CDU wirbt um die Kultur
Hagel führt, Weimer folgt
Baden-Württembergs CDU bemüht sich um die Kulturszene. Spitzenkandidat Hagel verspricht: Bei Kunst wird nicht gekürzt. Der Kulturstaatsminister fördert die Filmbranche.
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CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel (li.) und Kulturstaatssekretär Wolfram Weimer: vertieft in den Kampf um die Kultur.
Von Reiner Ruf
Die junge Karriere des Wolfram Weimer als Staatsminister für Kultur und Medien verlief bisher nicht immer erbaulich. Das begann schon mit der Nominierung des parteilosen Publizisten und Medienunternehmers durch Kanzler Friedrich Merz. Das Zentralorgan des deutschen Besitzbürgertums, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, kommentierte in Gestalt ihres Mitherausgebers Jürgen Kaube mit trockenem Witz: „Weimer ein Interesse an irgendeiner Kunst oder Geist zu unterstellen, wäre spekulativ.“ Der Ton war gesetzt.
Im Kern sieht sich der Kulturstaatsminister – er gründete einst das Magazin „Cicero“ und war auch als Chefredakteur von Publikationen wie „Focus“ oder „Die Welt“ tätig – dem Verdacht ausgesetzt, in Vertretung des Kanzlers jenen Kulturkampf auszufechten, den Merz mit Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD und die Notwendigkeiten seines Amtes nicht aufnehmen könne. Die weniger anspruchsvolle Erklärung bestand in der Überlegung, Weimer verdanke seine Berufung der guten Nachbarschaft zum Kanzler am Tegernsee. Von einer „Tegernsee-Connection“ war gar die Rede. Aber Kulturkampf?
Kritik an Weimers Geschäft
Tatsächlich lieferte Weimer Hinweise darauf, dass er seine Rolle in diesem Sinn versteht – etwa, als er in typischem AfD-Slang vom „Zwangsbeitrag“ sprach, der für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu entrichten sei. Aber auch das Geschäftliche kommt nicht zu kurz. Am Tegernsee richtet die Weimer Media Group den „Ludwig-Erhard-Gipfel“ aus. Zuletzt wurde bekannt, dass Weimer an dem Unternehmen immer noch beteiligt ist, was insofern überraschte, als in einer Antwort auf eine Anfrage der Bundestags-Grünen davon die Rede war, der Staatsminister habe die Geschäftsführung aufgegeben und das Unternehmen verlassen. Dies wurde fälschlicherweise als Kundgabe der Übergabe der Geschäftsanteile an seine Frau interpretiert – was sich als Fehlschluss herausstellte. Kritiker verweisen darauf, dass das Unternehmen Zuwendungen der öffentlichen Hand für Veranstaltungen erhalte; Amt und Geschäft erscheinen als nicht sauber getrennt.
Nur die Blasmusik fehlt
Weimer reiste also mit einigem Gepäck nach Baden-Württemberg, wo er die neue Dauerausstellung des Schiller-Nationalmuseums in Marbach eröffnete. Am Freitag fand er sich in Ludwigsburg ein, wohin Manuel Hagel, der CDU-Spitzenkandidat für Landtagswahl, geladen hatte. Auch dort waren im Vorfeld leichte Verspannungen aufgetreten, weil als Ort des Empfangs zunächst die international renommierte Filmakademie vorgesehen war – wogegen Studenten protestierten: Man wolle keine Parteiveranstaltung dieser Dimension im Haus. Weimer schaute dennoch vorbei, in Form eines Informationsbesuchs, wie dies auch schon Cem Özdemir getan hatte, der Grünen-Bewerber fürs Ministerpräsidentenamt.
Unmittelbar danach durften die etwa 150 Teilnehmer des CDU-Medienempfangs den Staatsminister in den Räumen einer früheren Kaffeerösterei am Ludwigsburger Bahnhof erleben. Dort gab es einen CDU-Spitzenkandidaten zu sehen, der in seinen kulturpolitischen Mitteilungen entschlossen alles abräumte, was die Gemüter der Medien- und Kulturvertreter hätte eintrüben können. Die Verlegung des Tagungsorts: „Überhaupt kein Problem“. Kritik an der Politik: „Das müssen wir aushalten.“ Und ganz generell: Kunst und Kultur seien „der Herzschlag unserer Gesellschaft“. Hagel versprach, „dass wir in künftigen Haushalten, wenn wir an einer Landesregierung beteiligt sind, an Theatern, Museen, Film, Medien, Musikschulen, Ateliers niemals sparen“.
Lob des unabhängigen Journalismus
Die Art, wie Hagel redete, was er sagte und was er nicht sagte: das alles verriet sein Bemühen, auf maximalen Abstand zum AfD-Sound zu gehen. Er pries den unabhängigen Journalismus. „Wir brauchen Journalistinnen und Journalisten, die informieren, einordnen und uns auch den Spiegel vorhalten. Und ja, sie nerven manchmal, provozieren, sie fragen kritisch nach, aber als Politiker würde ich die These aufstellen, ihnen geht es mit uns manchmal genauso.“
Vielleicht, um dem Staatsminister Weimer gar nicht erst in Versuchung zu führen, das Wort Zwangsbeitrag in den Mund zu nehmen, bedachte Hagel den SWR mit einem großen Lob und der kleinen Bitte um „ein bisschen mehr Lokalpatriotismus“, also mehr regionale Beiträgen. Der anwesende Programmdirektor des SWR wird den Wink verstanden haben. Wobei: Im neuen SWR-Staatsvertrag ist der Lokalpatriotismus verordnet. Hagel stellte einen Ausbau der Filmakademie in Aussicht, ein „Animationsinstitut zum Beispiel hier bei uns in Baden-Württemberg“. So etwas gebe es in der Welt wenige Male. „Wenn wir jetzt darüber nachdenken, nicht nur zu feiern, was war, sondern zu umarmen, was kommt, dann werden wir so ein Animationsinstitut dringend brauchen.“ Später wurde klargestellt, dass an einen Ausbau des bestehenden Animationsinstituts gedacht sein. Hagel hatte es gerade besucht.
Netflix und Disney müssen investieren
Weimer – als Staatssekretär im Kanzleramt trägt er Titel eines Staatsministers – fügte sich tadellos in die von Hagel vorbereitete Leiterzählung vom Licht der Vernunft und des demokratischen Diskurses. Vom Kampf gegen die Monopolisierung der Digitalwirtschaft in den USA will Weimer nicht ablassen. Seine Forderung nach einer Besteuerung der großen Online-Plattformen war von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) zunächst abgeräumt worden – aus Furcht vor neuen Zollschlägen des US-Präsidenten Donald Trump.
Doch soll schon in den nächsten Tagen ein Konzept für eine Digitalabgabe ins Kabinett kommen. Weimer bekräftigte, dass Streaming-Anbieter wie Netflix oder Disney in Deutschland investieren müssten. Seine Ansage: „Wenn ihr hier Geschäfte machen wollt, dann müsst ihr hier auch im großen Stil investieren.“ Weil die Bundesregierung die Filmförderung verdopple, dürfe die hiesige Filmbranche einen Investitionsboom erwarten. Er erwarte allerdings weniger „Arthouse“-Filme, mehr marktkonforme Publikumsfilme. Schließlich geht es – Kunst hin oder her – ums Geschäft.
