Aussage von oberstem Glaubenshüter im Vatikan

Gibt es eine Verbindung von Zölibat und Missbrauch?

Eigentlich wollte der vatikanische Glaubenshüter, Kardinal Víctor Fernández, über Monogamie sprechen. Dann brachte er die Einsamkeit von ehelos lebenden Priestern mit Missbrauch in einen Zusammenhang. Eine umstrittene Verbindung.

In der katholischen Kirche dürfen nur geweihte und zölibatere Priester die Eucharistie feiern.

© mago/Elmar Gubisch

In der katholischen Kirche dürfen nur geweihte und zölibatere Priester die Eucharistie feiern.

Von Markus Brauer/KNA

Acht lange Jahre hatten zwei Lehrer und Priester am Elite-Gymnasium der Societas Jesu, dem Canisius-Kolleg in Berlin, mindestens 22 Schüler zwischen 1975 und 1983 sexuell missbraucht. Unentdeckt, folgenlos.

Missbrauch im Ordensinternat

 Der damalige Rektor der Privatschule, Pater Klaus Mertes SJ, hatte die schlimmen Fälle damals öffentlich gemacht. Nach 30 Jahren drängte der Albtraum mit voller Wucht an die Öffentlichkeit, riss den Jesuitenorden – und mit ihm die katholische Kirche – in einen Strudel aus Fakten, Behauptungen und Verdächtigungen. Das war Anfang 2010.

Seitdem ist die Kirche in Deutschland – und mit ihr die Weltkirche – nicht mehr dieselbe. Und für viele Katholiken nicht mehr jene „heilige katholische Kirche“, als die sie im Apostolischen Glaubensbekenntnis apostrophiert wird. Wenn sie es überhaupt in realiter jemals war.

„Die Kirche leidet an Homophobie“

Pater Mertes sah – und sieht bis heute – einen Zusammenhang mit der restriktiven kirchlichen Sexualmoral: „Die Kirche leidet an Homophobie. Homosexualität wird verschwiegen“, erklärte er damals.

Inzwischen sagen auch andere Insider in der Kirche: Das Zölibat ist zwar kein Grund für eine pädophile Neigung von Klerikern, doch macht er es pädophil Veranlagten leichter. Im Zölibat hofften sexuell Unreife, Schutz zu finden. Es stellt sich also die Frage, ob das priesterliche Keuschheitsideal nicht auch solche Menschen anzieht, die sexuell gestört sind.

Missbrauch aus priesterlicher Einsamkeit?

 Und heute? Fast 26 Jahren danach? Víctor Fernández sagt zwar nichts Neues, aber Ungeheuerliches – für einen Kardinal. Der oberste katholische Glaubenshüter hat nämlich die Ehelosigkeit von Priestern mit Missbrauch in Zusammenhang gebracht.

 Ein Priester könne nicht erwarten, sein Gefühl der Einsamkeit durch eine andere Person zu füllen, erklärte der argentinische Kurienkardinal bei der Vorstellung eines Vatikan-Papiers zu Monogamie am Dienstag (25. November) im Vatikan. Daraus entstünden auch Missbräuche.

Zölibat als Risikofaktor?

„Mein Gefühl der Leere, der Einsamkeit, meine psychologischen Probleme muss ich auf andere Weise lösen“, argumentiert Fernández. Zölibatäre müssten andere Wege suchen, nicht eine andere Person, die diese Bedürfnisse befriedigen könne.

Die Frage einer Verbindung zwischen verpflichtender Ehelosigkeit und Missbrauch in der katholischen Kirche ist höchst umstritten. Einige Experten sehen den Zölibat als Risikofaktor, andere sehen einen Zusammenhang als nicht erwiesen an.

Fernández leitet mit der Glaubensbehörde jene mächtige Vatikan-Institution, die für die Untersuchung von Missbrauchsfällen und die Bestrafung der Täter aus dem Klerus zuständig ist.

Gleichgeschlechtliche Partner und Monogamie

Fernández äußerte sich im Zusammenhang mit dem Fehlen der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften im neuesten Monogamie-Papier des vatikanischen Glaubensdikasteriums.

Die lehramtliche Note fordert Partner in einer katholischen Ehe zur Monogamie auf. Weil es sich bei dem erörterten Thema um eine Ehe nach katholischer Auffassung handele, bespreche das Dokument die Partnerschaft ausschließlich zwischen einer Frau und einem Mann, erläuterte Fernández.

Das bedeute jedoch nicht, dass es in anderen Kontexten keine Werte gebe und der Inhalt des Dokuments nicht auch für andere Formen von Verbindungen gelten könne, ergänzte der hohe Kleriker. Tugenden wie Geduld oder Respekt gälten auch für eine Beziehung zwischen Freunden und in anderen Beziehungsformen. Was über den Respekt der Männer gegenüber Frauen gesagt werde, gelte auch für Ehelose.

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Erstellt:
26. November 2025, 13:28 Uhr

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