Ihr größter Feind ist die Varroamilbe

Beim Bezirksbienenzüchterverein Murrhardt informiert Peter Rosenkranz über den Umgang mit dem Schädling. Bei Bienenvölkern sorgt er nach wie vor für deutliche Verluste über den Winter. Insofern kommen Imker nicht darum herum, ihre fleißigen Honigsammler zu behandeln.

Mittlerweile haben Imker weltweit mit dem Problem der Varroamilbe zu kämpfen. Archivfoto: Jörg Fiedler

© Jörg Fiedler

Mittlerweile haben Imker weltweit mit dem Problem der Varroamilbe zu kämpfen. Archivfoto: Jörg Fiedler

Von Ute Gruber

Murrhardt. „Zwei Dinge sind für uns Bienenhalter absolute Pflicht: die Varroa im Griff zu halten und die Völker nicht verhungern zu lassen“, schärft Peter Rosenkranz den Mitgliedern des Bezirksimkervereins Murrhardt bei seinem Fachvortrag anlässlich der Jahresversammlung ein. „Alles andere ist Kür – die Honigmenge, das Verhindern des Schwärmens, das Wandern in andere Trachten.“ Diese Dinge entscheiden zwar über die Wirtschaftlichkeit der gehaltenen Bienenvölker – Varroa und Futter aber über Leben oder Tod. Futtermangel, der ein Bienenvolk tatsächlich verhungern lassen kann, spielt in der Regel nur in extremen Jahren eine ernsthafte Rolle, wie zum Beispiel im nasskalten Jahr 2021, in dem die meisten Imker mangels sonnig-warmem Flugwetters statt Honig zu ernten ihre Bienen tatsächlich mitten im Jahr auch noch füttern mussten. Das Einfüttern für den Winter nach der letzten Honigernte im Spätsommer gehört dagegen zum Standardprogramm einer guten imkerlichen Praxis.

Kampf gegen Varroa als Lebensthema

„Bei der Varroaseuche ist jedoch auch 40 Jahre nach der Einschleppung die Lage nicht entspannt“, stellt Rosenkranz ernüchtert fest und hat seinen Vortrag wohlweislich „Leben mit der Varroamilbe“ benannt. Nachdem er „als kleiner Biologiestudent in Tübingen“ mehr zufällig zum Thema gekommen war, weil ausgerechnet in seinen beiden Hobbybienenvölkern diese damals noch neue, todbringende asiatische Milbe mit dem vielsagenden Namen „Varroa destructor“ aufgetaucht war, was seine Hobbybienen plötzlich zu einem begehrten Forschungsobjekt machte, hat er sein Leben dem Kampf gegen den Bienenschädling verschrieben. Als Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde in Stuttgart-Hohenheim hat er jahrzehntelang Forschungsarbeiten über Bienen begleitet und muss traurig feststellen: „Fünf bis sechs Milbenbehandlungen übers Jahr gehören heute zum Standard und dennoch geht die Hälfte der Winterverluste auf das Konto der Varroa.“

Fünf bis maximal 20 Prozent der Bienenvölker sterben im Durchschnitt jeden Winter, ohne Varroabehandlungen wären es 80 bis 90 Prozent. Große Hoffnungen würden vielerorts in die Züchtung toleranter Typen gesetzt, welche zum Beispiel befallene Brutzellen erkennen und selbst ausräumen, es gäbe teilweise sogar schon genetische Marker dafür. Leider sei das Merkmal sehr komplex und genetisch instabil: „Da haben Sie Mutter- und Vaterlinie positiv und trotzdem zeigen viele der Nachkommen das erwünschte Verhalten nicht.“ Außerdem züchteten nur wenige Imker mit gezielter (Hand-)Besamung, 99,5 Prozent verließen sich dagegen auf Standbegattung – sprich: die junge Königin sucht sich ihre Paarungspartner in freier Natur. „Wie wollen Sie da den Zuchterfolg auf die Fläche bringen? Ich glaube nicht, dass wir das noch erleben dürfen.“ Bei einem Versuch auf der schwedischen Insel Gotland, wo die Honigbienen sich seit vielen Jahren selbst überlassen werden, hätten sich tatsächlich wenige widerstandsfähige Bienen ausselektiert. „Aber das sind jetzt so kleine, aggressive Stecher, die keinen Honig bringen.“ Will heißen: Jahrhunderte der Zucht auf Sanftmut und Honigertrag für die Katz. Übrig bleibe vorerst also nur eine Kombination aus den bewährten, aber zeitaufwendigen Methoden wie Drohnenbrutrahmen schneiden, Jungvölker bilden, brutfreie Phasen schaffen zur Behandlung mit Oxal- oder Milchsäure, Ameisensäureverdampfung im Spätsommer, Fangwaben, Winterbehandlung. „Und das Wichtigste: Diagnosen!“ Durch ein Tablett mit ölgetränktem Papiertuch, das unter den offenen Gitterboden des Bienenkastens geschoben wird, – die sogenannte Ölwindel – lassen sich tote Milben auffangen und so der Befallsgrad beziehungsweise die Wirkung einer Maßnahme überprüfen. Auch das schonende Ausschütteln einer definierten Handvoll Bienen in Puderzucker trennt die Milben von ihren Wirten und biete sich auch als eindrückliche Demonstration zum Beispiel für Schulklassen an. Zur genauen Befallsdiagnose sind hier allerdings Rechenkünste gefragt.

