Gelungener Start fürs Sommernachtskino

Von Christine Schick

Murrhardt. Die große Leinwand, die als Airscreen mit einer guten Portion Luft in Form gebracht wird, steht erwartungsfroh vor den Sitzreihen und die ersten Gäste suchen sich schon kurz nach 20 Uhr ihre Plätze aus. Wer sich fürs Rasenparkett entschieden hat, breitet die Picknickdecke aus, ansonsten heißt es, in der Stuhlloge seinen Standort zu finden. Das Team der Gastgeber – die beiden Vereine „Kommunales Kino Murrhardt“ und „Vielfalt tut gut“ – hält sich bereit, um für die klassischen flankierenden Kinogenüsse zu sorgen. Die Popcornmaschine rattert und Getränke werden über die Tresen gereicht. Auch Profi-Open-Air-Kinogängerinnen sind am Abend im Murrhardter Stadtgarten dabei – mit eigenem Stuhl oder beispielsweise auch Kinosessel in der schulterbaren Tasche, die auch als etwas zu groß geratene Golfausrüstung durchgehen könnte.

Es finden sich über 160 Zuschauerinnen und Zuschauer im Freilichtkino ein

Dem Rasen ist die Hitze und Trockenheit anzusehen, aber das Ambiente der Parkanlage im Herzen der Stadt ist fürs Sommernachtskino einfach unschlagbar. Hendrik Jäger vom Kinoverein und Leonie Treml sowie Christian Staita von „Vielfalt tut gut“ sind ziemlich zufrieden in Bezug auf die Vorbereitungen und die Resonanz beim Auftaktabend. Nach Recherchen zu den Vorjahren liegt die Zahl der Besucherinnen und Besucher mit über 163 verkauften Tickets und dem Wahlfilm „Wunderschön“ kurz vor Vorstellungsbeginn noch einen Tick höher als bei der Premiere im Sommer 2020 mit 159 Tickets. Die Erfahrung macht sich mittlerweile bemerkbar und bezahlt: Der Aufbau hat gut funktioniert, lief entspannt und routiniert ab. „Und wir haben mit ,Monsieur Claude und sein großes Fest‘ und ,Elvis‘ zwei aktuelle Filme bekommen“, erzählt Hendrik Jäger, was nicht selbstverständlich und nur mit einem gewissen Hintergrund und Standing bei den Veranstaltungen möglich ist. Auch mit der Ausleihlogistik hat es noch gut geklappt. Der Airscreen kommt von einem Verleiher aus Würzburg, der selbst Open-Air-Veranstaltungen macht, und die Tontechnik stellt eine Firma aus Kirchheim am Neckar. „Ansonsten haben wir auch das eine oder andere vom Sommerpalast abgestaubt“, sagt Christian Staita. Der Verein Palastkultur stellt Ausrüstung für weitere Engagierte ja explizit zur Verfügung, sprich verleiht sie. Auch die Stadt Murrhardt hat unterstützt – beispielsweise mit einem Toilettenwagen und Kabellogistik. Im Aufbau des Sommernachtskinos stecken zwei Tage Arbeit, inklusive Transport des Ersatzprojektors aus den Murrlichtspielen, bei dem man ziemlich lange Arme bekommt, wenn man mit ihm gegen die Schwerkraft anzukämpfen hat, so Christian Staita.

Froh ist das Team auch um die Unterstützung des Projekts „Partnerschaft für Demokratie Rems-Murr“ mit Fördergeldern. „Ohne die Partnerschaft für Demokratie hätten wir nicht so günstige Ticketpreise anbieten können“, sagt Leonie Teml. Das zusätzliche technische Equipment und der Filmverleih fallen so nicht zu 100 Prozent ins Gewicht. Die Verbindung zum Thema Demokratie findet sich auf mehreren Ebenen. Da gibt es beispielsweise die Möglichkeit, für den eigenen Wunschfilm (vier Filme standen zur Auswahl) zum Auftaktabend abzustimmen. Zwei weitere Streifen beschäftigen sich auch mit Themen der Gleichberechtigung – bei „Elvis“ wird neben Biografie und Musikerleben auch das Verhältnis zur schwarzen Bevölkerung beleuchtet – und Vielfalt – „Monsieur Claude und sein großes Fest“ verhandelt Konflikte in einer Familie, deren Mitglieder aus unterschiedlichen Ländern stammen, auf humorvolle Art und Weise. Nicht zu vergessen die „Vielfalt-Games“, die als Extraprogramm am Samstagnachmittag angeboten werden, den Alltag von behinderten Menschen sichtbarer und nachvollziehbarer machen wollen und zu einem gegenseitigen Kennenlernen einladen.

Kurz vor 21 Uhr finden sich die letzten Gäste ein. Die Dämmerung kündigt sich an und nach der Vorschau heißt es Vorhang auf für „Wunderschön“. Die Collage und Tragikomödie setzt Szenen aus dem Leben sehr verschiedener Frauen zusammen, die neben teils familiärer Verbindungen auch noch ein gemeinsames Thema haben: Körperfrust und der Kampf mit gesellschaftlichen Schönheitsidealen.

Komödiantischer Blick

auf das Thema Frauenkörper

Die Regiearbeit von Schauspielerin Karoline Herfurth, die auch selbst vor der Kamera steht und eine junge Mutter verkörpert, kommt leicht und mit spritzigen Dialogen daher, aber es gibt auch Szenen, die einen seltsam melancholisch stimmen angesichts von so viel Sehnsucht nach dem perfekten, optimierten Körper. Die einzelnen Frauen sind einem deshalb kein bisschen unsympathisch, im Gegenteil, und jede leuchtet das Thema anders aus, inklusive der Andeutung, was denn da an persönlichen Stärken auch noch zu berücksichtigen sein müsste. Und nach dem Abspann ist der Wunsch groß, dass Kategorien wie zu dick, zu dünn, zu faltig, zu alt beiseite gelegt werden oder zumindest ein wenig verblassen.