Hoeneß knackt die 100er-Marke
Der Stuttgarter Trainer steht vor seinem 100. Pflichtspiel für den VfB und kann im vereinsinternen Ranking zeitnah weiter klettern. Bleibende Momente sind ihm schon jetzt sicher – wir blicken auf zehn zurück .
Von David Scheu
Stuttgart - Dieses Jubiläum ist kein alltägliches. Wenn der VfB Stuttgart am Samstag (20.30 Uhr) im Supercup den FC Bayern empfängt, wird Sebastian Hoeneß zum 100. Mal in einem Pflichtspiel auf der Trainerbank Platz nehmen – womit er sich schon jetzt in den Top Ten des Vereins seit Einführung der Bundesliga 1963 einreiht.
Und: Da in der kommenden Saison mindestens 44 Partien in vier Wettbewerben anstehen, kann Hoeneß fast alle vor ihm liegenden Stuttgarter Trainer überholen: Pellegrino Matarazzo (100), Hermann Eppenhoff (105), Helmut Benthaus (120), Arie Haan (121), Christoph Daum (128), Bruno Labbadia (131), Armin Veh (138) und womöglich Felix Magath (147).
Bis auf Weiteres unerreichbar bleiben einzig die 210 Spiele, die Jürgen Sundermann in seinen drei Amtszeiten zwischen 1976 und 1995 anhäufte. Ein besonderer Platz in den VfB-Annalen ist Hoeneß also bereits jetzt sicher, was selbstredend nicht nur an der reinen Verweildauer liegt. Ein Blick auf zweieinhalb erfolgreiche Jahre – und zehn emotionale Partien.
Im Viertelfinale des DFB-Pokals debütiert Sebastian Hoeneß auf der Trainerbank des VfB, nachdem er beim Bundesliga-Letzten einen Tag zuvor als Nachfolger von Bruno Labbadia vorgestellt worden war. Beim Zweitligisten tun sich die Stuttgarter lange schwer, ehe dem eingewechselten Enzo Millot doch noch der Siegtreffer gelingt (83.). Ein essenzielles Erfolgserlebnis, das Rückenwind für den Abstiegskampf gibt.
Nach einer Aufholjagd in der Bundesliga erreicht der VfB als Drittletzter die Relegation gegen den Hamburger SV und legt im Hinspiel vor heimischer Kulisse ein 3:0 vor. Spannend wird es trotzdem nochmals, als die Hamburger im Rückspiel in einer hitzigen Atmosphäre in Führung gehen. Letztlich sorgen Enzo Millot (2) und Silas Katompa mit ihren Toren für klare Verhältnisse, ein dritter Abstieg binnen acht Jahren ist abgewendet.
Es folgt eine famose Saison, in der sich der VfB durch einen passsicheren Kombinationsfußball mit der Handschrift seines Cheftrainers völlig überraschend in der Spitzengruppe der Bundesliga festsetzt. Einer der Höhepunkte ist das Unentschieden gegen den späteren ungeschlagenen Meister aus Leverkusen, das vielen als bestes Spiel der Saison gilt.
Angetrieben von den rund 15 000 Auswärtsfans liefern die Stuttgarter Spieler eine Machtdemonstration im Kraichgau. Vorstandschef Alexander Wehrle spricht im Anschluss von einer Stimmung wie bei einem Heimspiel und betont rückblickend, dass er ab diesem Spiel erstmals an das Erreichen der Champions League geglaubt habe. Und auch der Vertrag von Trainer Sebastian Hoeneß wird in diesem Monat vorzeitig verlängert.
Durch die unerwartete 2:4-Niederlage des FC Bayern bei der TSG Hoffenheim springt der VfB am letzten Spieltag auf Platz zwei und wird Vizemeister. Silas gelingt per Solo das Tor des Monats, im Anschluss feiern Mannschaft und Fans auf dem Zaun. Im folgenden Transfersommer trüben aber die Abgänge der Stammkräfte Waldemar Anton, Hiroki Ito und Serhou Guirassy die Stimmung.
Nach 14 Jahren melden sich die Stuttgarter in der Champions League zurück – und bieten dem spanischen Champion auf der großen Bühne im Estadio Bernabeu über die gesamte Spielzeit Paroli. Präsident Dietmar Allgaier berichtet im Nachhinein von einem zunehmend nervösen Amtskollegen Florentino Pérez auf der Tribüne, der am Ende durchatmen kann: Madrid gewinnt durch zwei Tore in der Schlussphase, der VfB und seine Fans verschaffen sich durch den Auftritt aber viel Respekt.
Lange scheint es, als würde sich der VfB für den mutigen Auftritt beim italienischen Rekordmeister nicht belohnen – bis Leihspieler El Bilal Touré in der Nachspielzeit doch noch trifft. Hoeneß spricht im Anschluss von einem „großartigen Spiel“ seiner Mannschaft, das zugleich den ersten VfB-Sieg auf europäischer Bühne seit fast zwölf Jahren markiert.
Es ist ein schwarzer Abend im Stadion Rajko Mitic. Bei dem serbischen Meister finden die Stuttgarter einfach nicht zu ihrem Spiel und kommen unter die Räder, auch der an die Belgrader ausgeliehene VfB-Profi Silas Katompa trifft. Die Partie steht stellvertretend für die mühevollen Phasen, die das Team in der Saison nach der Vizemeisterschaft immer wieder durchmacht – vor allem im Februar und im März nach dem Aus in der Königsklasse.
Kuriosum an der Alten Försterei. Mit acht Toren im ersten Durchgang stellen beide Mannschaften einen neuen Bundesliga-Rekord auf, der vor allem durch eine effiziente Chancenverwertung und Standard-Treffer zustande kommt. In den folgenden Wochen schießt sich der VfB mit drei Siegen an den letzten drei Spieltagen auf Platz neun der Bundesliga und warm fürs Pokalfinale.
Der bisherige Höhepunkt in der Amtszeit von Sebastian Hoeneß: Im Pokal-Endspiel von Berlin gelingt gegen den Drittligisten der erste große Titel seit der Meisterschaft 2007. Nach Toren von Nick Woltemade, Deniz Undav und Enzo Millot (2) wird es nur in der Schlussphase nochmals kurzzeitig spannend. Es folgt eine rauschende Party – erst in Berlin, dann am Sonntag auf dem Stuttgarter Schlossplatz, wo Jamie Leweling den Titel in der Europa League als Ziel ausruft.