PR-Kampagnen in der Autoindustrie
Früher war bei Mercedes und VW alles besser – auch die Werbung
Die Zeiten, in denen die PR-Kampagnen der deutschen Autohersteller mutig und kreativ waren, sind vorbei. Warum nur hat die Branche ihren Witz verloren?
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Mercedes bleibt Mercedes: aber nicht in der Werbung.
Von Peter Stolterfoht
Eine Wüste wie aus dem Bilderbuch, eine staubige Sandpiste, am Rand ein einsamer Baum mit einer Krähe in der verdorrten Krone. Der Vogel macht große Augen, als sich ein Auto nähert. Schnitt. Darin sitzen ein junges Paar, der Mann am Steuer eines Golf II GTI , während die Frau auf dem Beifahrersitz schläft. Plötzlich quietscht irgendetwas im Innenraum. Weil sich der Fahrer einfach keinen Reim auf die Geräuschquelle machen kann, stoppt er an einer einsamen Tankstelle, deren Betreiber das Problem mit seiner Ölkanne beheben will. Nach langer Suche stellt sich heraus, dass es der leicht schwingende Ohrring der schlafenden Frau ist, der das Quietschen erzeugt. Mit einem zahnlosen Lachen träufelt der Tankwart einen Tropfen Öl auf das Schmuckstück. Geräuschlos geht die Fahrt weiter – mit der Einblendung: „VW. Da weiß man, was man hat.“
Mut in der Werbung wurde früher belohnt
So sah früher ein deutscher Auto-Werbespot aus. Die Kampagne aus dem Jahr 1990 ist eines von vielen Beispielen dafür, wie kreativ, humorvoll und überraschend die Hersteller früher ihre Fahrzeuge beworben haben. Der Mut wurde damals belohnt – nicht nur mit guten Verkaufszahlen, sondern auch immer wieder mit den wichtigsten Preisen der Werbewirtschaft. Heute dagegen stellt sich meistens ganz schnell Langeweile ein bei der Betrachtung des angebotenen PR-Einheitsbreis.
Erklären lässt sich diese Entwicklung mit den Rahmenbedingungen. Früher genossen die beauftragten Werbeagenturen viel größere Freiheiten und durften sich auf einem kreativen Spielplatz austoben. Heute sind dort jedoch immer mehr Verbotsschilder aufgebaut.
Dabei sind gerade die sozialen Medien zu einer Art Spaßbremse geworden, weil jede Kampagne von der großen Angst vor einem Shitstorm begleitet wird. Eine solche sich im Netz ausbreitende Kritiklawine will die Autobranche gerade in Krisenzeiten unbedingt vermeiden. Nur keine Angriffsfläche bieten, nicht wie 2018 mit dem Mercedes-Slogan Marke Glückskeks-Weisheit: „Betrachte die Lage von allen Seiten, und du wirst offener werden.“ Was folgte, waren empörte Reaktionen von allen Seiten.
Weil das Zitat dem Dalai Lama zugeschrieben wird, meldete sich zunächst China erbost zu Wort. Dort wird das Heilige Oberhaupt Tibets als Staatsfeind betrachtet. Dass Mercedes daraufhin die Werbung zurückzog, kritisierten wiederum viele hierzulande als ein unmoralisches Einknicken vor China, damit die wichtige Geschäftsbeziehung dorthin bloß keinen Schaden nehme.
Vorsicht ist das Werbegebot der Stunde
Die Vorsicht spielt in der Werbung heutzutage eine immer größere Rolle. Das macht sie oft nichtssagend und lässt sie dadurch schnell in Vergessenheit geraten. So wie vor Kurzem bei der Präsentation des neuen CLA zu sehen gewesen ist. Bei der Mercedes-Kampagne wurde der Wagen von der Rapperin Ice Spice in Szene gesetzt. Das sah dann aus, als habe der Wagen von Mad Max versehentlich die Ausfahrt in die Barbie-Welt erwischt. Und bei der Präsentation des CLA in Rom hießen die Stargäste Camila Cabello oder Central C. Die sorgen vielleicht für schicke Bilder auf Instagram. Ob allerdings mit diesen nur einem jungen Publikum geläufigen Namen die eigentliche Zielgruppe erreicht wird, darf bezweifelt werden.
Ganz anders kommt ein 45-Sekunden-Werbeklassiker daher, den Mercedes im Jahr 2010 produziert hat. Der Videoclip zeigt eine verschneite Landschaft und wie dort ein Mercedes-Formel-1-Weltmeister den anderen überholt. „Sonntagsfahrer“ nennt Mika Häkkinen in der E-Klasse beim Überholen Michael Schumacher, der am Steuer eines SL-Oldtimers sitzt. An Häkkinen zieht dann wiederum Franz Beckenbauer in der G-Klasse vorbei, der den Finnen wiederum als „Rentner“ bezeichnet. Für eine ganz eigene Note sorgt außerdem der Schlager „Spuren im Schnee“ von Vico Torriani als Begleitmusik. Bevor es im Abspann heißt: „Entspannt durch den Winter. Mit dem permanenten Allradantrieb vom Erfinder des Automobils.“ Alles Schnee von gestern.
Seitdem hat sich die Technik bei Mercedes enorm weiterentwickelt, die Qualität der Werbebotschaften ist dagegen zurückgegangen. Der Mercedes-Clip „Sonntagsfahrer“ hat dagegen alles, was gute Werbung ausmacht. Da wäre der Überraschungseffekt, in dem Weltstars ganz untypisch in Szene gesetzt werden. Hinzu kommt die Selbstironie der Marke Mercedes, die das eigene spießige Image mit Begriffen wie „Sonntagsfahrer“ oder „Rentner“ aufgreift, die dabei auch noch der Wahrheit entsprechen. Häkkinen war damals als Formel-1-Fahrer bereits zurückgetreten, während Schumacher immer sonntags an den Start ging. All das zusammen wirkt spielerisch und leicht.
Obwohl es in der Werbung auch anderswo in Richtung „Nur nichts falsch machen“ geht, fällt dieser Trend bei Mercedes und VW besonders auf. Der Grund: in Stuttgart und Wolfsburg wurden auf diesem Gebiet einst Maßstäbe gesetzt.
