Bundestagsfraktion

Grüne in der Opposition: Noch immer nicht auf Kurs

Die Grünen sitzen jetzt wieder in der Opposition. Und fallen dort kaum auf. Wohin steuert die Partei – und kommt sie noch aus der Krise?

Die Grünen haben eine große Führungsspitze – aber kein wirklich prominentes Gesicht.

© Michael Kappeler/dpa

Die Grünen haben eine große Führungsspitze – aber kein wirklich prominentes Gesicht.

Von Rebekka Wiese

Es war nicht besonders voll im Plenarsaal, als Grünen-Parteichef Felix Banaszak vor Kurzem an das Mikrofon trat, um eine emotionale Rede zu halten. Banaszak sprach von seiner kleinen Tochter – und der Welt im Jahr 2050, beschrieb, wie die Klimakrise sich bis dahin in Deutschland ausgewirkt haben würde. Ein paar Abgeordnete klatschten ihm zu. Und doch wirkte Banaszak in diesem Moment wie ein Redner, dem das Publikum abhandengekommen ist.

Dass die Rede eines Parteichefs im Bundestag mal untergeht, ist zwar tatsächlich nicht ungewöhnlich. Und doch wirkte dieser Auftritt fast sinnbildlich für all die Probleme, die die Grünen im Bundestag jetzt haben.

In Umfragen zwischen 10 und 11 Prozent

Vor gut einem Monat ist die neue Regierung angetreten, die Grünen sitzen jetzt in der Opposition. Und obwohl die Fraktion diese Rolle eigentlich gut kennt, wirkt es nun, als habe sich etwas verändert. Die Grünen haben erlebt, wie es ist, auf dem Weg zur Volkspartei zu sein. Doch nach dem Scheitern der Ampelkoalition landeten sie bei der Bundestagswahl bei nur 11,6 Prozent. In Umfragen ist es nun noch weniger geworden, da schwanken sie zwischen 10 und 11 Prozent. Woran liegt das? Und wohin steuert die Partei nun?

Und jetzt? „Die Oppositionszeit könnte für die Grünen eine Chance sein, ein neues Profil zu entwickeln“, sagt der Parteienforscher Uwe Jun, Politikwissenschaftlicher und Professor an der Universität Trier. Doch er sagt auch: „Bislang ist davon noch nicht viel erkennbar.“

„Keine wirksame Führungspersönlichkeit“

Jun sieht ein Problem darin, dass die Grünen nach dem Rückzug der ehemaligen Parteivorsitzenden und Minister Robert Habeck und Anna-Lena Baerbock auf Bundesebene gerade keine „wählerwirksame Führungspersönlichkeit“ haben. Die Bundespartei werde nun von vier Personen geführt, von denen aber keine heraussteche. Anders als bei anderen Parteien stehen Partei- und Fraktionsspitze bei den Grünen fast gleichberechtigt nebeneinander: die Bundesvorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak sowie die Fraktionschefinnen Britta Haßelmann und Katharina Dröge. Man sieht alle vier nun öfters in Talkshows. Doch so wirklich bekannt ist niemand von ihnen.

Einige in der Fraktion glauben, dass es Dröge gelingen könnte, die neue zentrale Figur der Partei zu werden. Doch andere zweifeln daran, ob die Fraktionschefin das überhaupt will – und noch mehr daran, ob sie es könnte.

„Oftmals unterdurchschnittliche Kompetenzwerte“

Parteienforscher Jun sieht noch weitere Schwierigkeiten für die Partei. „Die Grünen haben insofern ein inhaltliches Problem, dass viele Wähler ihnen vor allem in der Klima- und Umweltpolitik Kompetenzen zuschreiben“, sagt er. „In fast allen anderen Feldern haben sie oftmals unterdurchschnittliche Kompetenzwerte.“

Und Jun sieht noch ein Problem. „Die Grünen stehen hauptsächlich für eine bestimmte Gruppe in dieser Gesellschaft: akademisch ausgebildete Großstädter“, sagt er. „Das macht sie angreifbar. In anderen Gruppen gibt es deshalb viele Vorurteile gegen sie.“

Das weiß auch Ricarda Lang. Sie sitzt seit 2021 im Bundestag. Bis vergangenen Herbst war sie Bundesvorsitzende der Grünen – und gilt auch nach ihrem Rücktritt als eine der wichtigsten Stimmen der Partei. „Wir müssen wieder näher an den Alltag der Menschen ran“, sagt Lang im Gespräch mit dieser Redaktion. Wenn sie etwa über Arbeitszeit spreche, dann könne sie das entweder im theoretischen Kleinklein tun. „Oder aber, ich versuche, zu verstehen: Wie muss es sich eigentlich für eine alleinerziehende Mutter mit Teilzeit-Job anfühlen, wenn sie vom Bundeskanzler hört, sie soll mehr arbeiten?“ Lang findet, dass sie als Bundestagsabgeordnete möglichst oft in ihren Wahlkreisen und im Land unterwegs sein müssten. „Das hilft, zu verstehen, was die Menschen wirklich umtreibt – auch außerhalb Berlins“, sagt sie.

Der Politikwissenschaftler Jun weist auch auf einen Vorteil der Grünen hin: Sie hätten eine relativ stabile Stammwählerschaft von etwa zehn Prozent, sagt er. „Um Wähler darüber hinaus zu gewinnen, wäre es von Vorteil, ein klares Profil zu entwickeln, das sich von der Konkurrenz abhebt.“ Für die Grünen würde das wohl bedeuten, sich deutlicher für eine Richtung zu entscheiden: ob sie sich eher mittig orientieren will – oder eher nach links.

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Erstellt:
15. Juni 2025, 17:02 Uhr

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