Angela Merkel
Ex-Kanzlerin blickt selbstkritisch auf ihre Klimapolitik zurück
Angela Merkel blickt selbstkritisch auf ihre Klimapolitik zurück - und fragt auf dem Kirchentag in Hannover: „Tun wir genug für unser Überleben?“ Zweifel bleiben, ebenso ihr Appell zum Mut.

© AFP/JOHN MACDOUGALL
Hatte nicht bei jeden Kompromiss ein gutes Gefühl: Ex-Kanzlerin Angela Merkel
Von red/kna
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel beschäftigt nach eigenem Bekunden bis heute die Frage, ob sie in ihrer Amtszeit genug für den Klimaschutz getan hat. Tatsache bleibe, dass die Welt trotz aller Mühen dieser Menschheitsaufgabe bis heute nicht gerecht werde. „Die Frage, ob wir genug tun, bleibt leider unbeantwortet“, sagte sie am Donnerstag auf dem Evangelischen Kirchentag in Hannover.
Die frühere Kanzlerin und Tochter eines evangelischen Pfarrers war dort zur Bibelarbeit eingeladen. Die CDU-Politikerin berichtete davon, wie ihr Vertrauen in Gott und Menschen in politischen Krisen geholfen habe. „Zu wissen, dass Situationen nicht ausweglos sind“, habe ihr Kraft gegeben.
Merkel: „Es bedarf noch größeren Mutes“
Mit Blick auf den Klimawandel bleibe die Frage, ob die Menschheit genug tue, um Entscheidungen für das eigene Überleben rechtzeitig zu treffen. „Sind wir dazu willens und in der Lage?“ fragte Merkel. Bis jetzt sei der Beweis dafür noch nicht erbracht, das laste schwer auf ihr. „Es bedarf noch größeren Mutes, noch mehr Stärke, noch mehr Beherztheit von jedem von uns, um wirklich der Bewahrung der Schöpfung und des Überlebens der Menschheit gerecht zu werden.“
Die frühere Kanzlerin appellierte vor einem applaudierenden Publikum, jeden Tag weiter das scheinbar Unmögliche weiterzubetreiben und sich nicht entmutigen zu lassen. Die Erzählung von einer Heidin aus dem Markus-Evangelium der Bibel könne dafür ein gutes Beispiel sein.
Merkel über den Papst: Diese Worte haben sie „total inspiriert“
Diese Geschichte aus dem siebten Kapitel des Evangeliums bezeichnete Merkel als „spektakulär“, denn „Jesus lernt hier etwas von der Frau, und das hat man selten“. Die dort auftretende Heidin ist eine Mutter, die sich Sorgen um ihre Tochter macht und Jesus bittet, diese von ihren Dämonen zu befreien. Doch Jesus, so Merkels Interpretation, fühle sich erstmal nicht zuständig für die Nicht-Jüdin. Diese nehme aber „ihr Herz in die Hand“ und überzeuge mit ihrer sowohl-als-auch-Argumentation den Gottessohn. „Das zeigt, das er eben doch auch Mensch ist, einer der zuhört und was lernen kann“, sagte Merkel, die in Hannover gelöst und gut gelaunt auf der Bühne stand.
Auch sie habe in ihrer politischen Karriere stets versucht, nicht in Entweder-Oder zu denken, sondern Kompromisse zu suchen. „Vielleicht können alle satt werden, vielleicht können alle eine Möglichkeit finden“, so Merkel. Wenn sie selbst nicht weiter gewusst habe, habe sie häufig auch den Rat anderer Menschen eingeholt, unter anderem vom jüngst verstorbenen Papst Franziskus.
Immer wieder Kompromisse eingegangen
Er habe ihr in einem Konflikt um den Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen im Jahr 2017 empfohlen, zu „biegen, biegen“, aber aufzuhören, „bevor es bricht“. Merkel: „Das hat mich total inspiriert.“ Letztlich habe man ein gemeinsam verfasstes Kommuniqué zustande gebracht, dem sich die Vereinigten Staaten allerdings nicht angeschlossen haben.
Sie sei in ihrer Kanzlerschaft immer wieder Kompromisse eingegangen, „wissend, dass das nicht der lupenreine, beste und geradeste Weg ist“. Bei manchen habe sie kein gutes Gefühl gehabt, dennoch hätten die Vorteile dann die Nachteile überwogen. Als Politikerin sei es ihre Aufgabe, Mehrheiten zu finden und Kompromisse zu suchen. Von Klimaaktivistinnen wie Greta Thunberg und Luisa Neubauer sei ihr der Vorwurf gemacht worden, nicht radikal genug zu sein. „Radikalität war für mich nicht der Königsweg für den Erfolg von Politik. Als Politiker können sie immer nur dann etwas durchsetzen, wenn sie eine Mehrheit finden. Und sie finden sie meist nur, wenn sie Kompromisse eingehen.“