Geschichten vom Wandel der Zeit

Liederabend mit Thomas Felder in der Stadtkirche Murrhardt – Schwäbische Mundart mit dem Thema Vergänglichkeit

50 Jahre auf der musikalischen Walz und noch immer witzig, politisch und zweideutig-brav. Das ist der Liedermacher Thomas Felder, der ein Gastspiel in der Stadtkirche gab. Seine Markenzeichen: Sein echter Älbler Dialekt und ein Sammelsurium an Instrumenten, die er bearbeitet.

In der Murrhardter Stadtkirche präsentierte Thomas Felder im Rahmen des Liederabends sein Programm „Von Wegen“. Dabei griff er mal zur Drehleier, mal zur Gitarre, dann wieder spielte er auf dem Klavier. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

In der Murrhardter Stadtkirche präsentierte Thomas Felder im Rahmen des Liederabends sein Programm „Von Wegen“. Dabei griff er mal zur Drehleier, mal zur Gitarre, dann wieder spielte er auf dem Klavier. Foto: J. Fiedler

Von Petra Neumann

MURRHARDT. Auf seiner Drehleier stimmte er das Publikum im mittelalterlichen Kirchenraum gekonnt auf seine doppeldeutige Sichtweise aktueller Themen ein – im Laufe des Abends gesellten sich noch einige andere Instrumente dazu. „Älles isch em Wandel“, aber im Grunde genommen bleiben sich die Themen und Probleme aller Gesellschaften und Zeiten gleich, sodass sich der Liedermacher in ein Land träumt ohne Schlösser und Schranken, aber mit allen frugalen Genüssen, die man zu einem zufriedenen Leben braucht.

Mit seinen Zuhörern reiste der 66-jährige Thomas Felder zurück in die Kindheit auf der Schwäbischen Alb. Da gab es kaum Motorisierung, die steinigen Äcker wurden mit dem Pferde- oder Ochsengespann gepflügt und das Konkurrenzdenken war noch ein Fremdwort. Doch dies änderte sich, als der erste Bauer einen 25-Hanomag-Traktor kaufte. Das war der eigentliche Bruch mit der Zeit davor, jetzt wollte jeder mithalten und zeigen, dass er sich noch mehr leisten kann als der Nachbar. „Und irgendwann hat sich oiner oi Motorrad, oi NSU, also des isch koi böse Terrororganisation, sondern a solide schwäbische Firma, gkauft“, erläutert Thomas Felder in seinen Kommentaren zwischen den Liedern.

Die politische Herkunft des Liedermachers dringt durch

Er sei ein Sprachsucher und weil auf der Schwäbischen Alb wohl die kulturelle Wiege Europas liege mit Idolen (Figuren) aus Mammutelfenbein und Flöten aus Schwanenknochen, die alle so um die 40000 Jahre alt sind, hätte er sich einen Wortbohrer anfertigen lassen und mal in dem mürben Kreidegestein gebohrt. Dabei sei ein Wort aufgetaucht. „Frrrrrrrau“ hätte es geheißen, so könne es nicht anders sein, dass Adam wohl froh (im Älbler Dialekt frau) gewesen sei, da er nicht mehr hätte allein sein müssen. Aber da Männer nun mal besitzergreifend sind, haben sie nicht nur ihr holdes Eheweib, sondern hauen sie auch noch, damit sie schön demütig bleiben. Auf Älblerisch „hauet se d’ Frau“, was haben und hauen heißt. Solche Wortspielereien liegen dem gestanden Liedermacher und daher ist der Song „Der Modeschöpfer“ einer, der die Zeiten verbindet. Denn die Dinge, die heutzutage modern sind, modern in der Zukunft schon längst vor sich hin.

Die Vergänglichkeit ist ein Leitthema und die große Mutterkugel namens Erde weiß ein Lied mit der Stimme von Thomas Felder davon zu singen. Ihr jüngstes Tier, das gelernt hätte, auf zwei Beinen zu gehen, mache ihr die größten Probleme und verwüstete ihre Haut gar sehr. In solchen Songs kann der Musiker seine politische Herkunft gewisslich nicht verleugnen. Die fand einen Höhepunkt bei den Demonstrationen gegen die amerikanischen Atomsprengköpfe, die hierzulande in den 80ern stationiert wurden. Thomas Felder, wie auch andere Protestler, machten sich dabei strafbar und wurden wie Verbrecher behandelt. Bei der Gerichtsverhandlung, die ihm wie eine Massenabfertigung vorgekommen sei, sang er einfach die ewig gleiche Litanei des Staatsanwalts. Kurzum, Staatsgewalt ist ebenso eine Form der Gewalt wie alle anderen auch.

Ob Thomas Felder wohl weiß, dass der Dichter Friedrich Hölderlin (1770 bis 1843) mal in Murrhardt gewesen ist? Auf jeden Fall intonierte er eines seiner schönen Gedichte, „Das Schicksalslied“, und auch den „Psalm 23“. So spannt Thomas Felder wirklich einen großen Bogen von der Vergangenheit über heutige politische Themen bis zur großen Frage der Menschheit nach dem Sinn des Lebens.

Die Anwesenden zeigten sich auch sehr beeindruckt von der Liveperformance und gaben sich nicht nur mit einer Zugabe zufrieden.

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Erstellt:
18. Februar 2020, 06:00 Uhr

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