Fluggastrechte

Flugverspätung: Das steht Passagieren zu

Bei Flugverspätung, Annullierung oder Überbuchung stehen Passagieren in der EU oft mehrere Hundert Euro Entschädigung zu. Wann Ihnen etwas zusteht, welche Fallstricke es gibt und wie Sie Ihre Ansprüche ohne großen Aufwand durchsetzen können.

Wer seine Fluggastrechte kennt, hat bei Verspätungen und Ausfällen gute Chancen auf eine Entschädigung.

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Wer seine Fluggastrechte kennt, hat bei Verspätungen und Ausfällen gute Chancen auf eine Entschädigung.

Von Katrin Jokic

Wenn ein Flug nicht pünktlich startet oder landet, haben Passagiere in der EU klare Rechte. Doch viele kennen sie nicht – und verschenken dadurch bares Geld. Im aktuellen Fall am Baden-Airpark, wo Personalmangel zu massiven Problemen führte, lohnt sich ein genauer Blick.

Bis zu 600 Euro Entschädigung – je nach Flugstrecke

Laut EU-Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 können Passagiere bei einer Verspätung von mehr als drei Stunden am Zielort pauschale Entschädigungen geltend machen:

  • 250 € bei Strecken bis 1.500 km
  • 400 € bei Strecken über 1.500 km (innerhalb der EU)
  • 400 € bei Strecken ab 1.500 und bis 3.500 km (außerhalb der EU)
  • 300 € bei Strecken über 3.500 km (außerhalb der EU)
  • 600 € bei Strecken über 3.500 km (außerhalb der EU) und einer Flugverspätung von mindestens 4 Stunden

Wichtig: Die Ankunftszeit ist entscheidend – nicht der Abflug.

Auch bei verpassten Anschlussflügen haben Passagiere unter bestimmten Bedingungen Anspruch auf Entschädigung – vorausgesetzt, die Flüge wurden gemeinsam gebucht. Das gilt selbst dann, wenn der verspätete Anschluss außerhalb der EU liegt und von einer Nicht-EU-Airline durchgeführt wurde. Der Europäische Gerichtshof (Urteil C-502/18) hat klargestellt: Entscheidend ist die Gesamtverbindung und nicht die Einzelstrecken.

Darüber hinaus greift die EU-Fluggastrechteverordnung nicht nur bei Verspätungen, sondern auch bei Annullierungen und Nichtbeförderung – etwa bei einer Überbuchung. In diesen Fällen stehen Passagieren ebenfalls pauschale Entschädigungen zu.

Für internationale Flüge, die außerhalb des Anwendungsbereichs der EU-Verordnung liegen, kann das Montrealer Übereinkommen zum Tragen kommen. Dort geht es allerdings nicht um pauschale Entschädigungen, sondern um den konkreten Nachweis von Schäden – etwa durch zusätzliche Hotelübernachtungen, neue Tickets oder Ersatzkäufe.

Unterstützungsleistungen bei langen Wartezeiten

Unabhängig von einer möglichen Entschädigung haben Passagiere Anspruch auf sogenannte Betreuungsleistungen. Je nach Flugdistanz haben Sie ab einer bestimmten Wartezeit am Flughafen das Recht auf kostenlose Getränke und Snacks durch die Airline.

  • Kurzstreckenflüge: Ab 2 Stunden Wartezeit
  • Mittelstreckenflüge: Ab 3 Stunden Wartezeit
  • Langstreckenflüge: Ab 4 Stunden Wartezeit
  • Abflug erst am Folgetag: Anspruch auf Hotelübernachtung und Transfer

Wird dies nicht aktiv von der Airline angeboten, dürfen Sie selbst buchen – die Airline muss die Kosten erstatten. Belege aufheben!

Ab fünf Stunden Wartezeit: Flug stornieren

Verspätet sich der Abflug um fünf Stunden oder mehr, können Passagiere vom Vertrag zurücktreten und den vollen Ticketpreis zurückverlangen. Ist ein Teil der Reise bereits absolviert, besteht Anspruch auf Rücktransport zum Ausgangsflughafen.

Außergewöhnliche Umstände: Wann keine Entschädigung gezahlt wird

Fluggesellschaften dürfen eine Entschädigung verweigern, wenn sogenannte außergewöhnliche Umstände vorliegen – also Ereignisse, die außerhalb ihres Einflussbereichs liegen. Dazu zählen zum Beispiel Unwetter, Vogelschlag, politische Krisen oder ein Streik des Flugsicherungspersonals. Kein außergewöhnlicher Umstand liegt hingegen vor, wenn der Streik vom eigenen Airlinepersonal ausgeht, ein technischer Defekt auftritt oder Personalmangel herrscht. In diesen Fällen ist die Fluggesellschaft in vollem Umfang verantwortlich und muss die Entschädigung zahlen.

Sonderfall Pauschalreise

Kommt der Flug mehr als vier Stunden zu spät, können Pauschalurlauber eine Preisminderung beim Reiseveranstalter fordern – meist anteilig nach Dauer der Verspätung (z. B. 5 % pro Stunde, maximal 20 % des Tagespreises).

Flug verspätet – wie komme ich an mein Geld?

Wer eine Entschädigung wegen einer Flugverspätung oder -annullierung einfordern will, sollte strukturiert und informiert vorgehen. Der erste Schritt führt immer zur Fluggesellschaft: Viele Airlines bieten auf ihrer Website eigene Formulare zur Reklamation an. Dort können Betroffene ihre Ansprüche direkt geltend machen – oft mit wenigen Klicks. Bei Pauschalreisen ist hingegen zunächst der Reiseveranstalter der richtige Ansprechpartner.

Unterstützung bieten beispielsweise die Verbraucherzentralen: Mit ihrer Flugärger-Appoder auf den Webseiten informieren sie über die wichtigsten Rechte und stellen kostenlose Musterbriefe bereit. Auch der ADAC bietet Formulierungshilfen, unter anderem einen Musterbeschwerdebrief zur Einreichung bei der Airline.

Wenn es kompliziert wird: Schlichtung statt Klage

Kommt es zum Streit, ist der Gang vors Gericht nicht die einzige Option. Die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) kann eingeschaltet werden – kostenlos und außergerichtlich. Sie vermittelt zwischen Passagier und Airline mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung. Alle deutschen Airlines und viele internationale Fluggesellschaften sind der SÖP angeschlossen.

Flugrecht-Dienstleister übernehmen das Risiko

Wer sich den Aufwand oder das Risiko einer juristischen Auseinandersetzung sparen will, kann spezialisierte Anbieter wie Flightright, Fairplane oder MyFlyright beauftragen. Diese sogenannten Legal-Tech-Unternehmen prüfen den Fall, setzen die Forderung durch und behalten bei Erfolg eine Provision von meist 20 bis 30 Prozent der Entschädigung. Verliert der Anbieter den Fall, entstehen keine Kosten für den Kunden.

Rechte kennen spart Geld

Ansprüche können auch Jahre später noch geltend gemacht werden – in Deutschland bis zu drei Jahre rückwirkend. Wer seine Rechte kennt und Beweise sichert, hat gute Chancen auf eine Entschädigung. Ob 250 oder 600 Euro – die Summe kann sich lohnen. Wer vorbereitet ist, spart Nerven – und holt sich zurück, was ihm zusteht.

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Erstellt:
5. August 2025, 10:52 Uhr

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