Hochwasserschutz ist nichts für Ungeduldige

Es ist wieder einmal ruhig um den Bau des Rückhaltebeckens Gaab geworden, im Verfahren der Planfeststellung sind noch Punkte wie Ausgleichsmaßnahmen und Umsiedlung einer Schmetterlingsart abzuklären. Murrhardt will den innerörtlichen Schutz möglichst parallel planen.

Die Stadt hat den Kanal, in dem der Dentelbach in Richtung Stadt fließt, gereinigt und von Bewuchs befreit. Fotos: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Die Stadt hat den Kanal, in dem der Dentelbach in Richtung Stadt fließt, gereinigt und von Bewuchs befreit. Fotos: J. Fiedler

Von Christine Schick

Murrhardt. Mit der Flutkatastrophe Mitte Juli sind die Themen Hochwasser und Starkregen wieder stärker in den Fokus gerückt. Wie sieht es in Murrhardt mit den Schutzmaßnahmen aus? Vor etwas mehr als einem Jahr hatten die Stadtverwaltung und das Murrhardter Büro Riker und Rebmann den Planungsstand um das Hochwasserrückhaltebecken Gaab im Gemeinderat vorstellt, das für den überörtlichen Schutz von Bedeutung ist und zum Vorhabenpaket des Wasserverbands Murrtal gehört.

Das Ziel, für den Bau nun einen entscheidenden Schritt weiterzukommen, nämlich in das sogenannte Planfeststellungsverfahren einzutreten, wurde zwar erreicht – seit Ende 2020 ist man in diesem Prozess –, aber es sind weiterhin eine Reihe von Punkten zu klären, erläutert Bürgermeister Armin Mößner. Das Becken ist auf einer Fläche bei Fornsbach geplant. Da diese auch in einem Naturschutzgebiet liegt, geht es vor allem um die Eingriffe, die mit dem Bau verbunden sind. Die Stadt benötigt eine entsprechende Befreiung und kann Ausgleichsmaßnahmen anbieten. Das Backnanger Büro Roosplan, das sich mit dem landschaftspflegerischen Begleitplan und der Umweltverträglichkeit des Vorhabens befasst, hatte dem Landratsamt und dem Regierungspräsidium auch bereits Ausarbeitungen und Vorschläge vorgelegt. „Wir haben eine Stellungnahme erhalten. Es gibt verschiedene Einwände“, sagt Mößner.

Nun solle ein Treffen der Behördenvertreter vor Ort stattfinden – noch im Oktober. Konkret geht es um die Frage der geplanten Auwaldverläufe, die in Augenschein genommen und über die beraten werden soll. Ebenso haben die Behörden eine detailliertere Abhandlung zur Umsiedlung des Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläulings gefordert. Der seltene, bedrohte Schmetterling kommt im Plangebiet vor. Bisher war der Vorschlag, mithilfe eines Heraustrennens und Wiedereinsetzens von Wiesenabschnitten in der Nähe der Art zu einem Umzug zu verhelfen, und zusätzlich nach dem Bau des Beckens den Großen Wiesenknopf, von dessen Nektar der Schmetterling lebt, wieder gezielt einzusäen. Ein dritter Punkt betrifft das Material der Dammscharte. Durch die vorgesehenen Wasserbausteine wird der Bereich als „nicht rekultiviert“ eingestuft. Insofern wird an dieser Stelle ein ökologischer Ausgleich nötig sein. Mößner hofft auf die Befreiungen und Ausnahmeregelungen – auch mit Blick aufs Ahrtal. Es gelte, die Eingriffe sowie die Sicherheit für Leib und Leben abzuwägen und Letztere sei einfach höher einzustufen. Dass das Verfahren eine so lange Zeit in Anspruch nimmt, ist für ihn schwer nachvollziehbar. „Es kommt einem so vor, als lasse sich eine Marsmission schneller planen. Das passt einfach nicht mehr zusammen“, sagt Mößner. Zumindest hätten die meisten Parteien sich im Bundeswahlkampf eine Beschleunigung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren auf die Fahnen geschrieben.

Nach der Wasserverbandsgründung 2008 ist das Becken Gaab noch in Planung

Zur Relation: Laut Mößner reichen die Hochwasserschutzplanungen bis zum Jahr 1994 zurück, bei denen Hausen und Gaab bereits als Gebiete im Gespräch gewesen seien. Im Jahr 2008 gründete sich der Wasserverband Murrtal mit den vier Partnern Murrhardt, Sulzbach an der Murr, Oppenweiler und Backnang und eine Flussgebietsuntersuchung war die Grundlage für die späteren Beckenplanungen in Murrhardt (Gaab und Mahd), Sulzbach (Fischbach und Haselbach) und Oppenweiler (gleichnamiges Becken). In der Walterichstadt waren eine Reihe von Landwirten, deren Flächen durch den Bau des größeren Beckens Gaab betroffen waren, alles andere als begeistert, und so wurde die Möglichkeit einer Reihe vorgelagerter, kleinerer Becken als Alternative geprüft. Doch die Schutzwirkung bezogen auf die Fläche habe sich als deutlich niedriger und die Kosten als bei Weitem höher erwiesen, erinnert sich Mößner. Auch die Dämme hätten sehr viel höher ausfallen müssen. Die landwirtschaftlichen Flächen könnten auch nach dem Bau noch genutzt werden. Kommt es zu Hochwasser und Einstauung des Beckens, griffen entsprechende Ausgleichszahlungen. Der genaue Betrag richte sich nach dem konkreten Anbau auf dem Feld.

