Ex-Kapitän Andreas Nickel von der TSG Backnang begibt sich auf neue Pfade

Beim früheren Jugendnationalspieler und Spieler der TSG Backnang sind der Fußball und das Geschäft mit ihm in den Hintergrund gerückt.

Kümmert sich nunmehr viel um den Sinn des Lebens und nur noch selten um den Fußball: Andreas Nickel. Foto: privat

© Andreas Nickel

Kümmert sich nunmehr viel um den Sinn des Lebens und nur noch selten um den Fußball: Andreas Nickel. Foto: privat

Von Uwe Flegel

Auf dem Sportplatz ist Andreas Nickel immer noch unterwegs. Zum Beispiel wenn in der Oberliga das Derby zwischen Backnang und Großaspach ansteht. Die Zeiten, als der einstige Jugendnationalspieler, Ex-Kapitän der TSG und frühere Berater des deutschen Nationalspielers Antonio Rüdiger an den Wochenenden bei zwei oder gar drei Spielen zu sehen war, sind aber vorbei. „Fußball genießt bei mir nicht mehr die oberste Priorität“, erzählt der gebürtige Backnanger. Lieber beschäftigt sich der mittlerweile 53-Jährige damit, andere Menschen „zu inspirieren, das Jetzt und Heute zu leben“. Er lehrt sie, mit der Erfüllung ihrer Wünsche und Träume nicht zu warten, bis sie zum Beispiel irgendein Schicksalsschlag ereilt.

Bei ihm selbst war ein Burn-out vor fünf Jahren so ein Punkt, an dem er sich ernsthaft hinterfragte, ob es das Hamsterrad aus Versicherungsmakler, Spielerberater und anderen Vorhaben eigentlich weiterhin sein muss. Seine Antwort: Nein. „Ich habe mir gesagt, wenn ich es brauche, dann nehme ich mir eine Auszeit.“ Eine, die bei ihm allerdings vermutlich ein wenig leichter machbar ist als bei anderen. Denn „ich bin selbstständig und wir sind in der Versicherungsagentur acht Personen, da kannst du dich auch mal rausnehmen.“

Einsamkeit und Wind am Atlantik helfen

So wie er vor viereinhalb Jahren, als er sich zum ersten Mal auf den Jakobsweg machte. Vom portugiesischen Porto aus ging es nicht ganz 250 Kilometer an der Atlantikküste entlang nach Santiago de Compostela, weltbekannter Wallfahrtsort und Hauptstadt der nordspanischen Provinz Galicien. „Es war Februar, saukalt, beinahe alles war zu und außer mir war fast kein Mensch unterwegs“, erzählt der Mann, der 15 Jahre lang für die TSG Backnang in der Verbands- und Landesliga am Ball war. In der Einsamkeit seien ihm sehr viele und ganz andere Gedanken durch den Kopf gegangen als die, die ihn sonst im Alltagsleben beschäftigen, erzählt Andreas Nickel.

Es waren auf jeden Fall prägende Einsichten. Der Fußball, den er von klein auf liebte und in dem er zu Hause war, rückte bei ihm noch mehr in den Hintergrund. Das hat allerdings nicht nur etwas mit Burn-out und Jakobsweg zu tun, sondern auch mit der Erfahrung, die er im Frühjahr 2015 im Zusammenhang mit Antonio Rüdigers Wechsel vom VfB Stuttgart zu AS Rom machte. War er zu Beginn der Gespräche noch mit ihm Boot, sah er sich wenig später ausgebootet. „Es tut heute noch weh, wenn ich daran denke“, gesteht Nickel und hat dabei nicht nur das Geld im Blick, das ihm deshalb durch die Lappen ging. Er sagt: „Dieses Erlebnis hat mir den Glauben ans Gute im Menschen – zumindest im Fußballgeschäft – genommen.“ Schließlich war die Verbindung zwischen ihm und Rüdiger mehr als die zwischen einem Spieler und einem Berater. „Er war noch keine 18, als er hierherkam, und hat danach rund drei Jahre lang bei mir in Hohrot gewohnt“, erzählt der Backnanger. Er sagt: „Ich war für ihn eine Mischung aus großem Bruder und Vater. Stets hieß es: Andi, du bist wie Familie.“ Als es bei dem heute bei Real Madrid unter Vertrag stehenden deutschen Nationalspieler begann, ums ganz große Geld zu gehen, regelte das die echte Familie aber lieber unter sich. „Er ist jetzt ein Weltstar und ich auf einem Weg außerhalb des Fußballs“, lautet Nickels abschließender Satz.

