Gaspreise steigen erneut
Die Stadtwerke Murrhardt sehen sich gezwungen, die Tarife um vier Cent pro Kilowattstunde netto anzuheben, weil auch die Beschaffung teurer geworden ist. Die Verantwortlichen hoffen, bei einer Entspannung zeitnah reagieren und die Preise wieder senken zu können.

Die milden Temperaturen im Oktober wirkten sich für die Stadtwerke insofern negativ aus, als sie das nicht benötigte Gas wieder zu niedrigeren, tagesaktuellen Preisen verkaufen mussten. Foto: Jörg Fiedler
Von Christine Schick
Murrhardt. Es ist das omnipräsente Thema – Energiekostensteigerungen vor allem beim Gas. Dieser Tage und kühl betrachtet also wenig überraschend, dass es auch die Walterichstadt wieder erreicht. Trotzdem war es den Mitgliedern des Werkausschusses anzumerken, dass es ihnen alles andere als angenehm war, über die nun noch mal anstehende Gaspreiserhöhung zu entscheiden. „Die Lage ist wie sie ist. Der Ukrainekrieg und seine Auswirkungen bedeuten, dass die Einkaufspreise für Gas deutlich gestiegen sind. Dadurch geraten auch die Stadtwerke unter Druck, was uns seit einigen Monaten umtreibt“, leitete Bürgermeister Armin Mößner das Thema ein. Aus diesem Grund sei man gezwungen, nun noch mal nachzusteuern. Zwar gehen besagte Einkaufspreise mittlerweile wieder etwas zurück, wie Stadtwerkegeschäftsführer Rainer Braulik erläuterte, aber die städtische Tochter hat das Gas, das nun beziehungsweise künftig verteilt wird, schon vor bis zu sieben Monaten und insofern auch zu im Vergleich höheren Preisen beschafft. Wenn man nun nicht reagiere, drohe den Stadtwerken ein Verlust.
Gerade weil die aktuelle Preissituation aber etwas besser aussieht, kündigte der Geschäftsführer an, dass man jedes Quartal neu bewerten und entsprechend nachsteuern werde, um die Entlastung entsprechend an den Kunden weiterzugeben. Dies erwartet er konkret ab dem kommenden April. „Wir hoffen, dass es besser wird. Klar ist auch, dass wir von den Stadtwerken her keinen Gewinn anstreben“, sagte er. Es gehe lediglich darum, ein höheres Defizit zu vermeiden. Eine gewisse Erleichterung für den Kunden sieht Braulik durch die Senkung der Umsatzsteuer von 19 auf sieben Prozent, die seit Oktober greift und bis April 2024 gilt.
Im Vergleich zu 2021 liegt die Erhöhung dann insgesamt bei 364 Prozent
Unabhängig von der Gaspreisbremse und kommenden Preisveränderungen ist die Anhebung beim sogenannten Arbeitspreis (bezieht sich auf den Verbrauch in Abgrenzung zum Grundpreis) um vier Cent pro Kilowattstunde netto keine Kleinigkeit. Das Beispiel der Stadtwerke aus der Beratungsvorlage zur Einordnung: Für Erdgaskunden würde dies bei einer jährlichen Verbrauchsmenge von 18000 Kilowattstunden – einem Durchschnittswert für ein älteres Einfamilienhaus mit etwa 150 Quadratmetern – zu einem erneuten Anstieg der Energiekosten um rund 770 Euro brutto für das Jahr 2023 führen. Verglichen mit dem Preisniveau 2021 im Treuekundentarif der Stadtwerke bedeutet dies für besagtes Beispiel trotz geringerem Mehrwertsteuersatz und ohne die geplanten Entlastungen sowie möglichen später zurückgehenden Einkaufspreise (und Reaktionsmöglichkeiten) Kosten für Erdgas von rund 4398 Euro brutto pro Jahr. Gemessen an den 1208 Euro per anno im Jahr 2021 entspräche dies einer Steigerung von 364 Prozent.
„Das Gute ist, es wird wieder runtergehen“, sagte Braulik mit Blick auf die aktuell gesunkenen Gaspreise. Mittlerweile hätten auch andere Anbieter keinen Spielraum mehr und müssten bei den Tarifen nachziehen. Viele Kunden seien auch zu den Stadtwerken zurückgekehrt. Für Braulik ist dabei die Verlässlichkeit ausschlaggebend. Wer bei Billiganbietern Kunde ist, sei einfach einem gewissen Risiko ausgesetzt, dass sich dort das Blatt wieder entsprechend wende.