Entscheidend: Schutz der Winterbienen

Der Drohnenrahmen sollte direkt neben das Brutnest gehängt werden, dieser diene immer auch als Stimmungsbarometer. Das Teilen eines Volkes in Flugling (mit Königin) und Brutling und anschließende Behandeln mit Oxalsäure sei eine gute Methode, bei der auch gleichzeitig alte Waben beseitigt werden könnten.

Viele derartige Tipps hat der seit einem dreiviertel Jahr emeritierte Bienenforscher für die Praktiker auf Lager und zeigt die neuralgischen Punkte auf einem Schema mit dem Populationsverlauf von Bienenvolk und Schädling: „Die Winterbienen sind entscheidend. Die müssen wir schützen!“ Ein starker Befall im Oktober erwies sich im deutschen Bienenmonitoring als „statistisch hochsignifikant korreliert mit dem Tod des Volkes im Winter“. Pflanzenschutzmittel hätten dagegen kaum Einfluss.

Die Auswahl an Substanzen gegen die Varroamilbe sei leider „nach wie vor überschaubar“. Neben den erwähnten organischen Säuren, die als natürlicher Bestandteil im Honig von Verbrauchern auch akzeptiert würden, die Bienen allerdings in Stress versetzten, und einem Thymianprodukt gäbe es derzeit vier zugelassene synthetische Produkte – „also die Bienen wirken mit denen glücklicher!“. Auch das unter seiner Ägide in Hohenheim entwickelte Lithiumchlorid als Futterzusatz sei gut wirksam, aber bisher leider nicht zugelassen: „Dafür fehlen uns die drei Millionen Zulassungskosten“, bedauert Rosenkranz achselzuckend. „Für Bill Gates sind wir zu unbedeutend und die Basf hat gerade andere Sorgen.“

Vorsitzender Rudolf Hofmann bei der Ehrung von Helmut Klenk und Helmut Rau (von links), die dem Bezirksbienenzüchterverein seit 60 Jahren die Treue halten. Foto: privat

Vorsitzender Rudolf Hofmann bei der Ehrung von Helmut Klenk und Helmut Rau (von links), die dem Bezirksbienenzüchterverein seit 60 Jahren die Treue halten. Foto: privat

Zu den insgesamt 145 Mitgliedern des Bezirksbienenzüchtervereins Murrhardt gehören auch zwei Schulklassen

Bienenschädling Die nur gut einen Millimeter große Raubmilbe „Varroa destructor“ lebt parasitisch auf Honigbienen, die sie durch Aussaugen schwächt und dabei häufig mit krankmachenden Viren infiziert. Während die Milbe sich in ihrem Herkunftsgebiet im tropischen Ostasien nur in den Brutwaben der Drohnen, also der männlichen Nachzucht der dortigen Bienenart Apis cerana, vermehrt und damit wenig Schaden anrichtet, befällt sie bei der westlichen Honigbiene (Apis mellifera) auch die Arbeiterinnenlarven und kann so ein Volk von Tausenden Bienen vernichten. 1977 wurde der Parasit erstmals in Deutschland nachgewiesen und beschäftigt seitdem die Imkerei nachhaltig.

Durch den Handel mit Zuchtbienen ist die Varroamilbe inzwischen weltweit verbreitet, im vergangenen Jahr hat sie nun auch den australischen Kontinent erreicht. Nun fehlt nur noch die Antarktis.

Vereinsangebot Die Bezirksbienenzüchterverein Murrhardt ist ein rühriger Verein, der seit zehn Jahren eine gefragte Anfängerschulung für bis zu 15 Einsteiger anbietet. Während der Saison finden außerdem regelmäßige Praxisdemonstrationen am eigenen Lehrbienenstand statt, bei denen auch erfahrene Imker sich austauschen können. Gruppen und Schulklassen können eine Führung buchen.

Vereinsneuigkeiten Der Verein hat aktuell 145 Mitglieder, darunter zwei Schulklassen, und damit in den vergangenen zehn Jahren fast 60 neue Mitglieder dazugewonnen, die sich hauptsächlich aus den Anfängerschulungen rekrutieren. Der Frauenanteil ist mit 25 Prozent hoch im Vergleich zu früher, als Imkerei überwiegend Männersache war.

Jedes Mitglied hält im Schnitt fünf bis sechs Bienenvölker, zusammen sind dies aktuell 742.

Im Rahmen der Versammlung wurde Steffen Hanselmann zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden gewählt, da der bisherige Funktionär sein Amt niedergelegt hat. 40 wahlberechtigte Mitglieder waren anwesend.

Geehrt wurden Hubert Wiedemann und Ernst Hudelmaier für ihre 40-jährige Mitgliedschaft, Gerhard Wurst für 50 Jahre sowie Helmut Rau und Helmut Klenk für 60 Jahre im Verein.

Ein Jahresprogramm 2023 kann beim Vorsitzenden Rudolf Hofmann per E-Mail angefordert werden: bv-murrhardt-vorstand@t-online.de

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Erstellt:
14. April 2023, 06:00 Uhr

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