Aber schützt das Hochwasserrückhaltebecken auch im Falle eines möglicherweise sehr regionalen Starkregens? Mößner unterscheidet dabei generell zwei Szenarien. Das ist ein Hochwasser im Winter, das sich nach Schneelagen und einem gefrorenen Boden mit der Schneeschmelze und zusätzlich einsetzenden Regenfällen entwickelt. In solch einem Fall seien die geplanten überörtlichen Becken von zentraler Bedeutung für das ganze Murrtal. Immer noch, auch angesichts sich verändernder klimatischer Bedingungen. „Starkregen ist eher ein Sommerthema“, sagt der Bürgermeister und erinnert an die Vorkommnisse vor einigen Jahren, als nach intensiven Regenfällen der Hörsch-, Dentel- und Harbach zu Problemen und Überschwemmungen geführt haben. In diesen Fällen sei der innerörtliche Hochwasserschutz entscheidend. Das Ingenieurbüro Riker und Rebmann ist mit entsprechenden Untersuchungen betraut. Nach dem bisherigen Stand hat bereits geholfen, dass die Flussbausteine am Ufer den Ablaufquerschnitt erhöht haben, trotzdem wird es entlang der Murr eine Reihe von Spundwänden und Erddämmen (oder ihre Erhöhung) brauchen – vor allem nach der Ochsenbrücke in Richtung Weststadt.

Neben Becken und innerörtlichen Schutz kommt noch ein drittes Element – die Kanalentlastung. Das Regenüberlaufbecken (RÜB) 26 in der Wiesenstraße wird bekanntlich gerade saniert und mit einem Entlastungspumpwerk ausgestattet. Aktiv werden wird die Stadt in dieser Hinsicht auch noch an zwei weiteren Stellen – dem RÜB 26 nahe der Mündung vom Hörschbach in die Murr sowie einem weiteren Regenüberlaufbecken an der Wilhelm-Söhnle-Straße in der Weststadt.

Bürger haben die Verwaltung darauf aufmerksam gemacht, dass der Dentelbach, der unter der Unterführung in der Siegelsberger Straße in einem künstlichen Kanal durchgeleitet wird, durch Dreck, Sand und angeschwemmtes Material sowie Wucherungen von Springkraut bei Starkregen oder Hochwasser zum Nadelöhr und Problem werden könnte. Bürgermeister Armin Mößner war das bekannt und das Stadtbauamt am Thema dran. Auch hier müssen die Maßnahmen – Anlandungen ausbaggern, Springkraut entfernen – zuvor mit dem Landratsamt abgesprochen sein. Das ist offensichtlich bereits geschehen, wie die Aufnahmen unseres Fotografen zeigen. Weitere künstliche Kanäle in Murrhardt, die in Augenschein genommen werden müssten, gebe es nicht, sagt der Bürgermeister, aber im Teilort Harbach ein paar Uferbruchstellen, wo man den Rand wieder stabilisieren sollte.

Der Dentelbach mündet nach der Rümelinsmühle später in einen künstlichen Kanal.

© Jörg Fiedler

Der Dentelbach mündet nach der Rümelinsmühle später in einen künstlichen Kanal.

Baubeginn 2023 anvisiert

Verfahren und Bau Bürgermeister Mößner hofft, dass das Planfeststellungsverfahren für das Hochwasserrückhaltebecken Gaab möglichst im Sommer 2022 abgeschlossen werden kann. Rechnet man die Vorbereitungen mit, könnte der Bau dann 2023 beginnen. Wunsch sei, den innerörtlichen Schutz parallel zu planen und wenn möglich auch umzusetzen.

Historie Im nicht allzu weit reichenden Rückblick sind die Weststadt und die Rümelinsmühle beziehungsweise die Unterführung an der Siegelsberger Straße hochwassergefährdet. Einschneidende Hochwasserereignisse im Murrtal gab es 2011 und 1970. Was die kritischen Gebiete angeht, so hält sich Mößner vor allem an die Hochwassergefahrenkarten. Für Murrhardt finden sie sich unter folgendem Link (weitere anwählbar): https://tinyurl.com/3cnmkxct.

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Erstellt:
20. Oktober 2021, 06:00 Uhr

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