Der außergewöhnlich milde Oktober mit Spitzentemperaturen von über 25 Grad war zwar heiztechnisch positiv, für die Stadtwerke (Nachfrage Gerd Linke, MDAL/Die Grünen) wirkt er sich allerdings wirtschaftlich gesehen aufgrund des längeren Beschaffungsvorlaufs sogar negativ aus. Braulik erläuterte, dass vor dem Hintergrund einer typischen Durchschnittstemperatur mit einer bestimmten Verbrauchsmenge kalkuliert und entsprechend eingekauft werde. Da nun aber aufgrund der Witterung (statt ungefähr fünf Grad im Schnitt zwölf bis 14 Grad) weniger Gas abgenommen wurde, bedeutet dies, den Überschuss zum aktuellen Tagespreis wieder verkaufen zu müssen. Je nach weiteren Marktteilnehmern stellt sich ein neues Gleichgewicht ein. Da die Preise aber aktuell niedriger sind, ist das für die Stadtwerke ein schlechtes Geschäft, so Rainer Braulik. Gerd Linke war es wichtig, dass die städtische Tochter noch mehr herausstellt als bisher, dass künftig in kürzeren Abständen nachgesteuert werden soll, und dass sie die Entwicklungen und Schritte möglichst transparent nach außen macht.
Edgar Schäf (SPD) sah keine Möglichkeit, um die Preiserhöhung herumzukommen. Die Rahmenbedingungen und die längere Vorplanung für den Einkauf zögen einfach entsprechende Konsequenzen nach sich.
Versorgungssicherheit ist von Tiefe der Temperaturen und Kältedauer abhängig
Er erkundigte sich, wie es mit der Versorgungssicherheit aussehe. Nach Einschätzung Brauliks ist die eben nicht automatisch unter Dach und Fach. Es lasse sich für die Speicher bei knackiger Kälte nicht mehr mit den gewohnten Mengen an nachströmendem Gas rechnen. Insofern hänge es von der konkreten Temperatur und der Spanne der Kälte ab, ob man Probleme bekomme oder nicht. Dauere eine Kältephase mit Minusgraden über zehn Tage, sei die Lage nach wie vor kritisch.
Mario Brenner (CDU/FWV) hob auf die Anhängigkeit von der Gesamtlage ab. Gleichzeitig unterstrich er, dass es für die Stadtwerke nicht um einen Gewinn gehe, sondern darum, ein Defizit abzuwenden sowie darum, nach Möglichkeit bei Entspannung der Lage mit Blick auf die Kunden erneut zu reagieren.
Wolfgang Hess (UL) nahm auf das Einfamilienhausbeispiel Bezug: „Eine Erhöhung um 364 Prozent ist eine Katastrophe.“ Trotzdem sei es für die Stadtwerke nicht anders machbar. Man könne nur hoffen, dass die Steigerung mit dem kommenden Quartal wieder ein Stück weit zurückgenommen werden kann. Ehrlicherweise müsse man aber auch sagen, die Entwicklung sei nicht vorherzusehen. Zudem habe man keinen Einfluss auf das Weltgeschehen und die Konsequenzen ebenso wie auf Einzelne, die je nach Lage auch keine Energie sparen, weil sie es nicht müssten. Umgekehrt werde es viele geben, die diese Kosten nicht mehr aufbringen könnten. Damit stelle sich für ihn die Frage, wie man Bedürftige ausmachen und unterstützen könne. Nach der Aussprache fasste der Werksausschuss den Beschluss zur vorgeschlagenen Preiserhöhung einstimmig.
Tariferhöhung Der Arbeitspreis für Erdgas bei den Stadtwerken Murrhardt wird zum 1. Januar 2023 um vier Cent pro Kilowattstunde netto erhöht, der Bruttopreis beträgt 4,28 Cent pro Kilowattstunde.
Relationen Zum ersten Quartal (Januar bis März) 2023 beläuft sich der reine Einkaufspreis für die Stadtwerke auf rund 20 Cent pro Kilowattstunde. Bisher lag der Treuetarif (Voraussetzungen sind ein erteiltes SEPA-Lastschriftmandat und höchstens eine Rücklastschrift pro Jahr) beispielsweise für Kochgas bei 19,70 Cent pro Kilowattstunde, der Kleinverbrauchstarif bei 19,41 Cent pro Kilowattstunde. Weitere Versorgungstarife bewegen sich in der Spanne von 18,45 bis 17,85 Cent pro Kilowattstunde. Mit der zu Jahresbeginn 2023 greifenden Erhöhung liegen sie entsprechend um vier Cent höher. Zuletzt haben sich die Tarife im September 2022 im Vergleich zu Jahresbeginn um 8,3 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Weitere Infos mit Tarifübersichten finden sich unter www.murrhardt.de/de/Stadtwerke/Erdgas.
Kein Gewinn Der Aufwand für den Erdgaseinkauf wird sich im Wirtsschaftplan für 2023 deutlich erhöhen, wie die Murrhardter Stadtwerke zum Thema in der Vorlage mit Blick auf die finanziellen Auswirkungen informieren. Gleichzeitig müssen sich die geplanten Erträge aus dem Erdgasverkauf deutlich erhöhen. Insgesamt wird ein ausgeglichenes Spartenergebnis ohne einen Gewinn (im Wirtschaftsplanjahr 2022 war ein Plus von 185000 Euro für die Sparte vorgesehen) erwartet.