Gedeckter Tisch für Wild- und Honigbiene

Murrhardter Imker informieren über gute Bepflanzung – Vereinschef Rudolf Hofmann hält spontan fachlichen Input bereit

Eine diplomierte Landschaftsplanerin aus dem Hohenlohischen hätte den Herbstvortrag des Bezirksbienenzüchtervereins Murrhardt über insektenfreundliche Gärten halten sollen. Als zwei Stunden vor Veranstaltungsbeginn der Ehemann der Referentin anruft, fällt dem Vorsitzenden Rudolf Hofmann erst mal die Kinnlade herunter: Seine Frau könne leider den Termin nicht wahrnehmen, ihr Baby sei krank geworden. Nichts zu machen. Doch der Vereinschef kann souverän improvisieren.

Von Ute Gruber

MURRHARDT. Zunächst bricht Hektik aus: Soll Rudolf Hofmann jetzt alle 142 Vereinsmitglieder anrufen und ihnen absagen? Was ist mit der Presse, die sich angekündigt hat? Überhaupt: Man weiß ja nicht, wer sonst noch zu der öffentlichen Veranstaltung kommt – die Herbstvorträge des Bezirksbienenzüchterverein sind schließlich immer gut besucht. Hofmann meldet sich erst mal bei der Kronenwirtin in Fornsbach, in deren Saal die Veranstaltung wie gewohnt stattfinden soll. Auch die fällt aus allen Wolken, schließlich hat sie in froher Erwartung der Gäste Zutaten für 80 Essen eingekauft. Ja, natürlich könne sie auch eine Notiz an die Tür hängen, dass der Vortrag nicht stattfinde. Aber ob die von weiter her Angereisten dann wohl je wiederkämen?

Rudolf Hofmann überlegt nicht mehr lange, sondern startet durch. Zum Glück hat er als Leiter der Einsteigerkurse schon etwas Erfahrung mit pädagogischer Vermittlung und Powerpoint. Er beschließt, das unlängst nach einem Bundesgartenschau-Besuch im eigenen Garten angelegte, bienenfreundliche Staudenbeet als Aufhänger zu nehmen. Gerade mal eine gute Stunde hat er noch für die Vorbereitung Zeit. In einer Regenpause macht er schnell ein paar aktuelle Fotos vom Beet, sucht dazu die kahlen vom Frühjahr direkt nach der Pflanzung heraus, dann noch ein paar passende Bilder aus einem Prospekt. Er findet noch Listen über geeignete Blühpflanzen und schon ist es Zeit, zu gehen.

Kopfschütteln unter den rund 60 erwartungsvollen Vereinskollegen und anderen bieneninteressierten Gästen, als ihnen im gut gefüllten Saal die unfrohe Kunde überbracht wird. Schriftführer Charles Angelbauer macht seinem Ärger Luft: Vier Stunden sei er hergefahren, jeden Stau im freitäglichen Feierabendverkehr zwischen Bodensee, Stuttgart und Murrhardt habe er mitgenommen, nur wegen dieses Vortrags.

Allmählich glätten sich die Wogen, man bestellt Getränke und Köstliches aus der Speisekarte: Rostbraten, Maultaschen, Bratwurst oder den bei Frauen beliebten Salat mit Putenstreifen und gerösteten Pilzen. Pünktlich um 19 Uhr beginnt der Vorsitzende souverän seinen improvisierten Vortrag über Insektensterben, wirtschaftliche Zwänge in der Landwirtschaft, Wirtsspezifität von Wildbienen und die Möglichkeiten jedes Einzelnen – zum Beispiel das bienenfreundliche Staudenbeet im Hausgarten anzulegen. „Dazu gehört auch ein sonniges Sandbeet, das man nicht umschoren soll“, hat sich Hofmann erkundigt, „weil die meisten Wildbienen im Boden nisten. Nur sechs Prozent der Arten nutzen anscheinend Schilf oder Mauerwerk, wie sie ein Insektenhotel bietet.“ Elf Monate bleiben manche Bienen in diesem Winterquartier, nur zur Blüte ihrer Wirtspflanze werden sie aktiv. „Das wäre was für mich“, meint augenzwinkernd ein Zuhörer.

Anschließend wird diskutiert: Über die Konkurrenz von Wild- und Honigbienen, wegen der in Naturschutzgebieten keine Bienenvölker erwünscht sind, die Vorteile der guten alten Sensenmahd gegenüber dem insektenschreddernden Rasenmäher und schließlich über den Einfluss von Wanderschäfern auf einheimische Wildblumenwiesen.

Außerdem bleibt noch viel Zeit für angeregte Gespräche zwischen Bienenfreunden, Bienenhaltern und solchen, die es werden wollen – ein spontaner Vereinsabend in Fornsbach eben. Und den selbst produzierten Honig, der eigentlich für die Referentin gedacht war, bekommt nun die treue Wirtin als Entschädigung für die Aufregung.

Gedeckter Tisch für Wild- und Honigbiene

© Jörg Fiedler

Info
Wer Wildbienen etwas Gutes tun will, holt sich Löwenzahn in den Garten

Bienenweidepflanzen finden sich unter allen Wuchstypen und dienen auch den Generalisten unter den wilden Insekten.

Bei den Bäumen sind es Obstbäume, Weide, Kastanie, Robinie, Linde, Ahorn, Eberesche, Kornel- und Traubenkirsche sowie Trompetenbaum.

Sträucher: Liguster, Roseneibisch, Felsenmispel, Schneebeere, Rosen (ungefüllt), Kletterhortensie, Falscher Jasmin, Schneeheide, Schlehe, Stechpalme, Berberitze und alle Beerensträucher.

Blumen: Senf, Sonnenblume, Phlox, Mohn, Storchschnabel, Tagetes, Phacelia, Malve, Dahlie (ungefüllt), Goldrute, Kornblume, Herbstastern und Herbstanemone.

Kletterpflanzen: Wilder Wein, Clematis und Efeu.

Stauden/Zwiebelgewächse:Schneeglöckchen, Krokus, Lungenkraut, Steinkraut, Scabiosen, Fette Henne, Maiglöckchen, Goldnessel, Kugeldistel, Beinwell und Katzenminze.

Kräuter: Thymian, Schnittlauch, Salbei, Zitronenmelisse, Bärlauch, Lavendel, Majoran und Borretsch.

Fachliche Unterstützung: Baumschulen bieten meist Beratung an und erstellen auch einen Beetplan. Wichtig ist bei der Auswahl der Zierpflanzen, dass die Blüten nicht gefüllt (Blütenblätter oder andere Elemente sind züchterisch vermehrt) sind, damit die Insekten Staubgefäße und Nektardrüse auch erreichen können. Vor allem Spätblüher sind begehrt.

Abstände und Alternative: Spezialisten unter den Wildbienen nutzen nur eine einzige Wildblumenart (zum Beispiel Klatschmohn oder auch Witwenblume); deren Saatgut muss genetisch unverändert und aus der Region sein. Für sie ist die Anlage einer Wiese sinnvoll. Da Wildbienen im Gegensatz zu Honigbienen, die bis vier Kilometer weit fliegen, nur wenige Hundert Meter Flugradius haben, sollten etwa in einem Abstand von 200 Metern weitere Wieseninseln liegen. Wem dies zu kompliziert ist, für den gibt es einen Trost: Eine der beliebtesten Blüten bei den Wildbienen ist der Löwenzahn! Und der lässt sich ohne viel Aufwand in jedem Garten kultivieren.

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Erstellt:
22. Oktober 2019, 06:00 Uhr

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