Buch über den Kanzler
Friedrich Merz und die Frage nach den passenden Schuhen
Die Journalistin Mariam Lau legt das bislang beste Buch über den neuen Bundeskanzler vor – und verrät dabei auch, was dieser mit dem früheren US-Präsidenten Ronald Reagan gemeinsam hat.

© Sebastian Gollnow/dpa
Friedrich Merz am Tag der Kanzlerwahl im Bundestag.
Von Tobias Peter
Es ist ein spannender Vergleich. Wenn man überlege, an welchen konservativen Politiker Friedrich Merz erinnere, dann lande man schnell beim ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan, schreibt Mariam Lau. Sie bezieht sich dabei auf Merz‘ Manöver, kurz nach der Bundestagswahl die Schuldenbremse drastisch zu lockern.
„Merz – Auf der Suche nach der verlorenen Mitte“ heißt das Buch aus dem Ullstein-Verlag, das Lau gerade über den neuen Kanzler veröffentlich hat. Das Buch der „Zeit“-Journalistin ist nicht das erste über Merz, aber das bislang beste. Es ist keine Biografie. Vielmehr geht Lau einigen Fragen rund um den Mann aus dem Sauerland nach, von dem nun so viel für die Zukunft Deutschlands und Europas abhängt.
„Er war ein wahrer Konservativer. Aber Junge, war der Mann pragmatisch, als es ans Regieren ging“, so zitiert Lau Reagans Biografen Max Boot. Wieder und wieder habe Reagan seinem Misstrauen gegen den Staat und die überbordende Bürokratie Ausdruck verliehen. Aber die Staatsausgaben seien unter seiner Präsidentschaft in die Höhe geschossen.
Nähe und Distanz
Ob die Parallele zu Reagan am Ende schmeichelhaft oder nachteilig für Merz ist, liegt im Auge des Betrachters. Lau, die Merz‘ als Journalistin in den vergangenen Jahren viel begleitet hat, gelingt es, einerseits nah an ihn heranzukommen und andererseits Distanz zu halten. Für sie ist klar: Merz‘ Verhalten kurz nach der Wahl kommt einem Wortbruch gleich. Dabei, so die Autorin, hätten die Menschen es verstanden, wenn Merz ihnen schon vor der Wahl klar gesagt hätte, dass nicht zuletzt für die Verteidigung zusätzliche Kredite notwendig sein würden.
Lau widmet ein ganzes Kapitel auch den Ereignissen, die sie „die schwarz-blaue Höllenwoche des Kanzlerkandidaten“ nennt. Dabei geht es um die Entscheidung, Anträge zur Migrationspolitik im Bundestag voranzubringen – unabhängig davon, ob sie die Zustimmung der AfD finden würden. Ein Vorgehen, das viele Proteste im Land auslöste. Zumal Merz im Bundestag nach dem Bruch der Ampel selbst versprochen hatte, der AfD solche Momente der Macht auf jeden Fall zu verwehren.
„Friedrich Merz opferte in dieser Woche die kostbarste Ressource, die ein Konservativer hat – sein Ehrenwort“, schreibt Lau, deren Schwerpunkt als Journalistin Konservatismus, CDU, AfD und Migrationspolitik sind. „Für ein Manöver, das am Ende nur Verlierer unter den Demokraten, gar nichts in der Sache und triumphierende Extremisten produziert hatte.“
Trotz solcher Kritik zeichnet die Autorin insgesamt ein sehr differenziertes Bild von Merz. Sie hebt hervor, dass er ein flammender Europäer ist. Der heutige Kanzler hat seine ersten Schritte als Berufspolitiker im Europäischen Parlament gemacht – im Alter von 34 Jahren. Damals galt eigentlich noch das Motto: „Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa.“ Doch Merz nutzte die Chance gern. Auf diesem Fundament kann Merz nun in Zeiten Donald Trumps als Kanzler für ein stärkeres Europa arbeiten.
Die Frauen-Frage
Ein im Wahlkampf oft diskutiertes Thema war, ob Merz ein Problem mit Frauen hat – oder vielleicht sie mit ihm. Lau hat sich auch mit Merz‘ Ehefrau Charlotte getroffen. „Was soll gerade ich dazu sagen?“, antwortet sie. Die Richterin erklärt, ihr Mann habe ihr – im Studium wie später im Beruf – immer den Rücken freigehalten und sie unterstützt. Frage man Frauen in der Unions-Fraktion höre man beides, gute und nicht so gute Erfahrungen mit Merz, schreibt Lau. Wer sich reinhänge, werde gehört, wird eine CDU-Politikerin zitiert. „Er sieht nur eben nicht ein, das Frau-Sein einem schon einen Vorteil verschaffen soll.“
Merz ist jetzt seit kurzem Kanzler. Der Schritt vom Oppositionsführer zum Landesvater aller Deutschen sei ihm noch nicht gelungen, befindet Lau. Sie hat aber immer wieder beobachtet, dass Merz Freude daran habe, sich weiterzuentwickeln. Dies sei für ihn eine angenehme Erfahrung, „wie das Wegwerfen eines zu engen Schuhs“. Das ist vielleicht schon ein Teil des Geheimnisses einer erfolgreichen Kanzlerschaft: in jeder Hinsicht die passenden Schuhe zu finden.