Der altgediente Kicker spricht damit an, dass er sich mittlerweile zum Fastenbegleiter, zum Personal Trainer und zum Coach für Meditation und Achtsamkeit hat ausbilden lassen. Und er spricht von seiner zweiten Wanderung auf dem Jakobsweg im April und Mai dieses Jahres. Los ging es diesmal in Bilbao und endete dreieinhalb Wochen später kurz vor dem eigentlichen Ziel. „Meine Mutter ist gestorben, ich habe die Wanderung abgebrochen und bin zurück“, erzählt Nickel. Rund 500 der eigentlichen 580 Kilometer hatte er zu dem Zeitpunkt zurückgelegt und hat dabei unterschiedlichste Menschen als Begleiter kennengelernt. Die Deutsche, bei der Tour und tägliche Strecke klar strukturiert waren, wie die südländische Art und Weise, „die das Leben einfach ein Stück leichter nehmen, die dir auch mal sagen: Andi, bleib ruhig, was willst du denn schon wieder planen.“ Vor allem auf einem Weg, den viele auch gehen, um zum Wichtigen im Leben zu finden.

Andreas Nickel glaubt, dass ihm das gelungen ist. Vor allem schließt er nicht aus, dass er sich gar ein drittes Mal auf nach Santiago macht. Vorläufig will er allerdings erst einmal andere mit seinen Erfahrungen und Gedanken inspirieren. Auch im Fußball, denn „dort sehe ich immer wieder den einen oder anderen, dem es zum Beispiel manchmal am Selbstvertrauen fehlt und der deshalb eine Blockade hat“. Ganz weg von dem, was einst ein großer Teil seines Lebens war, ist er eben doch noch nicht.

Andreas Nickel ging einst als Kapitän der TSG Backnang voran. Archivfoto: Bernd Strohmaier

Andreas Nickel ging einst als Kapitän der TSG Backnang voran. Archivfoto: Bernd Strohmaier

Andreas Nickel

Die Anfänge Geboren wurde Andreas Nickel am 5. August 1969 in Backnang. Dort begann er beim FC Viktoria Backnang mit dem Fußball. Als D-Jugendlicher wechselte er zum VfB Stuttgart und wurde dort zum Jugendnationalspieler. Insgesamt 34 Spiele absolvierte der Defensivmann für den DFB im Nachwuchsbereich.

Die Aktivenzeit Im zweiten A-Jugend-Jahr wechselte der Backnanger vom VfB zum FC Schalke 04. Dort gehörte er in der Saison 1988/89 dem Bundesliga-Kader an, blieb aber ohne Einsatz. Deshalb wechselte er im Sommer 1989 zum Schweizer Zweitligisten FC Winterthur, war Stammkraft, hatte aber immer wieder Probleme mit einer alten Sprunggelenkverletzung. Ein Jahr später war dann auch Schluss mit der Profikarriere. Nickel kehrte in die Heimat zurück und schloss sich der TSG an. Mit dem damaligen Verbandsligisten wurde er in der Saison 1990/91 WFV-Pokal-Sieger. Insgesamt war er 15 Jahre für den Etzwiesenklub am Ball.

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Erstellt:
7. September 2022, 06:00 Uhr

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