiode keine Verhandlungen zur Rückkehr der Wehrpflicht geben werde. Aber dass jeder in der SPD und auch anderswo das „Recht auf eine eigene Meinung“ habe, dass stellte Pistorius auch fest, besonders angesichts des Friedensmanifests der Sozialdemokraten Rolf Mützenich und Ralph Stegner, die für eine Verhandlungslösung mit Russland eintreten. Die im Manifest geäußerte Meinung, dass sich in Deutschland diejenigen durchgesetzt hätten, die auf eine „militärische Konfrontationsstrategie“ setzten, die sei schon „ein verquerer Blick auf die Realität“, sagte Pistorius.

Vage Äußerung zum Taurus

Dass das Manifest beim nächsten SPD-Bundesparteitag eine große Rolle spielen wird, das glaubt Pistorius nicht, denn eine solche Debatte führe „zu nichts“: 80 Prozent der SPD-Mitglieder hätten den verteidigungspolitischen Kurs im Koalitionsvertrag abgesegnet, mitsamt den Beschlüssen für die Hebung der Militärausgaben. Es habe Verhandlungsangebot an Putin gegeben, so Pistorius, der habe aber alle ausgeschlagen. „Putin ist revisionistisch und imperialistisch, er spricht der Ukraine das Existenzrecht ab.“ Mit der Sowjetunion von früher habe Russland unter Putin nichts mehr gemein. Vage äußerte sich Pistorius zu möglichen Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Eine Lieferung aktuell komme nicht in Betracht, ausgeschlossen sei sie nicht. Im übrigen entfalle eine Entscheidung für eine Taurus-Lieferung nicht ihm zum, sondern „der Bundesregierung im Ganzen“.

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Erstellt:
23. Juni 2025, 06:46 Uhr
Aktualisiert:
23. Juni 2025, 07:43 Uhr

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